Keine Sicherheit –
keine Mängelbeseitigung

Kommentare zur aktuellen Rechtsprechung für die Bauwirtschaft

Rechtsanwalt Michael Werner vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie kommentiert hier wieder wichtige Urteile. Ein BGH-Urteil zur Abtretung von Mängelansprüchen, eine OLG-Entscheidung zur Frage, ob Prüfstellen für Fremdüberwachung Nachunternehmer sind und ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Antragsbefugnis eines Nachunternehmers im Nachprüfungsverfahren.

Zur Forderung einer § 648a BGB-Sicherheit bei Abtretung der Mängelansprüche


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 16. April 2009 – VII ZR 9/08 – (www. ibr-online.de) Folgendes entschieden:

1. Leistet der Besteller auf ein berechtigtes Sicherungsverlangen nach der Abnahme die Sicherheit nicht, ist der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern. Dies gilt auch, wenn die Parteien die Einbeziehung der VOB/B vereinbart haben.

2. Die Abtretung der Gewährleistungsansprüche hat auf das Recht des Unternehmers, von seinem Besteller Sicherheit zu fordern und bei Nichterbringung der Sicherheit die Leistung zu verweigern, keinen Einfluss. Gleiches gilt für das Setzen der Nachfrist nach § 648a Abs. 5 BGB.

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) unter Einbeziehung der VOB/B mit Fassadenarbeiten an einem Gebäude. Die Käuferin (K) erwarb mit notariellem Vertrag das Grundstück mitsamt Gebäude. Der Kaufvertrag enthielt eine Abtretung der Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche gegen den AN. Der AG nahm den AN auf Nachbesserung in Anspruch. Der AN verlangte vom AG wegen einer noch offenen Restwerklohnforderung unter Fristsetzung eine Sicherheit nach § 648a BGB und kündigte die Einstellung der Arbeiten an. Die Sicherheit wurde nicht geleistet. Der AG wurde darauf insolvent. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens forderte die K aus abgetretenem Recht Mängelbeseitigung vom AN und stellte eine Sicherheitsleistung in Aussicht, worauf K und AN verhandelten. Der AN setzte, ohne die K darüber zu informieren, dem Insolvenzverwalter des AG eine Nachfrist gemäß § 648a Abs. 5 BGB mit der Ankündigung, jegliche Leistungen danach zu verweigern. Nach Ablauf der Nachfrist verweigerte der AN gegenüber der K die Mängelbeseitigung.

Das vorinstanzliche OLG war der Auffassung, der AN könne sich hier gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) gegenüber der K nicht auf die Nachfristsetzung berufen, weil er die K nicht informiert und ihr keine Gelegenheit mehr gegeben habe, eine Sicherheit zu stellen. Der BGH hält diese Auffassung des OLG für rechtsfehlerhaft. Hier habe die K eine Ersatzvornahme angekündigt, den AN zur Zahlung von Vorschuss aufgefordert und Klageerhebung angedroht sowie die Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch genommen. Damit seien die Verhandlungen beendet gewesen. Die K habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung.

 

Anmerkung

Die Entscheidung des BGH ist vernünftig und praxisgerecht. Der AN hat bei Abtretung von Forderungen nach wie vor das Recht, von seinem ursprünglichen Auftraggeber eine Sicherheit zu verlangen. In rechtlicher Hinsicht ist dies nur konsequent, da die Vertragsaufhebung nach §§ 648a Abs. 5, 643 BGB allein im Verhältnis zwischen den ursprünglichen Vertragspartnern eintreten kann. Dies gilt auch für das wiederholte Sicherungsverlangen, das mit einer Nachfrist verbunden wird. Nicht entschieden hat der BGH allerdings, ob der AN überhaupt verpflichtet war, der K als Inhaberin des Gewährleistungsanspruchs Gelegenheit zur Stellung einer Sicherheit zu geben. Mit Blick auf die Rechtsfolge der Vertragsaufhebung wäre dies wohl zu verneinen.

 

Sind Prüfstellen für Fremdüberwachung Nachunternehmer?

