Klimadividende für den Bau
Gegensatz Ökonomie kontra Ökologie gilt nicht mehr
Die weltweit verstärkten Investitionen in den Klimaschutz und die erneuerbaren Energien bieten große Wachstumschancen besonders für die Industrie, auch für die Bauindustrie. Die grüne Technologie hat in Deutschland bereits erhebliche Fortschritte erzielt und die Exportmöglichkeiten sind gewaltig.
Der alte Gegensatz Ökonomie kontra Ökologie gilt nicht mehr. Der neue CDU-Umweltminister Norbert Röttgen erwartet von der Bekämpfung der CO2-Emissionen neue Impulse für die Industrie. Auch Hans-Peter Keitel, Präsident des Hauptverbands der Deutschen Industrie, sieht eher die Chancen als die Risiken. Die deutsche Industrie, so sagt er, habe sich einen Vorsprung auf dem internationalen Markt für Umwelttechnologien erarbeitet und „diesen Vorsprung wollen wir verteidigen“. Wie selbstverständlich nahm Siemens-Chef Peter Löscher am Kopenhagener Klimagipfel teil. Deutsche Hersteller von Windkraft- und Solaranlagen boomen seit Jahren. Die deutsche Windkraftindustrie erreichte in 2008 einen Umsatz von 10 Mrd. Euro, davon 80 Prozent im Export, und mit 90.000 Beschäftigten in der Produktion und den angeschlossenen Dienstleistungen. Die deutsche Solarindustrie setzte in 2008 ein Volumen von 9,5 Mrd. Euro um. Davon ging die Hälfte ins Ausland. Im Inland sind 54.000 Arbeitsplätze entstanden. Die Rezession dämpft momentan die Euphorie bei den erneuerbaren Energien, aber langfristig wird das Wachstum ungestüm weitergehen. Laut Roland Berger wird der Anteil der grünen Technologien am deutschen Bruttoinlandsprodukt von heute 8 auf 14 Prozent in 2020 ansteigen.
Wachstumsmarkt Geothermie
Am „grünen Boom“ partizipiert auch die Bauwirtschaft direkt. So bietet der Ausbau der Offshore-Windkraftanlagen ein großes Potenzial. Die Pläne der Bundesregierung, vor den deutschen Küsten eine Energieleistung von 25.000 MW bis 2030 zu installieren, erfordert ein Investitionsvolumen von 80 Mrd. Euro. Auf die Bauwirtschaft entfallen davon 20 bis 25 Mrd. Euro allein für Fundamente und ihre Verankerung, hebt Herbert Bodner, Präsident des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie, hervor. Große Chancen stecken auch im Ausbau der Geothermie. Laut einer Studie der Deutschen Bank Research, die im Auftrag des Hauptverbands und der deutschen Baustoffhersteller erstellt wurde, ist im Bereich Geothermie bis 2030 von einem Bauvolumen von 25 Mrd. Euro auszugehen. Die Maßnahmen betreffen sowohl den Neubau als auch die Sanierung von Ein- und Mehrfamilienhäusern, Hochhäusern, Gewerbegebäuden und öffentlichen Bauten. Bei Neubauten könnte laut Studie in 2030 jedes dritte Einfamilienhaus Erdwärme nutzen.
Nicht nur die Hochhäuser
Die Bauwirtschaft betritt hier kein Neuland, bemerkt Bodner. Im Bereich der oberflächennahen Geothermie sei der deutsche Bau weiter als öffentlich bekannt. Heute wird bereits etwa jedes fünfte in Deutschland neu errichtete Wohngebäude geothermisch beheizt; in 2000 war es erst jedes hundertste. Im Vergleich dazu gebe es bei Verwaltungs- und Fabrikgebäuden noch großen Nachholbedarf: hier liegt der Anteil geothermisch beheizter Objekte nur bei 5 Prozent. Vorreiter sind die Hochhäuser, nicht nur im Frankfurter Bankenviertel. Dazu Bodner: „Inzwischen gibt es in Deutschland kaum noch Hochhausprojekte, die auf Energiepfähle aus Beton verzichten“. Baubedarf verspricht auch die geothermale Stromproduktion, die in Deutschland erst am Beginn steht. 2009 sind 15 geothermische Heizkraftwerke in Planung.
Energetische Gebäudesanierung
Die CO2-Gebäudesanierung ist bereits seit Jahren für die Bauwirtschaft ein lohnender Bereich. Hier hatte die rot-grüne Bundesregierung Bahnbrechendes geleistet. Andere Länder kopierten anschließend die deutsche Pionierleistung. Im ersten CO2-Gebäudereport der Bundesregierung steht, dass der CO2-Ausstoß im Wohnbereich von 1990 bis 2005 um 13 Prozent, um 16 Mio. Tonnen gesenkt werden konnte. Das Ausbaugewerbe kompensierte teilweise den starken Rückgang des Wohnungsneubaus. „In 2006 wurden, so der Report, 220.000
Arbeitsplätze vor allem in der mittelständischen Bauwirtschaft und im Handwerk in Deutschland gesichert und zum Teil neu
geschaffen“. Die neue Bundesregierung hat sich vorgenommen, das CO2-Gebäudesanierungs-Programm wirkungsvoller auszugestalten. Der Hauptverband der Bauindustrie lobt die „klare Aussage“ im Koalitionsvertrag, dass im Mietwohnungsbereich Baumaßnahmen zum Zweck der CO2-Sanierung zu dulden sind und nicht zur Mietminderung berechtigen; dies biete eine „gute Grundlage“ für eine Mietrechtsreform in diesem Bereich. Schwarz-Gelb wird einigen Mut zeigen müssen.
Marcel Linden,
Bonn