Wenn der Platz fehlt

Erneuerung eines Mischwasserkanals in Hannover

Die Stadt Hannover setzt bei der Erneuerung eines Mischwasserkanals auf den Einbau von Flüssigboden. So können die Grabenbreiten so schmal gehalten werden, dass rund um die Baustelle ausreichend Platz bleibt.

Im Januar 2024 starteten die Baumaßnahmen im rund 200 Meter langen Sonnenweg in der Landeshauptstadt Hannover. Geplant war es, den abgängigen Mischwasserkanal DN 300 und 29 Hausanschlüsse in Teilabschnitten von je 20 Metern mit PE-HD-Rohren DN 300 und DN 400 zu erneuern. Sven Kuschla, Sachgebietsleiter Kanalbau bei der Stadtentwässerung Hannover erläutert die Baumaßnahme: „Eigentlich handelte es sich hier um eine ganz normale Sanierungsmaßnahme der unterirdischen Infrastruktur, so wie sie in unserer Stadt an vielen Stellen vorkommt. Eine Besonderheit bestand jedoch darin, dass sich sehr dicht an der zu sanierenden Kanaltrasse eine Fernwärmeleitung befindet. Diese durfte durch die Baumaßnahme auf keinen Fall beschädigt werden. Außerdem war der alte Mischwasserkanal durch zahlreiche weitere Leitungen überbaut. Von Trassenfreiheit konnte also keine Rede sein. Die Aufgrabungen der Kanaltrasse mussten daher sehr behutsam erfolgen. Die Grabenbreiten waren möglichst schmal zu halten, an eine reguläre Breite von 1,20 Meter war nicht zu denken.“

Mobile Mischanlage bereitet Aushub zu Flüssigboden auf

Gemeinsam mit der Ing. Staatz Tiefbau-GmbH aus Winsen/Aller, die die Arbeiten durchführte, entschieden sich die Verantwortlichen daher für eine Verdichtung der Leitungsgräben mit Flüssigboden. Hierunter versteht man zeitweise fließfähige, selbstverdichtende Verfüllbaustoffe (ZFSV) auf Basis von aufbereitetem Erdaushub, geprüften Recyclingbaustoffen oder natürlichen bzw. aufbereiteten Sand-Kies-Gemischen unter Zugabe definierter Additive und Wasser. „So brauchten wir die Leitungsgräben nur auf eine lichte Grabenbreite von 0,65 Meter auszubaggern“, erklärt Tino Großmann, Geschäftsführer bei Staatz. „Zum Einsatz kam hierbei ein Saugbagger, mit dem ein deutlich wirtschaftlicheres Arbeiten im Vergleich zur sonst üblichen Handschachtung möglich war.“ Der bei dieser Maßnahme insgesamt ca. 550 Kubikmeter umfassende Bodenaushub wurde dann auf einem 2,5 Kilometer entfernten Zwischenlager separiert und sämtliche Bestandteile, die größer als 32 Millimeter waren, wurden herausfraktioniert. Anschließend wurde der Boden zur Verfüllung der Leitungsgäben wieder auf die Baustelle gefahren. Hier wurde er mit einer mobilen Mischanlage CM30+ zu Flüssigboden aufbereitet.

Flüssigboden von RMS Remake Soil GmbH

René Radmacher, Geschäftsführer der RMS Remake Soil GmbH aus Werder (Havel), erläutert das Herstellungsverfahren: „Das Grundmaterial wird in einen Chargenmischer eingebracht. Gleichzeitig wird ein Teil des Anmachwassers zugegeben, damit ein erster rheologischer (d.h. verflüssigender) Effekt erzielt wird. Zeitversetzt wird das Compound zum teilverflüssigten Boden zugeben und homogenisiert. Dieses bewirkt neben der Verstärkung des rheologischen Faktors den Beginn des Verfestigungsprozesses zum Erreichen der erforderlichen Tragfähigkeit. Mit dem Restwasser wird die optimale Fließfähigkeit, welche zur vollständigen Verfüllung des Bauobjektes notwendig ist, eingestellt. Nach der optimalen Mischzeit kann das Material ausgeschleust werden. Der fertige Flüssigboden wird schließlich über eine hydraulisch verstellbare Rutsche in den Leitungsgraben gefüllt. Eine laufende Überwachung der Rezepturen sichert dabei die Qualität des Bauwerks“, so Radmacher. „Mit dieser Bauweise haben wir nicht nur eine Lösung für unser Platzproblem gefunden“, erklärt Sven Kuschla. „Sondern auch erreicht, dass lediglich ein kleiner Überschuss an Bodenaushub entsorgt werden musste, der Großteil des Bodens wurde vor Ort wiederverwendet“, so Kuschla. Dies spart im Vergleich zur konventionellen Bauweise eine Menge an Lkw-Kilometern und damit an CO2 ein. Tino Großmann ergänzt: „Das gesamte Verfahren bietet auch einen zeitlichen Vorteil. Schätzungsweise 20 Prozent schneller verlief die Maßnahme im Vergleich zur herkömmlichen Leitungsgrabenverfüllung.“

Bundesqualitätsgemeinschaft Flüssigböden e. V. (BQF) definiert Qualitätsstandard

Um den bisher noch nicht genormten Baustoff Flüssigboden mit einer transparenten und zielgerichteten Qualitätssicherung am Markt zu platzieren, hat sich seit dem Jahre 2010 die Bundesqualitätsgemeinschaft Flüssigböden e. V. (BQF) das Ziel gesetzt, Richtlinien für diese Qualitätssicherung zu definieren und deren Umsetzung in der Praxis sicherzustellen. Hierzu Tino Großmann: „Seit 2021 ist das Unternehmen Ing. Staatz Tiefbau Mitglied bei der BQF. Das an uns verliehene Qualitätszeichen ermöglicht uns eine erfolgreiche Vermarktung dieser teilweise noch nicht ganz so bekannten Bauweise. Die Baumaßnahme am Sonnenweg soll im Sommer abgeschlossen sein. Sven Kuschla zeigt sich zufrieden: „In Zukunft werden wir in unserem Stadtgebiet bei ähnlichen Maßnahmen verstärkt Boden dezentral aufbereiten und auf die Bauweise mit Flüssigboden setzen.“

Bundesqualitätsgemeinschaft Flüssigböden e.V.

www.bqf-fluessigboden.de

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Jana Simon ist promovierte Bauingenieurin und gilt als Expertin f?r Fl?ssigboden. Seit 2009 zahlreiche Forschungsprojekte f?r ZFSV. Seit 2012 Mitglied im Vorstand und Qualit?tsausschuss der Bundesqualit?tsgemeinschaft Fl?ssigb?den e.V., Berlin. Seit 2021

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