Wenn der Auftraggeber nicht mehr zahlt (Teil 1)
Die Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGBUm sich selbst vor einer Insolvenz des Auftraggebers in der Zukunft zu schützen, muss sich der Auftragnehmer rechtzeitig absichern und sollte nicht auf warme Worte vertrauen.
Jochen Mittenzwey ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Er ist Gesellschafter bei MO45LEGAL Rechtsanwälte und Notare.
© Jochen Mittenzwey
Leider kommt es nicht allzu selten vor, dass nach einem erfolgreichen Vertragsabschluss und Beginn der Bauarbeiten Abschlagszahlungen vom Auftraggeber entweder gar nicht gezahlt oder erheblich gekürzt werden. Der in Vorkasse getretene Auftragnehmer kommt dann meist selbst in Zahlungsschwierigkeiten gegenüber Nachunternehmern, Materiallieferanten oder seinen eigenen Mitarbeitern. Das Zurückhalten oder Kürzen von Abschlagszahlungen kann schnell zu einer existenzbedrohenden Lage für den Auftragnehmer führen. Gleiches gilt auch für die Schlussrechnung.
Bis berechtigte Werklohnansprüche des Auftragnehmers gerichtlich tituliert sind und vollstreckt werden können, kann der Auftraggeber längst insolvent sein. Wenn also der Auftraggeber einmal Rechnungen unberechtigt gekürzt oder nicht gezahlt hat, sollten sofort Sicherungsmittel ergriffen werden. Ein sehr effektives Sicherungsmittel für Werklohn aus einem Bau- oder Architektenvertrag ist die Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB, um die es nachfolgend gehen soll. Sie sichert zukünftige Werklohnforderungen und gibt dem Auftragnehmer auch ein Leistungsverweigerungs- oder Kündigungsrecht (nebst Kündigungsentschädigung), sofern der Auftraggeber keine Sicherheit innerhalb einer angemessenen Frist ausreicht. Ein unbekannter Gamechanger für den Auftragnehmer, der üblicherweise nicht ohne weiteres den Vertrag kündigen kann.
Historie
Der Gesetzgeber hat 1993 mit Erlass des Bauhandwerkersicherungsgesetz die Rechte des vorleistungspflichten Bauwerkunternehmers mit dem § 648a BGB (heute § 650f BGB) erheblich gestärkt. Die Vorschrift ist zwingend und kann auch nicht wirksam durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder durch Individualvereinbarung abbedungen werden.[1] Sie gilt darüber hinaus auch, wenn Vertragsparteien die VOB/B vereinbart haben. Hintergrund der Einführung war die nur unzureichende Sicherungsmöglichkeit über die Bauhandwerkersicherungshypothek oder die über die VOB/B gegebene Möglichkeit, die Leistungen einzustellen, wenn Abschlagszahlungen nicht geleistet wurden. Der Gesetzgeber wollte mit der Bauhandwerkersicherheit eine einfach, flexible und schnelle Sicherungsmöglichkeit für den Bauwerksunternehmer schaffen.[2]
Höhe der Sicherheit
Gemäß der Vorschrift § 650f BGB kann der Auftragnehmer vom Auftraggeber Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen. Hat der Auftragnehmer mit dem Auftraggeber einen Bauvertrag beispielsweise über den Rohbau zum Werklohn von 1,4 Millionen Euro abgeschlossen, kann der Auftragnehmer eine Sicherheit in Höhe des noch nicht gezahlten Werklohns (in Brutto) zuzüglich 10 Prozent verlangen. Nehmen wir in dem Beispiel an, dass der Auftraggeber bereits 400.000,00 Euro an Abschlagszahlungen vorgenommen hat, dann müsste er dem Auftragnehmer eine Sicherheit in Höhe von 1.000.000,00 + 100.000,00 Euro (10 Prozent) ausreichen.
