SPEKTAKULÄRES SPÜLBOHRPROJEKT

Sauberes Trinkwasser

Im Auftrag der Berliner Wasserbetriebe wurde eine Rohwassersammelleitung DN 700 mit dem HDD-Spülbohrverfahren erneuert. Die Arbeiten im Trinkwasserschutzgebiet bei extremen Hochwasserbedingungen an der Havel stellten hohe Anforderungen an die Bauausführung.

In Berlin Charlottenburg, am Ufer der hier über einen Kilometer breiten Havel, fördern die Berliner Wasserbetriebe aus der Brunnengalerie „Schildhorn“ Rohwasser und bereiten es im Wasserwerk „Tiefwerder“ zu Trinkwasser auf. Für die Erneuerung der Brunnengalerie wurde seit drei Jahren ein 2 km langer Abschnitt der Rohwasserleitung in offener Bauweise mit Rohren aus duktilem Gusseisen erneuert. Dabei sind strenge Auflagen der Berliner Wasserbehörde, der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz (Sen GUV) und des Naturschutzes zu befolgen. Ferner gelten besonderen Anforderungen für das Bauen innerhalb der sensiblen Trinkwasserschutzzone.

Die Rohwassersammelleitung DN 700 musste in einem schmalen Streifen zwischen der Havelchaussee und dem Ufer eingebaut werden. Dies hatte zur Folge, dass die Leitung in einem 486 m langen Böschungsbereich das etwa 17 m hohe Ufer unterqueren musste





Schwierige Randbedingungen:

- hoher Grundwasserstand

- Anfahrt zum Ufer nur von einer Seite möglich

- unbefestigte Zufahrt.

 

Kurze Montage auf engstem Raum

Bei allen geschilderten Forderungen und Rahmenbedingungen schied ein Einbau in offenem Graben von vornherein aus. Die alte Leitung war nicht bei laufendem Betrieb zu sanieren, der Betrieb musste aufrecht erhalten bleiben. Wegen der Einschränkungen der Zufahrtswege schieden Rohre größerer Länge aus, kurze Montagezeiten waren gefordert. Ein Auslegen des Rohrstranges hätte die Zufahrt behindert, ein Ausschwimmen der Leitung auf das Gewässer war nicht genehmigt worden.

In vorangegangenen Bauabschnitten hatten die Berliner Wasserbetriebe bereits gute Erfahrungen mit duktilen Gussrohren gesammelt. Dabei hatten sich die relativ kurzen Baulängen von 6 m als vorteilhaft erwiesen. Die Abwinklungen der längskraftschlüssigen Verbindungen erlauben eine flexible Anpassung an Zwangspunkte in der Trasse.

Mit dem Horizontalspülbohrverfahren (HDD- Verfahren) ließen sich diese unterschiedlichen Anforderungen elegant erfüllen. Das vorbereitende Planungsbüro, Hyder Consulting GmbH Deutschland, stufte das Verfahren auch nach kritischer Prüfung der Kosten als Vorzugsvariante ein. Erfahrungen mit Projekten ähnlicher Größe im Ausland verringerten das Risiko weiter.

 

Robuster Werkstoff

Nach Planung und gewissenhafter Berücksichtigung der Interessen und Forderungen aller Beteiligten und Betroffenen durch die Projektleitung der Berliner Wasserbetriebe führte eine beschränkte Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb zur Wahl der bauausführenden ARGE und nach Ausschreibung auch zur Festlegung des Rohr- und Formstücklieferanten.

Es wurden 504 m duktile Gussrohre nach EN 545 [1] der Wanddicken-Klasse K 9 mit TYTON®-Steckmuffe und BLS®/VRS®-T - Schubsicherung und die erforderlichen Formstücke bestellt. Die mit Zementmörtel ausgekleideten Rohre sind außen verzinkt und mit einer robusten Zementmörtel-Umhüllung nach EN 15542 [2] versehen. Sie widersteht höchsten mechanischen und chemischen Beanspruchungen. Die Verbindungsbereiche werden mit wärmeschrumpfenden Bändern und Blechkonen geschützt.

 

Radius exakt eingehalten

Unter der Federführung der Firma Stehmeyer & Bischhoff GmbH & Co. KG, Niederlassung Berlin, begannen die vorbereitenden Maßnahmen:

- Aufstellung und Abstimmung eines Bauzeitenplans

- Baustelleneinrichtung

- Errichtung der Startbaugrube mit Trägerbohlen-Verbau

- Befestigungen/Sicherung der Baustellenbereiche

- Rückbau/Umlegung mehrerer Leitungen bei den Start- und Zielgruben.

