Von Fristen und Ansprüchen

Kommentare zur aktuellen Rechtsprechung für die Bauwirtschaft

Rechtsanwalt Michael Werner vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erläutert hier drei Urteile von Oberlandesgerichten (OLG Celle, Brandenburg und Köln), die sich mit der extremen Wichtigkeit von Fristen, Abnahmeterminen und deren Planung und Einhaltung beschäftigen.

Schaden vor Abnahme – keine Vergütung bei erneuter Werkleistung

Das OLG Celle hat mit Urteil vom 18. März 2010 (6 U 108/09; www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:

1. Verschlechtert der Besteller durch sein Verhalten das Werk des Unternehmers, bevor er es abgenommen hat, ohne mit der Abnahme in Verzug zu sein, hat der Unternehmer es, indem er die Verschlechterung beseitigt, neu herzustellen.

2. Stellt das Verhalten des Bestellers eine schuldhafte Pflichtverletzung dar, hat der Unternehmer Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des für die Neuherstellung angemessenen Werklohns.

Ein Generalunternehmer (GU) beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit Trockenbaumaßnahmen im Rahmen eines Gebäudeausbaus. Weil ein Nachunternehmer des GU beim Anbringen einer Regenrinne einen Fehler machte, kam es zu einem Wassereinbruch, bevor das Werk des AN abgenommen wurde. Darauf traten an den vom AN eingebauten Vorsatzschalen Verformungen auf. Diese Vorsatzschalen wurden vom AN vor der Abnahme ausgetauscht. Die Ursache für den Schaden an den Vorsatzschalen konnte nicht geklärt werden. In Betracht kam ein Fehler eines anderen Nachunternehmers oder die Veranlassung des GU, über 100 °C heißes Bitumen in das hermetisch abgeriegelte Gebäude einbringen zu lassen. Schadensursache konnte aber auch darin liegen, dass bei der Erstmontage der AN die Oberflächentoleranzen nicht eingehalten und er auf 50 m Länge keine Dehnungsfugen gebildet hatte. Der AN verlangte für den Austausch der Vorsatzschalen 34.000 Euro. Nach Ansicht des OLG hat die Klage des AN keinen Erfolg. Infolge der dem AN bis zur Abnahme obliegenden Beweislast für die Mangelfreiheit seines Werks und der gleichzeitig nicht gelungenen Beweisführung scheidet ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683, 677 BGB) aus. Dieser Anspruch setze nämlich voraus, dass der AN „nicht sonst dazu berechtigt“ war (§ 677 BGB), die Vorsatzschalen auszutauschen.

Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass sich die Berechtigung des AN aus seiner Pflicht zur Nacherfüllung wegen mangelhafter Werkleistung ergebe. Nichts anderes ergebe sich aus der Ursächlichkeit der durch den GU veranlassten Einbringung des Bitumens, da der AN bis zur Abnahme die Gefahr für die Verschlechterung seines Werkes trage (§ 644 Abs. 1 Satz 1 BGB) und der GU das Werk noch nicht abgenommen und sich mit der Abnahme noch nicht in Verzug befunden habe (§ 644 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der AN habe aber auch keinen Anspruch gemäß § 645 BGB, da das Werk weder infolge eines vom GU zu seiner Herstellung gelieferten Stoffs, noch durch eine seitens des GU für die Ausführung des Werks erteilten Anweisung, noch durch eine diesen beiden Fällen vergleichbare Risikolage verschlechtert worden sei. Der Auftragnehmer könne auch keinen Schadensersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung des GU (§ 280 Abs. 1 BGB) geltend machen, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich bereits vor dem Einbringen des Bitumens die Vorsatzschalen verformt hätten, weil der AN die Oberflächentoleranz nicht eingehalten habe.

Desweiteren sei bei unterstellter Mitursächlichkeit des Wassereinbruchs keine Verantwortlichkeit des GU für den Mangel feststellbar, da sich der GU Pflichtverletzungen seines Nachunternehmers im Verhältnis zum Auftragnehmer als weiteren Nachunternehmer nicht zurechnen lassen müsse. Der NU sei nicht Erfüllungsgehilfe des GU insoweit, dass er verpflichtet wäre, das Werk eines anderen Nachunternehmers nicht zu beschädigen.


Anmerkung

Die obige Entscheidung ist eindeutig. Der Auftragnehmer schuldet den Werkerfolg zum Zeitpunkt der Abnahme. Der Fall verdeutlicht, wie wichtig es wegen der Gefahrtragungsregeln für einen AN ist, eine zeitige Abnahme durch den AG herbeizuführen. Notfalls kann er Frist zur Abnahme nach § 640 Abs. 1, Satz 3 BGB setzen.

