Wie viel Sicherheit
für den Auftraggeber?
Bei Bauverträgen ist es üblich, dass der Auftraggeber im Bauvertrag Sicherheiten, Bürgschaften oder Bareinbehalte, für korrekte Vertragserfüllung oder Gewährleistung verlangt. Diese Sicherheiten verursachen nicht nur Kosten, sondern schränken die Kreditlinie der Auftragnehmer zum Teil erheblich ein.
Rechtsanwalt Dr. Olaf Hofmann, Lehrbeauftragter für Baurecht, München
Allerdings: Nicht alles ist zulässig. Verlangt der Auftraggeber zu viel, kann dies zur Unwirksamkeit einer entsprechenden Vereinbarung führen.
1. Gibt es nach dem Gesetz Sicherheiten
für den Auftraggeber?
Nur wenn der Auftraggeber ein „Verbraucher“ ist, sieht das Gesetz hierzu eine Regelung vor. Als „Verbraucher“ bezeichnet man dabei eine Person, „die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“ (§ 13 BGB).
Hier bestimmt der § 632a BGB, dass der Besteller „bei der ersten Abschlagszahlung eine Sicherheit für die rechtzeitige Herstellung des Werks ohne wesentlichen Mängel in Höhe von 5 % des Vergütungsanspruchs“ verlangen kann. Eine besondere Vereinbarung muss hierzu nicht geschlossen werden. Der Auftraggeber kann also – zum Beispiel auch bei mündlichen Verträgen – jederzeit von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Für „Nichtverbraucher“ als Auftraggeber gibt es diese Möglichkeit nicht. Diese müssen somit im Vertrag eine entsprechende Vereinbarung schließen.
2. Abschlagszahlungen nur zu 90 %: Wirksam?
Natürlich ist jederzeit möglich, dass der Auftraggeber mit dem Auftragnehmer eine „individuelle“ Vereinbarung über die Höhe der Abschlagszahlungen im Bauvertrag trifft. In der Praxis werden aber in den seltensten Fällen derartige Dinge individuell und in „gleichberechtigten Verhandlungen“ vereinbart. Sowohl bei öffentlichen Aufträgen als auch in der Privatwirtschaft ist vielmehr üblich, dass sich die Zahlungsregelungen in den vorformulierten Vertragsbedingungen oder auch in so genannten „Verhandlungsprotokollen“ finden, deren Inhalt aber nicht ernsthaft „verhandelt“ wurde, so dass man diese Klauseln als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ bezeichnen muss. Hier setzt die Rechtsprechung dem Auftraggeber enge Grenzen:
Beispiel:
In den Vertragsbedingungen des Auftraggebers ist festgelegt, dass der Auftragnehmer Abschlagszahlungen in Höhe von 90 % der jeweils erbrachten Leistungen erhält. Trotzdem verlangt der Auftragnehmer in einer Abschlagsrechnung die Bezahlung einer nachgewiesenen Teilleistung zu 100 %. Da der Auftraggeber nur 90 % des Rechnungsbetrags bezahlt, kündigt der Auftragnehmer nach Ablauf einer Nachfrist den Vertrag und verlangt die volle Vergütung abzüglich ersparter Kosten.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 24.11.2014 (Baurechts-Report 2015, Seite 19) dem Auftragnehmer Recht gegeben und hat dabei festgestellt, dass AGB- Klauseln, die dem Auftragnehmer Abschlagszahlungen nur in Höhe von 90 % zugestehen, nach § 307 BGB unwirksam sind. Hierdurch werde der Unternehmer „unangemessen benachteiligt“. Der Auftragnehmer hat daher den Vertrag zu Recht gekündigt und kann für den Vertrag die volle Vergütung abzüglich seiner ersparten Aufwendungen verlangen (§ 8 Abs. 1 VOB/B, 649 BGB).
3. Welche Gewährleistungssicherheiten darf der
Auftraggeber verlangen?
