Sicherung von Ansprüchen
Mit dem im Jahr 2009 durch das Forderungssicherungsgesetz geänderten § 648a BGB werden alle Lücken bei der Sicherung von Vergütungsansprüchen der Werkunternehmer beseitigt. § 648a BGB will einen Ausgleich zwischen den Sicherungsinteressen des Unternehmers (bei Zahlungsausfall oder Insolvenz des Auftraggebers) und den Interessen des Bestellers, erst nach Fertigstellung und Prüfung des Werks die Vergütung entrichten zu müssen, schaffen.
Nach der ab 01.01.2009 geltenden Neufassung des § 648a BGB besteht nunmehr sogar ein Anspruch des Unternehmers auf Stellung der Sicherheit, wenn der Unternehmer zuvor eine angemessene Frist zur Bereitstellung der Sicherheit gesetzt hat (§ 648a Abs. 1 BGB). Das bedeutet, dass die Stellung der Sicherheit nunmehr gerichtlich durchsetzbar ist. Nach altem Recht stand dem Unternehmer demgegenüber lediglich ein Leistungsverweigerungs- oder Kündigungsrecht zu, wenn der Besteller eine Sicherheitsleistung verweigerte.
Die Höhe der zu erbringenden Sicherheit richtet sich nach dem voraussichtlichen Vergütungsanspruch (§ 648a Abs. 1 S. 2 BGB), wobei Mängel des Werks unberücksichtigt bleiben, sofern sie durch Nachbesserung beseitigt werden können. Nebenforderungen des Unternehmers können pauschal in Höhe von 10 % des zu sichernden Vergütungsanspruchs abgesichert werden.
Im folgenden Beitrag wird die neuere Rechtsprechung zur Bauhandwerkssicherung erörtert und auch die Rechtsprechung zur alten Gesetzeslage dargestellt, soweit sie auf die neue Fassung des § 648a BGB anwendbar bleibt.
Frage 1: Wann ist § 648a BGB n.F. anwendbar?
Mangels einer Überleitungsvorschrift hat der BGH im Urteil vom 19.08.2010 (VII ZR 169/09) festgestellt, dass sich die Anwendbarkeit des neuen § 648a BGB nach Art. 170 EGBGB bestimmt, d. h. dass nur Rechtsverhältnisse, die nach dem 01.01.2009 entstanden sind, nach der Neuregelung beurteilt werden.
Bei Nachträgen ist nicht der Zeitpunkt der Anordnung bzw. Beauftragung der Nachträge, sondern der Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptvertrages maßgeblich. Das LG Dresden hat deshalb mit Urteil vom 15.03.2012 (9 O 2458/11) die Frage, ob für nach dem 01.01.2009 vereinbarte Nachträge und Zusatzleistungen ein Anspruch auf Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB n.F. besteht, wenn der Hauptvertrag vor Inkrafttreten der Norm geschlossen wurde, verneint.
Frage 2: Beeinflusst die Existenz des § 648a BGB die Zulässigkeit vertraglicher Sicherungsabreden?
Der BGH bestätigt in seinem Urteil vom 27.05.2010 (VII ZR 165/09) seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 09.11.2000 - VII ZR 82/99) und stellt klar, dass die Regelung des § 648a BGB ausschließlich das Recht des nachträglichen, nach Vertragsschluss geltend gemachten Sicherheitsverlangen umfasst. Vertragliche Sicherungsabreden werden durch die Regelung des § 648a BGB nicht berührt und sind davon losgelöst zu betrachten.
In dem vom BGH entschiedenen Fall sahen die Vertragsbedingungen des Unternehmers vor, dass der Besteller eines Einfamilienhauses eine unbefristete selbstschuldnerische Zahlungsbürgschaft auf seine Kosten zu erbringen hatte; dies im Gegensatz zur gesetzlichen Regelung des § 648a Abs. 3 BGB, wonach der Unternehmer die Kosten der Bauhandwerkssicherung bis zu einem Höchstsatz von 2 v.H. jährlich zu erstatten hat.
