Muss ich die Fremdnachbesserung bezahlen?

Erstattungspflicht des Bauunternehmers bei Ersatzvornahmen

Der Bundesgerichtshof hat sich in jüngster Zeit erneut mit der Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten einer vom Auftraggeber veranlassten Fremdnachbesserung vor Abnahme befasst (BGH - Urteil vom 09.10.2008 – VII ZR 80/07). Dabei bestätigte der BGH seine frühere Rechtsprechung, wonach dem Auftraggeber ein Anspruch auf Ersatz der Fremdnachbesserungskosten auch ohne vorherige Entziehung des Auftrags zustehen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass der Auftragnehmer die vertragsgemäße Fertigstellung seiner mangelhaften Leistung verweigert.

Zudem hat der BGH in einem weiteren Urteil vom 23.10.2008 – VII ZR 64/07 – dem Auftraggeber die Verpflichtung auferlegt, eine ausreichende Mängeldokumentation vorzulegen, wenn im Zuge einer durch den Auftraggeber eingeleiteten Ersatzvornahme weitere Mängel auftreten, die der Unternehmer noch nicht prüfen konnte und deren Prüfung er sich ausdrücklich vorbehalten hatte. Wenn der Auftraggeber dem Auftragnehmer keine dahingehenden Feststellungen ermöglicht und damit eine Beweisvereitelung zu Lasten des Unternehmers betreibt, hat er ausnahmsweise die Beweislast für die Mangelhaftigkeit der Leistungen auch schon vor der Abnahme.

 

Frage 1: Was regelt die VOB/B?

Nach § 4 Nr. 7 VOB/B hat der Auftragnehmer Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, auf eigene Kosten durch mangelfreie Leistungen zu ersetzen. Kommt der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung eines Mangels nicht nach, so kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosen Ablauf der Frist den Auftrag entziehe (§ 4 Nr. 7 Satz 1 und Satz 3 VOB/B).

Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn im Falle des § 4 Nr. 7 VOB/B die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist (Entziehung des Auftrages). Die Entziehung des Auftrages kann auf einen in sich abgeschlossenen Teil der vertraglichen Leistung beschränkt werden (§ 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B). Nach der Entziehung des Auftrags ist der Auftraggeber berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen (§ 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B).

 

Frage 2: Was muss der Auftraggeber beachten?

Die VOB/B sieht vor, dass eine Beauftragung eines anderen Unternehmers mit der Mängelbeseitigung ohne vorherige Kündigung des Vertrages mit dem Erstunternehmer nicht ohne Folgen für den Auftraggeber geht, insbesondere keine für den Unternehmer nachteiligen Rechtsfolgen im Hinblick auf die dadurch entstehenden Ersatzvornahmekosten auslöst.

Grundsätzlich ist also der Auftraggeber verpflichtet, bei Verzug des Auftragnehmers mit der Mängelbeseitigung gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B zunächst den Auftrag zu entziehen, bevor er zur Ersatzvornahme schreitet. § 4 Nr. 7 und § 8 Nr. 3 VOB/B sind für den VOB/B-Bauvertrag abschließende Sonderregelungen. Der Auftraggeber, der die Fremdnachbesserungskosten vom Unternehmer ersetzt verlangt haben will, muss den Vertrag vor Beginn der Fremdnachbesserung erst kündigen.

Damit sollen klare Verhältnisse auf dem Bau geschaffen werden. Die Einhaltung dieses formalen Wegs nach § 4 Nr. 7 VOB/B und § 8 Nr. 3 VOB/B soll Streitigkeiten zwischen den drei Beteiligten verhindern, die insbesondere daraus resultieren würden, dass der Zweitunternehmer innerhalb eines weiterhin bestehenden Werkvertrages dem Erstunternehmer angelastete Mängel beseitigt. Hier werden die Beteiligten jeweils andere Sichtweisen bezüglich Art, Umfang und Erforderlichkeit der Beseitigung von Mängeln haben. Hinzu kommt die Schwierigkeit, Mängelbeseitigungs- und Fertigstellungsarbeiten voneinander abzugrenzen.

 

Frage 3: Welche Sachverhalte hat der BGH entschieden?

 

1. Fallkonstellation:

Ein Unternehmer erbringt für den Auftraggeber Estricharbeiten im Rahmen eines VOB/B – Vertrages. Die Arbeiten werden mangelhaft ausgeführt, was der Auftraggeber schon vor der Abnahme feststellt. Er fordert den Unternehmer mehrfach zur Mängelbeseitigung mit Fristsetzung auf. Eine Kündigung erfolgt jedoch nicht. Der Auftraggeber beauftragt nach den vergeblichen Fristsetzungen einen anderen Unternehmer, Ausgleichsarbeiten an dem Estrich auszuführen. Er rechnet die durch dessen Einschaltung entstandenen Kosten gegenüber der restlichen Werklohnforderung des Erstunternehmers auf.

