Vertragserfüllungssicherheiten: Wann sind sie wirksam?

Bei Abschluss eines Bauvertrags fordern Auftraggeber oft eine Vertragserfüllungssicherheit. Doch nicht immer sind solche Bürgschaften wirklich rechtsgültig.

In aller Regel fordern Auftraggeber heute bei Abschluss eines Bauvertrags, dass der Auftragnehmer für korrekte Vertragserfüllung eine Vertragserfüllungssicherheit und für die Gewährleistungsfrist eine Gewährleistungssicherheit beibringt. Diese Sicherheiten werden in der Regel in Form von Bürgschaften von Banken oder Kreditversicherern gestellt. Dies verursacht nicht nur Kosten, sondern beschränkt die Kreditlinie der Unternehmer. Dass die Vertragserfüllungsbürgschaft auch bei öffentlichen Aufträgen in der Regel 5 % Auftragssumme ausmacht (siehe §9c Abs. 2 VOB/A) zeigt, welche Größenordnungen die diesbezüglichen Belastungen erreichen können. Allerdings: Klauseln, mit denen sich der Auftragnehmer zu einer solchen Bürgschaft verpflichtet, können nichtig sein. Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist inzwischen sehr umfangreich.[1]

1. Wurde die Sicherheit einzelvertraglich oder durch „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ vereinbart?

In der Regel finden sich Bürgschaftsklauseln in sogenannten
Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Das sind Vertragsunterlagen, die nicht zwischen den Vertragspartnern im Einzelnen ausgehandelt wurden, sondern für eine „Vielzahl“ von Verträgen vorformuliert wurden. Ein Vertragspartner (in der Regel der Auftraggeber) hat sie dem anderen Vertragspartner (dem Auftragnehmer) bei Abschluss des Vertrags gestellt. Ist dies der Fall, so unterliegen solche Klauseln einer strengen Wirksamkeitskontrolle nach dem BGB (§ 307ff BGB).

Bei öffentlichen Aufträgen ist davon auszugehen, dass solche Klauseln „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ sind. Dies schon deshalb, weil in § 15 VOB/A einen „Verhandlungsverbot“ über Vertragsbedingungen festgelegt wurde. Es ist also gar nicht zulässig, mit dem Bieter und künftigen Auftragnehmer etwa über einzelne Klauseln der „Besonderen Vertragsbedingungen“ zu verhandeln. Aber auch bei privaten Aufträgen finden nur sehr selten gleichberechtigte Verhandlungen über die Vertragserfüllungssicherheiten statt. Dies gilt insbesondere für professionelle Auftraggeber. Sie sehen sich schon aus Gründen der Zeitersparnis und der Vergleichbarkeit der Angebote häufig gar nicht in der Lage, mit einzelnen Auftragnehmern individuell über Klauseln zu verhandeln. Dabei muss man sehen, dass die Rechtsprechung hohe Anforderungen an den Nachweis solcher Verhandlungen führt.

Beispiel

In den Vertragsverhandlungen legt der Auftraggeber dem Auftragnehmer sein vorgefertigtes Verhandlungsprotokoll vor. Darauf erklärt der Auftragnehmer zu einzelnen Vertragsklauseln aus dem „Besonderen Vertragsbedingungen“ ausdrücklich sein Einverständnis.

Dies ist kein „Verhandeln“ im Sinne des AGB-Rechts. Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn der Auftraggeber seinem Vertragspartner die tatsächliche „Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt“. Das heißt: Er verschafft ihm als gleichberechtigtem Partner ernsthaft die reale Möglichkeit, die inhaltliche Gestaltung des Vertrags maßgeblich mitzubestimmen. [2]

Bei einem eventuellen Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Vertragsklausel trägt der Auftraggeber die Beweislast dafür, dass hier ein echtes „gleichberechtigtes Verhandeln“ über seine „Besonderen Vertragsbedingungen“ stattgefunden hat. Dies wird ihm häufig nicht gelingen. Somit ist bei der Wirksamkeitsprüfung einzelner Klauseln zur Vertragserfüllungssicherheit in der Regel davon auszugehen, dass es sich um AGB handelt. Es muss also eine entsprechend strenge Wirksamkeitskontrolle stattfinden.

2. Wie hoch darf eine Vertragserfüllungssicherheit sein?

Die Regelobergrenze für Vertragserfüllungssicherheiten beträgt bei öffentlichen Aufträgen 5 % der Auftragssumme. Wird diese Obergrenze überschritten, so führt dies nicht automatisch zu Unwirksamkeit der Klausel. Angemessen und wirksam ist nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Vertragserfüllungsbürgschaft zur Absicherung von Ansprüchen vor Abnahme des Werks in Höhe von 10 % der Auftragssumme.

3. Kann die Forderung einer zehnprozentigen Vertragserfüllungssicherheit dennoch unwirksam sein?

Ja. Es kommt nämlich darauf an, was diese Sicherheit eigentlich abdeckt und wann sie zurückzugeben ist.