Sofern die Vertragsparteien die VOB/B wirksam vereinbart haben, ist nunmehr auch höchstrichterlich geklärt, dass auch die Vergütung aus Nachträgen nach § 2 Abs.5 oder Abs.6 VOB/B von dem Sicherungsrecht nach § 650f BGB umfasst sind.[3]
Geringe Anforderungen an den Sicherungsanspruch
Der Gesetzgeber hat die Anforderungen an den Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherheit bewusst geringgehalten. Voraussetzung ist lediglich ein wirksamer Bau- oder Architektenvertrag, die Vereinbarung einer bestimmten Vergütung, sowie ein noch offener Zahlungsanspruch auf die vereinbarte Vergütung.
Als Bauunternehmer kommen alle Gewerke in Betracht, die die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon zum Gegenstand haben. Somit könnte auch der Abrissunternehmer eine Bauhandwerkersicherheit von seinem Auftraggeber verlangen. Lediglich wenn der Auftraggeber ein Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag oder Bauträgervertrag handelt, ist der Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit ausgeschlossen.
Ebenfalls ausgeschlossen ist der Anspruch, wenn der Besteller eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren unzulässig ist.
Aber Achtung! Nur weil es sich um einen Verbraucher handelt, ist der Anspruch nicht ausgeschlossen, wenn nicht gleichzeitig auch ein Verbraucherbauvertrag oder Bauträgervertrag vorliegt. Auch wenn sich die öffentliche Hand für die Projektabwicklung einer juristischen Person des Privatrechts, wie zum Beispiel einer GmbH bedient, ist der Anspruch auf Bauhandwerkersicherheit nicht ausgeschlossen. Selbst dann nicht, wenn die GmbH überwiegend oder vollständig von der öffentlichen Hand beherrscht wird.[4]
Die Sicherheit kann der Auftraggeber in einer der gesetzlich vorgeschriebenen Formen erbringen. Typischerweise ist dies die Übergabe einer Bürgschaft eines Kreditinstituts oder Kreditversicherer oder die Hinterlegung des Geldbetrages bei der Hinterlegungsstelle eines Gerichts.
Dem Auftraggeber muss für die Beschaffung der Sicherheit eine angemessene Frist eingeräumt werden. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzgebers ist eine Frist von 7 bis 10 Kalendertagen als angemessen anzusehen.[5] Im Einzelfall kommt es aber immer darauf an, in welcher Zeit ohne schuldhaftes Zögern eine Sicherheit besorgt werden kann. Ist der Sicherungsbetrag sehr hoch, fallen in den Fristablauf Feiertag oder übliche Ferienzeiten, ist die Rechtslage schwierig, sodass anwaltliche Beratung notwendig ist, dann kann sich die Frist entsprechend verlängern.[6]
Mängel und Schäden unbeachtlich
Das Besondere an der Bauhandwerkersicherheit ist, dass der Auftraggeber weder Mängel einwenden noch mit bestrittenen Schadensersatzforderungen aufrechnen kann. In der typischen Konstellation, in der der Auftraggeber eine Abschlagsrechnung wegen vorgeblicher Mängel oder Schäden nicht bezahlt, kann der Auftragnehmer mit der Forderung einer Bauhandwerkersicherheit kontern.
Kosten der Sicherheit
Die Kosten für die Sicherheit hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber bis zu einem Höchstsatz von 2 Prozent pro Jahr zu erstatten, vgl. § 650f Abs.3 BGB. Dies kann im Vergleich zu den mit der Sicherheit verbundenen Vorteilen aber als nachrangig angesehen werden.
Forderung der Sicherheit als Türöffner für konstruktive Gespräche oder Kündigungsmöglichkeit
Durch die Sicherheit erlangt der Auftragnehmer zwar kein Geld. Es verbleibt daher bei der schwierigen finanziellen Lage, wenn ein Auftraggeber keine Abschlagszahlungen vornimmt. Der Auftragnehmer kann sich aber vor der Insolvenz oder der sonstigen Auflösung des Auftraggebers schützen. In der Praxis gelingt mit der Forderung nach einer Sicherheit auch oft der Dialog zum Auftraggeber in Bezug auf die Zahlung von Abschlagsforderungen. Sofern der Auftraggeber aber „abtaucht“ und auch der Forderung einer Sicherheit nicht nachkommt, kann der Auftragnehmer die Leistungen einstellen oder den Vertrag kündigen, vgl. § 650f Abs.5 BGB. Darüber hinaus kann er für den bis zur Kündigung angefallenen, noch offenen Werklohn weiterhin eine Bauhandwerkersicherheit einfordern. Die Abnahme der Leistungen oder die Kündigung des Vertrages ist für den Sicherungsanspruch unerheblich.