Der BGH versagt dem Auftraggeber die Kostenerstattung. Er muss den Werklohn zahlen, ohne die Fremdnachbesserungskosten gegenrechnen zu können. Der Auftraggeber hatte vergessen zu kündigen. Will der Auftraggeber Ersatz der Fremdnachbesserungskosten, muss er den Vertrag vor Beginn der Fremdnachbesserung nämlich erst kündigen. Diese in der VOB vorgesehene Regelung ist abschließend. Der Auftraggeber muss deshalb mit einer Fristsetzung zur Mängelbeseitigung und der gleichzeitigen Androhung der Auftragsentziehung die Auftragsentziehung vorbereiten und im Falle des fruchtlosen Fristablaufs erst den Vertrag bzw. die in sich abgeschlossenen Teile der vertraglichen Leistung (d. h. der mangelhaften Leistung) kündigen, um die mit einer Ersatzvornahme verbundenen Kosten gegenüber dem Unternehmer als Schaden geltend machen zu können.

 

2. Fallkonstellation:

Nach dem Umbau einer Tankstelle weist die vom Unternehmer errichtete Betonbodenplatte erhebliche Mängel auf. Nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens fordert der Auftraggeber den Unternehmer unter Verweis auf das Gutachten mit Fristsetzung zur Mangelbehebung auf. Nach fruchtlosem Fristablauf setzt der Bauherr mit einem weiteren Schreiben eine mit einer Ablehnungsandrohung versehene Nachfrist. Der Unternehmer reagiert in beiden Fällen nicht. Der Bauherr lässt die Mängel von einer Drittfirma beseitigen und verlangt Kostenerstattung. Die VOB/B ist vereinbart.

Das OLG Oldenburg weist die Klage des Bauherrn mit Blick auf § 4 Nr. 7 VOB/B ab. Der BGH hebt das Urteil des OLG Oldenburg auf und meint, dass eine Auftragsentziehung für eine Kostenerstattungspflicht des Unternehmers ausnahmsweise nicht erforderlich sei, wenn der Unternehmer eine Nachbesserung endgültig verweigere. Ein solcher Fall liege vor, wenn der Unternehmer auf mehrere Schreiben des Bauherrn nicht reagiere. Eine solche Verhaltensweise stelle eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung dar. § 281 Abs. 2 BGB enthält den Grundsatz, wonach eine Fristsetzung entbehrlich ist, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Dieser Grundsatz wird auch auf die Auftragsentziehung angewendet.

Fraglich ist aber, ob es eine endgültige und ernsthafte Weigerung darstellt, wenn der Unternehmer nichts tut. Nichtstun ist gerade keine (aktive) Weigerung. Wäre das so, wäre bei einem VOB-Bauvertrag auch jede nicht erfolgte Reaktion auf eine Mängelrüge eine endgültige Weigerung, so dass ein Anspruch auf Erstattung der Selbstvornahmekosten bereits ohne die erforderliche Auftragsentziehungsandrohung begründet sein könnte.

Im vorliegenden Fall war ja vom Auftraggeber auch eine Auftragsentziehung angekündigt bzw. angedroht worden. Damit war dem Unternehmer klar, dass das Nichtstun Konsequenzen haben und zur Ersatzvornahme führen würde.

In dem Prozessverfahren hatte sich der Auftraggeber als Kläger auch darauf berufen, dass die VOB/B nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden sei; dies mit dem Ziel, die Anwendung der von ihm nicht eingehaltenen Sonderregelung des § 4 Nr. 7 VOB/B zu umgehen bzw. zu vermeiden.

Das ging allerdings schief, weil der BGH und auch das Vordergericht zu Recht festgestellt hatten, dass der Vertragstext vom Architekten des Bauherrn unter Einbeziehung der VOB/B gefertigt worden sei und damit der Kläger selbst als Verwender der VOB/B anzusehen war. Bekanntlich ist nach der Rechtsprechung des BGH die VOB/B allerdings nur dann wirksam gegenüber Vertragspartnern, die im Baurecht nicht bewandert sind, einbezogen, wenn der Verwender seinem zukünftigen Vertragspartner die Gelegenheit einräumt, den vollen Text zur Kenntnis zu nehmen (BGH BauR 1999, 1186).

Der Unternehmer versuchte in diesem Prozess sich dann noch damit zu verteidigen, dass der Auftraggeber selbst keine ausreichende Mängelrüge erhoben habe. Das Vordergericht hatte hier die Anforderungen an das Mängelbeseitigungsverlangen verkannt. Nach einhelliger Rechtsprechung des BGH ist bei Mängelbeseitigungsverlangen der Mangel bereits dann selbst hinreichend bezeichnet, wenn die Mangelerscheinungen, d. h. die Symptome des Mangels, erwähnt werden (BGH BauR 1999, 391).