Anspruch des Auftraggebers gegen Nachunternehmer bei Fristüberschreitungen des Auftragnehmers

Das OLG Brandenburg hat mit Urteil vom 1. April 2010 (12 U 1/10; www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:

Ansprüche wegen Fristüberschreitung, die der Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer geltend macht, kann dieser an seinen Nachunternehmer nur „durchreichen“, wenn er mit ihm entsprechende Fristen vereinbart hat.

Der beklagte Auftragnehmer (AN) hatte die Klägerin als Nachunternehmer (NU) mit der Installation und Aufschaltung einer Einbruchmeldeanlage beauftragt. Gegen den Werklohnanspruch des NU rechnete er mit einem Betrag von 6.300 Euro auf, den ihm sein Auftraggeber (AG) von der Schlussrechnung abgezogen hatte, weil die Anlage nicht zu dem mit ihm vereinbarten Termin fertig gestellt worden war.

Nach Ansicht des OLG ist die Aufrechnung des AN gegenüber dem NU unbegründet. Der AN habe keinen Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens, der ihm dadurch entstanden sei, dass ihm sein AG 6.300 Euro von der Schlussrechnung abgezogen habe. Ein solcher Anspruch folge nicht aus § 6 Nr. 6 i.V.m. § 5 Nr. 4 VOB/B. Zwischen den Parteien seien keine verbindlichen Vertragsfristen vereinbart worden. Soweit sich der AN auf die Übersendung von Baubesprechungsprotokollen berufe, aus denen sich ergebe, dass eine Aufschaltung der Anlage seitens des AG gewünscht und dafür ein Fertigstellungstermin bis zum 14.12. 2007 gesetzt war, folge daraus keine Vereinbarung einer verbindlichen Fertigstellungsfrist im Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Es stehe bereits nicht fest, dass vor dem 11.12.2007 ein Auftrag an den NU bestand, die Aufschaltung durchzuführen. Allein die Übersendung von Baubesprechungsprotokollen stelle keine konkludente Beauftragung eines Zusatzauftrags dar. Die in den Protokollen enthaltenen Vorgaben richteten sich an den AN in seinem Verhältnis zu seinem AG. Wenn dieser sich gegenüber seinem AG zur Durchführung der Aufschaltung verpflichtet habe, diese Arbeiten jedoch nicht selbst durchführen könnte, hätte er zeitnah eine entsprechende Beauftragung des NU herbeiführen müssen. Für den NU sei daher durch eine kommentarlose Übersendung von Baubesprechungsprotokollen nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass von ihm zusätzliche Leistungen gefordert werden sollten. Ein Schadensersatzanspruch (aus § 311 Abs. 2 i.V.m. §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) sei ebenfalls nicht gegeben. Der NU habe gegenüber dem AN keine Hinweispflichten aus § 4 Nr. 3 VOB/B verletzt, indem er nicht darauf hingewiesen habe, dass die Beantragung einer solchen Aufschaltung einen Zeitraum von drei bis vier Monaten in Anspruch nehme. Es habe vielmehr dem AN oblegen, die entsprechenden Arbeiten durchzuführen. Falls er selbst nicht über die entsprechende Fachkunde verfüge und sich eines Nachunternehmers bedienen müsse, obläge es ihm wiederum, diesen zeitnah zu beauftragen. Nachdem dem AN seinerseits Frist zur Fertigstellung bis zum 14.12.2007 gesetzt worden sei, hätte er spätestens zu diesem Zeitpunkt entsprechende Leistungen beim NU abrufen müssen.

 

Anmerkung

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann ein Hauptunternehmer (GU), der wegen verzögerter Fertigstellung des Bauwerks an den Bauherrn eine Vertragsstrafe zu zahlen hat, seinen Nachunternehmer nach § 6 Nr. 6 VOB/B auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn die Verzögerung auf dessen schuldhafter Verletzung einer vertraglichen Pflicht beruht . Letzteres ist bei der o. g. Entscheidung jedoch gerade nicht der Fall.

