Energiekonzept 2050 schwer zu realisieren
Fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung
Die Bundeskanzlerin sprach von einer „Revolution“. Zu recht. Das Energiekonzept 2050 der Bundesregierung bietet ein ganzes Bündel von Herausforderungen und erfordert ein radikales Umdenken in der Bevölkerung. Die Warnung von Angela Merkel, der Klimaschutz führe zu Mieterhöhungen, ist nur eine der vielen unangenehmen Botschaften, die die Regierung auszusprechen gezwungen sein wird.
Bisher hat noch kein Land auf der Welt ein Programm vorgelegt, das die Entwicklung des Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen für vier Jahrzehnte in den Griff bekommen will. Die „Klimakanzlerin“ will ihrem Ruf gerecht werden. Allerdings werden Regierungen nur für vier Jahren gewählt und keiner weiß, was der technische Fortschritt in 2020 oder 2030 bringt. Eine langfristige Politik erfordert auch einen politischen Minimalkonsens. Dieser ist jedoch in Deutschland nicht gegeben. Die größte Konfrontation zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün findet gerade auf dem Feld der Energiepolitik statt. Die Gefahr ist real, dass im Fall eines Sieges des linken Lagers bei der Bundestagswahl in 2013 die Weichen wiederum anders gestellt werden. Dies ist Gift für die Wirtschaft, die verlässliche Rahmenbedingungen braucht. Die deutsche Industrie steht im internationalen Wettbewerb. Außerdem ist es zwecklos, wenn Deutschland die Klimaziele allein erreicht und die europäischen Nachbarn nicht mitziehen.
Laufzeit der Kernkraftwerke
nur ein Nebenaspekt
Tatsache ist auch, dass die Diskussion hierzulande in die falsche Richtung läuft. Im Fokus steht die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke um im Durchschnitt 12 Jahre. Rot-Grün fühlt sich hier besonders herausgefordert, weil die Schröder-Regierung in 2000 den Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen hatte. Es war das einzige populäre Projekt von Rot-Grün. Erst nach längeren Kontroversen werden die Politiker merken, dass mehr auf dem Spiel steht als nur die Zukunft der Kernkraft. Angesichts der drohenden Energieknappheit und der Abhängigkeit Deutschlands von massiven Stromimporten in 2020 oder 2030 werden über kurz oder lang alle politischen Parteien einen Kompromiss finden müssen. Dieser Kompromiss ist zurzeit nicht in Sicht. Vielleicht wird erst ein zukünftiger SPD-Kanzler den linken Illusionen den Garaus machen.
Die Bundesregierung hat das Energiekonzept 2050 medial nicht professionell präsentiert. Die meisten Zeitungen haben sich nicht die Mühe gegeben, die Probleme, die mit dessen Realisierung verbunden sind, klar und deutlich herauszuarbeiten. Sie haben auch nicht den politischen Mut der Kanzlerin gelobt. Politischer Mut ist offenbar suspekt geworden. Die Deutschen haben lieber ihre Ruhe. Die hysterischen Attacken gegen Lobbyisten haben die Öffentlichkeit gegen die Stromkonzerne eingenommen.
Gegen Zwangssanierung von Gebäuden
Manchmal setzt auch der gesunde Menschenverstand ganz aus. Nehmen wir die energetische Gebäudesanierung als Beispiel. Das Bundesumweltministerium hatte ursprünglich die törichte Vorstellung, bis 2050 sollten sämtliche Gebäude klimaneutral sein. Als dann die Hauseigentümer protestierten und die Regierung die Quote der CO2-feien Gebäude auf 80 % herabsetzte, was immer noch höchst ehrgeizig ist, monierte die Opposition, die Lobby hätte sich wieder einmal durchgesetzt. Dabei ist jedem ersichtlich, dass Zwangssanierungen gegen das Eigentumsrecht verstoßen würden. Dann hätte man die denkmalgeschützten Altstädte, die Deutschlands Reiz ausmachen, abreißen müssen, es sei denn man würde die Fachwerkhäuser mit Styropor verpacken. Die Sanierung muss freiwillig und für den Eigentümer bezahlbar bleiben. Die bewähren verbilligten Kredite der KfW haben bereits in den vergangenen Jahren die energetische Sanierung stark vorangebracht. Umso erstaunlicher ist, dass die Bundesregierung aus Spargründen die Kredithilfen für die Gebäudesanierung zurückfährt, von 2,2 Mrd. Euro in 2009 auf 1,4 Mrd. Euro in 2010 und 950 Mio. Euro in 2011.
Das Energiekonzept 2050 kann nur aufgehen, wenn eine ganze Reihe von Großprojekten verwirklicht wird. Dabei geht es um den höchst kontroversen Neubau von Kohle- und Braunkohlekraftwerken, die alte CO2-Schleudern ablösen sollen, um den Bau von Pumpspeicherwerken, die die Stromerzeugung bei Windflaute ankurbeln, und um die ebenso umstrittene Errichtung von „Strom-Autobahnen“, also Hochspannungsleitungen, die den Strom von den geplanten Off-Shore-Windanlagen im Norden zu den Konsumenten in West- und Süddeutschland bringen müssen.
Die lokale Bevölkerung bekämpft ebenso die Verpressung des Kohlendioxyds aus neuen fossilen Kraftwerken in unterirdischen Kavernen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht in der mangelnden Akzeptanz dieser Großprojekte ein grundsätzliches Problem. Die emotionalen Auseinandersetzungen um „Stuttgart 21“ dürften Warnung genug sein. Ohne gründliche, geduldige Aufklärung der Bevölkerung und ohne ideologische Abrüstung bei der Opposition geht nichts.
Marcel Linden,
Bonn
Die gründliche und geduldige Aufklärung der Bevölkerung ist unerlässlich!