Die Pilotbohrung und die nachfolgenden Aufweitschritte erstellte das ARGE-Mitglied BLK – Bohrteam GmbH. Dabei forderte der Auftraggeber, den zulässigen Radius von 230,00 m (max. Abwinklung der Muffen 1,5°) zwingend genau einzuhalten und mit Hilfe eines kabelgeführten Messsystems zu dokumentieren. Während die Bohrspezialisten den Bohrkanaldurchmesser aufweiteten, wurde die Zielgrube erstellt und die Rückspülleitung aufgebaut. Anfang November 2010 begannen die Arbeiten. Ende November war die Bohrung zuerst auf 500 mm und dann auf 850 mm aufgeweitet worden. Die Rohre wurden mittels kleinerer Fahrzeuge vom Lagerplatz zur Montagegrube verfahren.

 

Wetterextreme

Anfang Dezember 2010 zwang der Wintereinbruch zur Unterbrechung der Arbeiten. Wegen des Frosts konnte keine durchgängige Rückspülung garantiert werden; auch die Start- und Zielgruben vereisten. Zusätzlich überraschte ein historisch hoher Wasserstand der Havel, sodass der Uferweg bis an die Montagebaugrube komplett überflutet war. Das Wasser drohte in die Montagegrube zu laufen. Sie musste zusätzlich mit Sandsäcken gesichert werden.

 

Rohre einzeln montiert

Ab Mitte Januar 2011 konnten die Arbeiten wieder aufgenommen werden. Die Aufweitung auf 850 mm wurde wiederholt und anschließend auf 1.100 mm aufgebohrt. Mit einem „Clean-Gang“ mit einem 6 m langem Proberohr DN 850 wurde endgeräumt und die Durchgängigkeit geprüft.

Die Forderungen des Uferschutzes ließen es nicht zu, einen vormontierten Strang einzuziehen. So kam nur die Einzelrohrmontage mit einem steileren Eintauchwinkel an der Montagegrube in Frage. Hierzu wurde eine 12 m lange geneigte Montagerampe aus Stahl aufgebaut, die wegen der Witterungswidrigkeiten mit Gerüst und Planen eingehaust wurde. Nach Einweisung durch den Technischen Dienst des Rohrlieferanten und gemeinsamer Montage des Zugkopfes konnte der eigentliche Einzug beginnen.

Schnell gewannen die Kollegen der Baufirma Routine und konnten die 486 m lange Rohrleitung in nur 34 Stunden montieren und einziehen einschließlich der Nachisolierung der Verbindungen (geplant waren 60 Stunden). Insgesamt waren im Mittel 14 Arbeitskräfte pro Schicht im Dreischichtsystem im Einsatz. Zur Regulierung des Auftriebs wurde die Leitung DN 700 fortlaufend mit Wasser gefüllt. Parallel wurden noch drei kleine Dämmerleitungen mit eingezogen. Die Einzugskraft lag unter den zulässigen 165 t.

 

Erfolgreicher Projektabschluss

Die restliche Spülflüssigkeit zwischen Gussrohr und Tunnelwand wurde gegen eine hydraulisch erhärtende Suspension auf Zementbasis mit einer Endfestigkeit von 2,0 N/mm² ausgewechselt. Die Leitung wurde mit einer Kamera befahren, gemolcht, gespült, desinfiziert und druckgeprüft. Die Rohrenden wurden in das bestehende System eingebunden.

Trotz der ungünstigen Witterung konnte die Maßnahme erfolgreich bis Ende Februar 2011 fertig gestellt werden. Dabei erwies sich die Einzelrohrmontage mit dem montagefreundlichen BLS®/VRS®-T - System als vorteilhaft. Selbst unter beengten Verhältnissen ließ sich der geforderte Eintauchwinkel leicht einstellen und ermöglichte trotzdem hohe Einbauleistungen. Die zulässigen Zugkräfte überzeugen und bergen für Anwender und Auftraggeber hohe Sicherheiten, selbst bei abgewinkelten Trassen.

Rohre aus duktilem Gusseisen mit Zementmörtel-Auskleidung und mit der robusten Zementmörtel-Umhüllung garantieren eine lange Lebensdauer und einen störungsfreien Betrieb über Jahrzehnte.