Der Auftraggeber muss hingegen nicht die Ursachen der Symptome bezeichnen. Im Mängelbeseitigungsverlangen müssen die Mängel nicht konkret aufgelistet werden, wenn auf geeignete Unterlagen Bezug genommen wird, aus denen die erforderlichen Angaben zu entnehmen sind. Dazu gehört insbesondere die Bezugnahme auf das den Parteien bekannte Gutachten in einem selbständigen Beweisverfahren. Mit Blick darauf, dass die Art der Mängelbeseitigung zunächst auch nur dem Auftragnehmer obliegt, kann vom Auftraggeber auch nicht verlangt werden, im Mängelbeseitigungsverlangen die konkrete Art der Mängelbeseitigung zu bezeichnen (BGH BauR 1988, 82). Unter diesen Prämissen genügte das Mängelbeseitigungsverlangen des Klägers den gestellten Anforderungen. Auf das Gutachten war ausdrücklich Bezug genommen worden. Dem Unternehmer waren zudem die Mängel bekannt, er konnte sie seiner Werkleistung zuordnen.

 

3. Fallkonstellation:

Ein Bauherr lässt auf Basis der VOB/B Außenputzarbeiten durchführen. Der Putzer verpflichtet sich, andere Gewerke nicht zu verschmutzen. Gleichwohl kommt es zu einer erheblichen Verschmutzung mit Putzflecken. Der Bauherr verweigert die Abnahme. Der Putzer weigert sich, die Verschmutzungen zu beseitigen. Der Bauherr lässt die Verschmutzungen durch einen Drittunternehmer beseitigen und verlangt Kostenerstattung vom Putzer. In diesem Fall weigerte sich der Unternehmer ausdrücklich, die Mängel zu beseitigen. Im Hinblick auf die endgültige Weigerung des Unternehmers, das Werk vertragsgemäß fertigzustellen, war eine erneute Fristsetzung zur Mängelbeseitigung mit einer Kündigungsandrohung entbehrlich. Das gleiche galt für die Auftragsentziehung vor einer Fremdnachbesserung, die aufgrund der Besonderheiten der Fallsituation ebenfalls nicht notwendig war.

 

Frage 4: Wann bedarf es einer Mängeldokumentation des Auftraggebers?

Ein weiteres Urteil des BGH vom 23.10.2008 (VII ZR 64/07) befasst sich mit der notwendigen Mängeldokumentation. Ein Generalunternehmer errichtet ein Parkhaus mit vier Ebenen. Mit den Deckenbetonarbeiten beauftragt er einen Nachunternehmer auf Basis der VOB/B. Wegen Rissbildungen in der Oberfläche verweigert der Generalunternehmer die Abnahme. Trotz Aufforderung zur Mängelbeseitigung lehnt der Nachunternehmer eine Mangelbeseitigung ab, weil er sich für die Rissbildungen nicht verantwortlich fühlt. Der Generalunternehmer lässt die Rissbildungen durch einen Drittunternehmer im Wege der Ersatzvornahme beseitigen. Dabei werden weitere Mängel unterhalb der Oberfläche in den darunterliegenden Schichten festgestellt. Der Nachunternehmer verlangte jedoch vor Beginn der Sanierung, an der Mängelfeststellung teilnehmen zu dürfen. Dies wurde ihm nicht ermöglicht. Er bestreitet jetzt die Mängel in den tieferen Schichten.

Frage ist, wer die Beweislast für die Mangelfreiheit bzw. Mangelhaftigkeit trägt. Der BGH sagt, ausnahmsweise der Auftraggeber und Generalunternehmer; dies obwohl grundsätzlich vor der Abnahme der Unternehmer und nicht der Auftraggeber die Beweislast trägt. In dem Verhalten des Generalunternehmers sieht der BGH jedoch eine Beweisvereitelung. Hier wäre der Generalunternehmer als Auftraggeber verpflichtet gewesen, dem Nachunternehmer den Beweis zu ermöglichen, dass der Mangel seines Werks sich auf die Oberfläche beschränkte und die tieferen Schichten mangelfrei waren bzw. der Nachunternehmer dafür nicht einzustehen hatte. Zumindest hätte unter dem Gesichtspunkt des Kooperationscharakters des Bauvertrages der Auftraggeber selbst für eine hinreichende Dokumentation sorgen müssen.

Dass die Verletzung der Kooperationspflicht zu einer Beweislastumkehr führen kann, hat der BGH bereits für den Fall entschieden, dass der Auftraggeber einem Termin zum gemeinsamen Aufmaß unberechtigt fernbleibt. Ist in einem solchen Fall ein neues Aufmaß oder eine Überprüfung des einseitig genommenen Aufmaßes nicht mehr möglich, etwa weil das Werk durch Drittunternehmer fertiggestellt worden oder durch nachfolgende Arbeiten verdeckt ist, muss der Auftraggeber nachweisen, welche Massen zutreffend sind (BGH BauR 2003, 1207).

Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn die Frist abgelaufen ist ...

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