 

Verwirkung des Kündigungsrechts durch Verhandlungen nach Fristablauf

Das OLG Köln hat mit – erst jetzt veröffentlichtem – Urteil vom 14. November 2008 (19 U 54/08; www.ibr-online.de) Folgendes entschieden:

1. Ordnet der Auftraggeber die Ausführung einer geänderten oder zusätzlichen Leistung dem Grunde nach an, kann der Auftragnehmer die Erbringung seiner Leistung nicht von einer Einigung über die Höhe der zu zahlenden Mehrvergütung abhängig machen. Denn nach § 2 Nr. 5 bzw. Nr. 6 VOB/B ist die vorherige Vereinbarung einer Vergütung nicht erforderlich.

2. Der Auftraggeber ist zur Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund    berechtigt, wenn der Auftragnehmer unter Androhung der Kündigung dazu aufgefordert wird, innerhalb einer gesetzten Frist seine Leistungsbereitschaft zu erklären und die Frist fruchtlos verstrichen ist.

3. Eine solche Frist wird gegenstandlos, wenn sich der Auftraggeber auf weitere Verhandlungen einlässt und deshalb aus Sicht des Auftragnehmers noch Verhandlungen schweben.

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) auf Basis der VOB/B mit der Ausführung von Rohrverlegearbeiten, für die eine Vergütung von 1 Mio. Euro vereinbart war. Kurz nach Auftragserteilung forderte der AG eine Leistungsänderung, wofür der AN einen Nachtrag in Höhe von 900.000 Euro geltend machte. Eine Einigung über die Nachtragshöhe kam nicht zu Stande. Der AG ordnete daraufhin die Ausführung dem Grunde nach an und schlug eine Abschlagszahlung über 500.000 Euro vor. Als der AN dem nicht zustimmte und auf ein ihm zustehendes Leistungsverweigerungsrecht hinwies, forderte ihn der AG mit Schreiben vom 28.01.2002 unter Kündigungsandrohung dazu auf, bis zum 30.01. 2002 seine Leistungsbereitschaft zu erklären. Am 31.01.2002 legte darauf der AN ein neues Nachtragsangebot vor. Der AG antwortete am 01.02.2002, dass er das Angebot prüfen und kurzfristig darauf zurückkommen werde. Am 04.03.2002 kündigte darauf der AG den Vertrag fristlos aus wichtigem Grund. Der AN war der Ansicht, es handle sich um eine freie Kündigung gemäß § 8 Nr. 1 VOB/B und forderte als vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen einen Betrag von 620.000 Euro.

Nach Ansicht des OLG ist die Forderung des AN berechtigt. Ein Kündigungsrecht des AG wegen unberechtigter Leistungsverweigerung habe nicht bestanden. Wenngleich aus den in Leitsatz 1 genannten Gründen kein Leistungsverweigerungsrecht ausgeübt werden konnte, habe der AN seine Leistung nicht – wie dies von der ständigen Rechtsprechung verlangt werde – nachhaltig und endgültig verweigert. Vielmehr sei eine Leistungsverweigerung für den Fall des Nichtzustandekommens einer Einigung über die Nachtragshöhe nur in Aussicht gestellt worden. Auf eine schwere Verletzung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses habe der AG seine Kündigung ebenfalls nicht stützen können. Der AG sei zwar berechtigt, einen Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn er bei berechtigten Zweifeln an der Leistungsbereitschaft den AN unter Androhung der Kündigung aufgefordert habe, innerhalb einer ihm gesetzten Frist seine Leistungsbereitschaft zu erklären und diese Frist fruchtlos verstrichen sei. Die Nichtabgabe einer solchen Erklärung zur Leistungsbereitschaft könne einer Erklärung der Leistungsverweigerung, die den AG zur außerordentlichen Kündigung berechtige, gleichgestellt werden. Die geforderte Erklärung habe der AN hier nicht abgegeben. Allerdings sei die Frist gegenstandslos geworden. Denn der AG habe sich nach Fristablauf auf weitere Verhandlungen eingelassen, indem er erklärt habe, die Sache prüfen zu wollen. Dadurch habe er aber zu verstehen gegeben, dass er an der Erklärungsfrist nicht mehr festhalte und ein etwaiges Kündigungsrecht verwirkt.


Anmerkung

Wie das OLG hier hinweist, müssen Kündigungen aus wichtigem Grund zeitnah zum Kündigungsanlass erfolgen. Wenn noch Leistungen entgegengenommen oder Verhandlungen geführt werden, führt das regelmäßig zur Unwirksamkeit der Kündigung. In diesen Fällen müsste dann eine neue Frist gesetzt und nach deren fruchtlosem Ablauf erneut gekündigt werden.

Wer nicht auf seine Fristen achtet, kann viel Geld verlieren!

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