Unabhängig davon, dass § 648a BGB dann nicht anwendbar ist, wenn eine natürliche Person die Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses beauftragt (§ 648a Abs. 6 Nr. 2 BGB) und damit im konkreten Fall eine Anwendung der Bauhandwerkersicherung gar nicht in Betracht kam, stellt § 648a auch kein gesetzliches Leitbild für die Vertragsgestaltung außerhalb des dortigen Anwendungsbereiches dar. Deshalb sind anderweitige vertragliche Abreden, die nicht dem Anwendungsbereich von § 648 a BGB unterliegen, auch abweichend davon möglich und zulässig. Demzufolge hatte der BGH auch keine Unwirksamkeit der Vertragsklausel in Erwägung gezogen, obwohl sie den Besteller gegenüber der gesetzlichen Regelung in § 648a Abs. 3 BGB benachteiligte. Norminhalt von § 648a sei allein die nachträgliche, nicht aber die von vornherein vorgesehen vertragliche Sicherung des Unternehmers.
Frage 3: Kann auf die Bauhandwerkssicherung wirksam verzichtet werden?
Grundsätzlich nein. Eine Klausel im Bauvertrag, nach der eine Sicherheit nach § 648a BGB nicht oder nicht in voller Höhe gestellt werden muss, verstößt gegen das gesetzliche Leitbild und ist unwirksam. Auch entsprechende Individualabreden sind nicht zulässig. Dies geht schon aus dem Wortlaut des § 648a Abs. 7 BGB hervor: „Eine von den Vorschriften der Absätze 1 bis 5 abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“
Das OLG Hamm hat dies mit Beschluss vom 28.01.2011 (19 U 155/10) bestätigt. In dem zu entscheidenden Fall hatten die Vertragsparteien für die gesamte Geschäftsbeziehung auf Sicherheiten verzichtet. Der Auftraggeber behauptete, er habe den Vertrag nur mit dieser Vereinbarung abschließen wollen und daher sei die Abrede die Bedingung für den Vertragsschluss geworden. Mit Hinweis auf die ausdrückliche Regelung des § 648a Abs. 7 BGB hat das OLG die Vereinbarung jedoch als unwirksam erachtet. Unzulässig seien sowohl Vereinbarungen, bei denen wechselseitig auf Sicherheiten verzichtet wird, als auch Vereinbarungen, aufgrund derer Sicherheiten nur im wechselseitigen Verhältnis gewährt werden sollen. Ebenso sei eine Bedingung für den Vertragsschluss, nach der auf Sicherheiten verzichtet werden soll, unzulässig. Denn auch eine solche Bedingung verstoße gegen § 648a Abs. 7 BGB. Anderenfalls liefe die Regelung des § 648a Abs. 7 BGB auch leer.
Frage 4: Wann kann die Sicherheit erfolgreich prozessual geltend gemacht werden?
Nach der neuen Fassung von § 648a BGB ist die vom Unternehmer verlangte Sicherheit gerichtlich einklagbar. Der gesetzliche Anspruch entsteht, wenn die Frist, gekoppelt mit der Aufforderung zur Stellung der Sicherheit, abgelaufen ist. Es ist auch möglich, Werklohnforderungen und die Sicherheitsleistung gemeinsam in einem Prozess einzuklagen. Möglich ist dann sogar ein Teilurteil gem. § 301 ZPO über die Sicherheitsleistung (LG Göttingen, Urteil vom 04.10.2011 – 8 O 288/10).
Nach einem Beschluss des OLG Brandenburg vom 22.02.2012 (4 W 34/11) erhöht sich sogar der Streitwert einer Werklohnklage nicht, wenn neben der Hauptsacheforderung eine Sicherheit nach § 648a BGB für diese Forderung beantragt wird. Wird die Sicherheitsleistung alleine eingeklagt, soll sich der Streitwert nach einer Entscheidung des LG München II vom 15.02.2010 (5 O 4454/10) nach dem vollen Wert der zu sichernden Forderung bemessen.