Gerade für den Bereich „Gewährleistung“ ist heute üblich, dass der Auftraggeber in seinen Vertragsbedingungen Sicherheiten fordert und dabei nicht selten „zuviel“ verlangt, wie die umfassende Rechtsprechung zu diesem Thema zeigt.
Beispiel:
Der Auftraggeber verlangt in einer Klausel seiner Geschäftsbedingungen eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme, die auch nach der Abnahme bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung weiter besteht. Zusätzlich verlangt er eine Gewährleistungssicherheit von 2 %, sodass der Unternehmer für den Zeitraum der Gewährleistung eine Sicherheit in Höhe von 7 % zu leisten hat.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 1.10.2014 (Baurechts-Report 2014, Seite 45) entschieden, dass die gesamte Gewährleistungsregelung unwirksam ist, weil hier vom Unternehmer eine Übersicherung verlangt wird und er damit in unangemessener Weise benachteiligt wird (§ 307 BGB).
Die Folge dieses Urteils ist, dass der Unternehmer nun gar keine Sicherheit zu leisten hat.
4. Wann sind Sicherheiten zurückzugeben?
Die VOB sieht hier vor, dass Vertragserfüllungssicherheiten grundsätzlich spätestens bei der Abnahme und Stellung einer Sicherheit für Mängelansprüche zurückzugeben sind (§ 17 Abs. 8 VOB/B).
Für Gewährleistungssicherheiten ist festgelegt, dass „nicht verwertete Sicherheiten für Mängelansprüche nach Ablauf von 2 Jahren zurückzugeben sind, „sofern kein anderer Rückgabezeitpunkt vereinbart worden ist. Allerdings ist die VOB/B kein Gesetz. Wurde also im Bauvertrag die gesetzliche Gewährleistungsfrist von 5 Jahren vereinbart, kann auch in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers vereinbart werden, dass der Auftraggeber erst nach Ablauf dieser Gewährleistungsfrist die Sicherheit zurückgeben muss.
Aber auch hier ist auf die Formulierung zu achten, die im Bauvertrag gewählt wurde:
Beispiel:
Der vom Auftraggeber formulierte Bauvertrag beinhaltet folgende Vertragsklausel:
„Die Bürgschaft ist zurückzugeben, wenn alle unter die Gewährleistungsfrist fallenden Gewährleistungsansprüche nicht mehr geltend gemacht werden können, frühestens 5 Jahre nach erfolgter förmlicher Abnahme“.
Nach Ablauf der Gewährleistungsfrist verweigert der Auftraggeber unter Hinweis auf die vereinbarte Bürgschaftsklausel die Rückgabe. Voraussetzung für den Rückgabeanspruch sei eine „vollständig mängelfrei Leistung“ die hier nicht vorliegt. Der Auftragnehmer verlangt nun Schadensersatz in Höhe der Avalprovision, die er für den nicht durch Mängel gerechtfertigten Einbehalt aufgewendet hat.
Auch in diesem Fall hat der BGH die genannte Rückgabeklausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers für unwirksam erklärt (Urteil vom 26.3.2015, Baurechts-Report 2015, Seite 17). Die Klausel benachteiligt den Auftragnehmer “entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen“, weil sie die Rückgabe der Bürgschaft insgesamt davon abhängig macht, dass keine Gewährleistungsansprüche mehr geltend gemacht werden können. Schon kleinste Mängel würden daher den Auftraggeber berechtigen, die gesamte Sicherheit einzubehalten. Dies ist unangemessen nach § 307 BGB und damit unwirksam. Der Schadensersatzanspruch des Unternehmers ist daher auch gerechtfertigt.
5. Wo kann man sich umfassend zu diesem
Thema informieren?
Wie gezeigt, sind heute viele Bauvertragsklauseln zu Sicherheiten am Bau unwirksam. Es kommt aber immer darauf an, welche Formulierung im Vertrag gewählt wurde und wie diese auszulegen ist. Einen umfassenden Überblick gibt hierzu die kürzlich im VOB-Verlag Vögel OHG erschienene 12. Auflage des Buchs „Unwirksame Bauvertragsklauseln“ (ISBN 978-3-89650-375-6).⇥■