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 20. Oktober 2008 – Verg 41/08 – (www. ibr-online.de) Folgendes entschieden:

1. Bei der während der Bauausführung zu erbringenden Eigen- und Fremdüberwachung nach DIN 18331 durch den Auftragnehmer handelt es sich um Nebenleistungen im Sinne des § 241 Abs. 1 BGB zur Hauptleistung Betoneinbau; sie dienen der Durchführung und Sicherung der Hauptleistung.

2. Auch eine anerkannte Prüfstelle nach DIN 1045-3 für die Fremd- und Eigenüberwachung ist als Nachunternehmer zu qualifizieren.

3. Muss der Bieter gemäß den Verdingungsunterlagen die Unternehmen angeben, „deren Fähigkeiten sich der Bieter im Auftragsfalle bedienen will“, so ist diese Formulierung in Bezug auf die Frage, ob er dementsprechend auch anerkannte Prüfstellen angeben muss, unklar, insbesondere im Hinblick auf die bisher geübte Praxis der Vergabestelle.

Bei einer Vergabe oberhalb des europäischen Schwellenwertes war im Offenen Verfahren in einer LV-Position ein Preis für die Überwachung des Betoneinbaus durch eine Prüfstelle (Eigenüberwachung) und eine anerkannte Überwachungsstelle (Fremd-
überwachung) anzugeben. Im Formblatt EFB U EG 317 sollten die Bieter mit Angebotsabgabe die Unternehmen benennen, deren Fähigkeiten sie sich im Auftragsfall bedienen werden, und Nachweise vorlegen, dass ihnen die erforderlichen Mittel dieser Unternehmen zur Verfügung stehen, ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihnen und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen (siehe § 8a Nr. 10 VOB/A). Nur der zweitplazierte und ein weiterer Bieter hatten hier die Eigen- und Fremdüberwachungsstelle angegeben, die anderen Bieter nicht. Das Angebot des erstplatzierten Bieters wurde wegen unvollständiger Erklärungen ausgeschlossen; hiergegen ging der Bieter vor.

Nach Ansicht des OLG wurde hier der erstplazierte Bieter zu Unrecht ausgeschlossen. Das OLG hält fest, dass die Antragstellerin zwar die Fremdüberwachungsstelle nicht angegeben habe. Sowohl die Fremd- wie auch die Eigenüberwachungsstelle seien allerdings nach dem Wortlaut des § 8a Nr. 10 VOB/A „andere Unternehmen“, deren Fähigkeiten der Bieter sich bedienen wolle. Dies hätten die Bieter aber mangels klarer und eindeutiger Vorgaben in den Ausschreibungsunterlagen nicht erkennen können. Die Forderung einer Preisangabe in der LV-Position alleine genüge hierfür nicht. Auch sei es ständige Praxis der Vergabestelle gewesen, eine unterlassene Benennung der Überwachungsinstitute in der Nachunternehmerliste nicht zum Anlass für einen Ausschluss zu nehmen. Schließlich müsse ein verständiger Bieter ein Prüfinstitut auch nicht als drittes Unternehmen ansehen, das einen Teil des Bauauftrags ausführen solle, sondern als eine unabhängige staatlich anerkannte Kontrollinstanz.

 

Anmerkung

Die Entscheidung zeigt, dass aufgrund des äußerst weiten Wortlauts des § 8a Nr. 10 VOB/A („Unternehmen“) nicht nur klassische Nachunternehmer zu benennen sind, sondern praktisch jedes „bieterfremde“ Unternehmen, welches die Ausführungsleistung unterstützt, also auch Lieferanten oder wie hier Prüfstellen. Da aber bislang und auch nach geübter Praxis der Vergabestellen herkömmlich nur klassische Nachunternehmer darunter verstanden werden, muss die Vergabestelle ausdrücklich klarstellen, für welche Art von Unternehmen es eine Benennung und Verpflichtungserklärung verlangt. Ohne diese Klarstellung dürfte davon auszugehen sein, dass eine Prüfstelle bzw. eine anerkannte Überwachungsstelle nicht automatisch als Nachunternehmer im Sinne des § 8a Nr. 10 VOB/A anzusehen ist.