Werden in einem Verfahren jedoch der Anspruch auf Werklohn und die Stellung einer Sicherheit im Wege der Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) zusammen eingeklagt, hat das OLG Düsseldorf entschieden (25.02.2011 - 23 U 150/10), dass ein Teilurteil unzulässig ist, wenn die Entscheidung über den dem Teilurteil zugrundeliegenden Teil des Streitgegenstandes präjudizielle Vorfragen umfasst, der auch Gegenstand des verbliebenen Teil des Rechtsstreits ist. Ist also noch nicht geklärt, ob und in welcher Höhe dem Bauhandwerker (noch) ein Vergütungsanspruch zusteht, kann über den Anspruch auf Sicherheitsleistung auch nicht entschieden werden, denn es können nur Forderungen abgesichert werden, die auch bestehen. Es sollte also geklärt werden, ob und in welcher Höhe ein Anspruch besteht, bevor die Sicherheitsleistung erfolgreich „eingeklagt“ werden kann.
Frage 5: Welche Auswirkungen haben Gegenrechte des Bestellers oder eine Kündigung des Vertrages auf den Anspruch auf Sicherheitsleistung?
Gegenrechte haben keine Auswirkungen auf das Sicherungsverlangen und dessen Höhe. Etwaige Mängelrechte haben schon deshalb keinen Einfluss auf die Höhe der Sicherheit, da die Mängel schließlich noch behoben werden können. § 648a BGB soll dem Unternehmer einen schnellen Zugriff auf eine Sicherheit eröffnen, um das Risiko eines Zahlungsausfalles oder der Insolvenz zu begegnen. Die Sicherung soll nicht erst nach langwierigen Auseinandersetzungen über das Vorliegen von Mängeln zu realisieren sein. Die Vergütungsansprüche des Unternehmers sollen möglichst einfach und schnell durchsetzbar sein (LG Paderborn, Urteil vom 11.06.2011 – 3 O 521/10). Daher schließt § 648a Abs. 1 S. 3 BGB Gegenansprüche grundsätzlich aus, in dem es heißt: „Der Anspruch des Unternehmers auf Sicherheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Besteller Erfüllung verlangen kann oder das Werk abgenommen hat.“ Will der Besteller mit Ansprüchen gegen die Sicherheitsleistung aufrechnen, ist dies nun ebenfalls nicht mehr möglich. In § 648a Abs. 1 S. 4 BGB heißt es dazu ausdrücklich –und das ist neu-: „Ansprüche, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen kann, bleiben bei der Berechnung der Vergütung unberücksichtigt, es sei denn, sie sind unstreitig oder rechtskräftig festgestellt.“ Damit soll verhindert werden, dass im Rahmen der Sicherheit schon Streitigkeiten über die Anspruchshöhe der Hauptforderungen ausgetragen werden. Alles andere würde dem Sinn und Zweck des § 648a BGB entgegenstehen (LG Darmstadt, Urteil vom 20.09.2011 – 12 O 12/11). Wenn der Besteller während der laufenden Bauarbeiten Mängel rügt und den Unternehmer zu deren Beseitigung auffordert, hat das also keine Auswirkung auf die Sicherheit. Dies gilt auch dann, wenn der Besteller den Vertrag kündigt und die Stellung der Sicherheit verweigert. Der Anspruch des Unternehmers auf die Sicherheitsleistung bleibt davon unberührt, auch wenn durch die Kündigung die Vorleistungspflicht wegfällt (LG Nürnberg, Urteil vom 12.04.2010 – 17 O 11183/09 und LG Stuttgart, Urteil vom 03.12.2010 – 8 O 284/10), denn sonst wird der Sicherungsanspruch des Unternehmers durch Kündigung unterlaufen.