Beschleunigtes Klageverfahren
Die Bauhandwerkersicherheit ist einklagbar; die Gerichtsverfahren sollen von den Gerichten nach dem Wortlaut und Zweck der Regelung beschleunigt und grds. ohne Beweisaufnahme durchgeführt werden.[7] Es genügt eine schlüssige Darlegung des Anspruchs durch den Auftragnehmer. Damit ist die Bauhandwerkersicherheit ein scharfes Schwert gegen einen unbequemen Auftraggeber.
Was lernen wir daraus?
Die Forderung einer Bauhandwerkersicherheit ist ein effektives Sicherungsmittel des Auftragnehmers. Für den Auftraggeber kann es eine Herausforderung darstellen, wenn in einem Bauvorhaben ein oder gar mehrere Auftragnehmer eine Bauhandwerkersicherheit fordern und anderenfalls mit Leistungseinstellung oder Kündigung drohen. Dies vor allem, weil hierfür noch keinerlei Bauleistungen ausgeführt sein müssen. Dem Auftraggeber fehlt es dann meist an entsprechenden Sicherheiten für die Kreditinstitute, um eine Bürgschaft zu bekommen. Somit hat der Auftraggeber naturgemäß ein großes Interesse daran, die Kommunikation mit dem Auftragnehmer nicht zu gefährden und sich in Bezug auf Abschlagszahlungen oder auch in Bezug auf Nachtragsforderungen kompromissbereit zu zeigen. Anderenfalls gefährdet er einen massiv gestörten Bauablauf, der ihn noch sehr viel teurer zu stehen kommen kann. Darüber hinaus – sollte der Auftraggeber eine Kündigung des Auftragnehmers in Kauf nehmen – sieht er sich trotzdem weiterhin der Forderung einer Bauhandwerkersicherheit gegenüber, die der Auftragnehmer auch einklagen kann. Hinzu tritt dann auch noch die Kündigungsentschädigung für die wegen der Kündigung nicht mehr erbrachten Leistungen gemäß § 650f Abs.5 Satz 2 BGB. In der Praxis gibt es Fälle, in denen der Auftragnehmer bereits nach Vertragsunterzeichnung eine Bauhandwerkersicherheit gefordert und der Auftraggeber diese nicht ausgereicht hat. Es folgte die Kündigung des Bauvertrages durch den Auftragnehmer und die Forderung der vertraglich vereinbarten Vergütung abzüglich eines kleinen Betrages für ersparte Aufwendungen. Eine solche Situation ist für den Auftraggeber maximal unbefriedigend, was die Schärfe des Schwertes der Bauhandwerkersicherheit verdeutlicht.
MO45LEGAL Rechtsanwälte und Notare
Quellennachweise
[1] BGH, NZBau 2006, 569.
[2] BT-Drucksache 12/1836, S.5 zur alten Fassung § 648a BGB.
[3] Bundesgerichtshof, Grundsatzurteil v. 20.10.2022 – VII ZR 154/21; Rodemann/Bschorr in BauR 2013, 845, 848.
[4] Thüringer Oberlandesgericht, Urt. v. 22.11.2006 – 7 U 253/06; Schmitz in Kniffka/Jurgeleit, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 29.05.2023, §650f BGB Rz. 20.
[5] BT-Drucksache 12/1836, S.9.
[6] Oberlandesgericht Düsseldorf, IBR 2019, 427.
[7] Oberlandesgericht Naumburg, BauR 2018, 685.