 

Antragsbefugnis eines Nachunternehmers im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 23. April 2009 – 1 BvR 3424/08 – (www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:

Die herrschende Rechtsauffassung, nach der nur mittelbar an einem Auftrag Interessierte wie zum Beispiel Nachunternehmer bereits keine Rechte nach § 97 Abs. 7 GWB inne haben oder ihnen jedenfalls das Interesse im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB fehlt, ist im Lichte der Rechtsschutzgewährleistung aus Art. 19 Abs. 4 GG und des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls nicht aus offensichtlichen Gründen verfassungsrechtlich zu beanstanden.

Eine Stadt beabsichtigte, ein ihr gehörendes Grundstück zu verkaufen, um darauf ein Einkaufszentrum bauen zu lassen (Baukonzession). Sie beteiligte daher – allerdings ohne förmliches Vergabeverfahren – mehrere interessierte Investoren. Nach dem Verkauf reichte ein Architekt, der von einem der nicht berücksichtigten Investoren mit der Erbringung der Planungsleistungen beauftragt worden war, einen Nachprüfungsantrag ein. Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag statt. Das gegen diese Entscheidung angerufene OLG hob den Beschluss der Vergabekammer auf und lehnte den Nachprüfungsantrag ab. Das OLG war der Auffassung, dass nur mittelbar am Auftrag interessierte Unternehmen (z. B. Nachunternehmer, Planer) ebenso wie einzelne Mitglieder einer Bietergemeinschaft im Nachprüfungsverfahren nicht antragsbefugt seien. Hiergegen wandte sich die Verfassungsbeschwerde des Architekten.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil der Architekt die Verletzung seiner subjektiven Rechte nicht ausreichend dargelegt habe. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei nur dann verletzt, wenn nicht alle Mitbewerber die gleiche faire Chance erhielten, nach Maßgabe der für den spezifischen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden. Der Architekt habe jedoch nicht vorgetragen, dass er daran interessiert sei, den Auftrag als (Haupt-)
Auftragnehmer auszuführen. Er könne daher nicht als Mitbewerber angesehen werden. Im Hinblick auf die Bieterrechte aus § 97 Abs. 7 GWB müsse auf die herrschende Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Literatur verwiesen werden, wonach nur mittelbar am Auftrag Interessierte bereits keine Rechte nach § 97 Abs. 7 GWB inne hätten bzw. ihnen jedenfalls das für die Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren erforderliche „Interesse am Auftrag“ gemäß § 107 Abs. 2 GWB fehle. Das BVerfG belässt es bei diesem Hinweis, ohne dazu näher Stellung zu nehmen, da es hier der Architekt unterlassen habe, sich mit dieser Auffassung näher auseinander zu setzen und darzutun, dass diese Auffassung die Bedeutung der Rechtsschutzgewährleistung verkenne oder willkürlich sei.

 

Anmerkung

Nachunternehmern und sonstigen nur mittelbar am Auftrag Interessierten fehlt im Nachprüfungsverfahren die Antragsbefugnis im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Insoweit hat das BVerfG keine offensichtlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die wesentlich interessantere Frage hat es allerdings gar nicht mehr bis in die Gründe der Entscheidung des BVerfG geschafft. Im vorliegenden Falle lag nämlich eine sog. De-facto-Vergabe vor, bei der – mangels förmlicher Angebote – noch gar nicht feststand, wer als Bieter und ggf. mit wem in Bietergemeinschaft oder als Nachunternehmer am Verfahren beteiligt sein würde. In solchen Fällen muss – nach der Entscheidung des BVerfG – ein Antragsteller im Nachprüfungsverfahren darlegen, dass er daran interessiert ist, den Auftrag als Hauptunternehmer auszuführen. Im zu Grunde liegenden Falle hatte der Architekt dagegen nach den Umständen und der Vertragssituation nur „wie ein Nachunternehmer“ als beauftragter Architekt für den Investor gehandelt.

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