Beispiel

Die Klausel im Bauvertragsmuster des Auftraggebers hat folgenden Wortlaut:

„Die Vertragserfüllungssicherheit sichert insbesondere auch Ansprüche des Auftraggebers auf Schadensersatz, Vertragsstrafe, Rückzahlung von Überzahlungen, Ansprüche auf vertragsgerechte Erbringung von geänderten und zusätzlichen Leistungen, Ansprüche bei Nichtzahlung des Mindestentgelt s(§1aAEntG) sowie bei Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge ab. Der Auftragnehmer erhält vom Auftraggeber die Vertragserfüllungssicherheit Zug um Zug gegen die Gestellung der vereinbarten Gewährleistungssicherheit zurück, wenn alle durch die Vertragserfüllungssicherheit gesicherten Ansprüche des Auftraggebers vollständig erledigt sind“.

Die Klausel ist unwirksam.[3] Es ist das Wesen einer Vertragserfüllungsbürgschaft, dass sie mit Abnahme des Werks zurückzugeben ist. Im Beispiel ist die Vertragserfüllungssicherheit erst zurückzugeben, wenn alle durch die Vertragserfüllungsicherheit gesicherten Ansprüche des Auftraggebers „vollständig erledigt“ sind. Das bezeichnet einen Zeitpunkt, der deutlich nach der Abnahme liegen kann und somit in die Gewährleistungszeit fällt.

Hierzu steht jedoch fest: Klauseln, mit denen sich der Auftraggeber für die Gewährleistungszeit einer Sicherheit von 10 % versprechen lässt, sind unwirksam. [4] Wird beispielsweise die bürgende Bank aufgrund einer solchen Klausel in Anspruch genommen, wird sie sich unter Berufung auf das genannte Urteil weigern können, zu zahlen.

4. Kann auch eine fünfprozentige Vertragserfüllungsbürgschaft unwirksam sein?

Ja. Es ist stets zu prüfen, ob nicht aufgrund anderer (auch individualvertraglich vereinbarter) Klauseln im Bauvertrag eine Übersicherung zu Gunsten des Auftraggebers festzustellen ist.

Beispiel

Nach dem Bauvertrag schuldet der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der  Auftragssumme.  Außerdem sieht der (individuelle) Zahlungsplan für die drei letzten Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils 5 % der vereinbarten Vergütung vor, dass diese Zahlungen an bestimmte Bedingungen geknüpft sind. Das können beispielsweise die vollständige Fertigstellung und Übergabe an den Kunden, die erfolgte Abnahme, die Beseitigung der Mängel aus den Abnahmeprotokollen und die Ablösung des Sicherheitseinbehalts für die Gewährleistung sein. Der Auftragnehmer wird während der Vertragsdurchführung insolvent. Ihm wird daher gekündigt. Nun will der Auftraggeber für die hieraus folgenden Mehrkosten die bürgende Bank aus der Vertragserfüllungsbürgschaft in Anspruch nehmen. Nach einem neuen Urteil des BGH vom 16.6.2016 kann hier die Bank die Zahlung verweigern, weil die genannte Bürgschaftsklausel nichtig ist.

„Abschlagszahlungsregelungen, aufgrund derer der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns einbehalten darf, ohne dem Auftragnehmer hierfür eine Sicherheit leisten zu müssen, bewirken einerseits, dass dem Auftragnehmer bis zur Schlusszahlung Liquidität entzogen wird und er darüber hinaus in Höhe des Einbehalts das
Risiko trägt, dass der Auftraggeber insolvent wird und er in Höhe des Einbehalts mit der für seine Leistung zu beanspruchenden Werklohnforderung ausfällt.“

Gleichzeitig stellen solche Einbehalte eine „Sicherung sämtlicher vertraglicher Ansprüche des Auftraggebers dar, also auch solche, auf die sich die der Vertragserfüllungsbürgschaft zu Grunde liegende Sicherungsabrede bezieht“. Damit überschreitet hier die verlangte Vertragserfüllungsbürgschaft in Verbund mit der vereinbarten Abschlagszahlungsregelung das für Sicherheiten zumutbare Maß und ist daher nach § 307 BGB unwirksam.

Fazit: Weniger kann mehr sein

Die Rechtsprechung zieht strenge Gültigkeitsgrenzen zur Wirksamkeit von Klauseln zur Vertragserfüllungssicherheit. Bei der Beurteilung einzelner Klauseln bindet sie auch das übrige Vertragswerk mit ein. Auftraggeber bzw. Generalunternehmer sollten daher bei Fertigung eigener AGB die
Grenzen der Angemessenheit zu wahren. Gerade bei der
Vertragserfüllungsbürgschaft hat es der Auftraggeber oft mit Banken zu tun, die sehr sorgfältig prüfen, ob die Anspruchsgrundlage überhaupt gültig ist.

Literatur
[1] Siehe das Buch „Unwirksame Bauvertragsklauseln“, 12. Auflage,
erschienen im VOB-Verlag E. Vögel
[2] BGH WM 2000,629
[3] OLG Düsseldorf vom 24.3.2015, Baurechts-Report 2016, Seite 20
[4] Siehe Unwirksame Bauvertragsklauseln 12. Auflage Seite 432ff
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