 

Spülbohrverfahren

Das steuerbare horizontale Spülbohrverfahren (Horizontal Directional Drilling, HDD) ist das am weitesten verbreitete grabenlose Verfahren für die Neulegung von Druckrohrleitungen für die Gas- und Wasserversorgung.

Die Verlegung der Rohre erfolgt grabenlos durch den Einsatz eines Bohrsystems. Statt aufwändiger Erdbewegungen wird zunächst eine Pilotbohrung durchgeführt, wobei Hindernisse und Richtungsänderungen keine Rolle spielen, da die Bohrkopfspitze mit einer funkgesteuerten Sonde ausgestattet ist.

So kann der Bohrvorlauf exakt verfolgt, kontrolliert und gesteuert werden. Im Anschluss erfolgt der grabenlose Einzug der Versorgungsleitungen. Ausgehoben werden bei diesem Verfahren lediglich eine Start- und eine Zielgrube. Duktus hält beim Spülbohren den Weltrekord für den größten Düker aus duktilem Gussrohr. Im Jahr 2007 wurde in Valencia (Spanien) ein Rohrstrang der Nennweite DN 900 mit BLS®-/VRS®-T-Verbindung und Zementmörtel-Umhüllung über eine Länge von ca. 500 m eingezogen.

 

BLSR/VRSR-T-Steckmuffen-Verbindung

Die form- und längskraftschlüssige BLSR/VRSR-T-Steckmuffen-Verbindung vereinigt Funktionalität, Robustheit sowie einfache, schnelle und sichere Montage. Sie ist innerhalb weniger Minuten, selbst unter widrigsten Bedingungen, wie Eis und Schnee, ohne großen Aufwand zu montieren und senkt so die Stillstandzeiten des Einzugvorgangs bei Teilstrang- oder Einzelrohrmontage auf ein kaum zu unterbietendes Minimum. Gleichzeitig besitzt sie gemäß DVGW-Arbeitsblatt GW 321 [30] von den üblichen im Wasserleitungsbau verwendeten Rohrwerkstoffen die höchsten zulässigen Zugkräfte. Diese zulässigen Zugkräfte stehen unmittelbar nach der Verbindungsmontage ohne Abminderung sofort zur Verfügung. Abkühlzeiten oder Abminderungen der Zugkraft wegen erhöhter Rohrwand- bzw. Umgebungstemperaturen bzw. wegen längerer Einzugszeiten sind bei der Montage von Rohren aus duktilem Gusseisen unbekannt.

BAUTAFEL

Auftraggeber

Berliner Wasserbetrieb

Planung und Bau Werke

Dipl.-Ing. Torsten von Trotha

Neue Jüdenstraße 1

10179 Berlin / Deutschland

Telefon:           +49 (0)30 / 86 44-60 95

E-Mail: torsten.vontrotha@bwb.de

 

Planungsbüro

Hyder Consulting GmbH Deutschland

Dipl.-Ing. Ute Rodeike

Grunewaldstraße 61–62

10825 Berlin / Deutschland

Telefon:           +49 (0)30 / 67 05 21-45

E-Mail: ute.rodeike@hyderconsulting.com

 

Bauunternehmen

Stehmeyer + Bischoff GmbH & Co. KG

Niederlassung Berlin

Dipl.-Ing. Harald Lübben

Dipl.-Ing. Dirk Richter

Scharnweberstraße 24

13405 Berlin / Deutschland

Telefon:           +49 (0)30 / 41 78 85-22

E-Mail: luebben-berlin@stehmeyer.de

E-Mail: dirk.richter@stehmeyer.de

 

Bohrfirma

BLK – Bohrteam GmbH

Steffen Rühlicke

OT Görschen

Gewerbegebiet Südring 2

06618 Mertendorf / Deutschland

Telefon:           +49 (0)3 44 45 / 7 01-44

E-Mail: steffen.ruehlicke@blk-bohrteam.de

Literatur

[1] EN 545

Rohre, Formstücke, Zubehörteile aus duktilem Gusseisen und ihre Verbindungen für Wasserleitungen – Anforderungen und Prüfverfahren 2007

[2] EN 15542

Rohre, Formstücke und Zubehör aus duktilem Gusseisen - Zementmörtelumhüllung von Rohren – Anforderungen und Prüfverfahren 2008


Langfassung des Artikels

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