Wer zahlt wann und was an wen?

Kommentare zur aktuellen Rechtsprechung für die Bauwirtschaft

Rechtsanwalt Michael Werner vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie stellt hier drei wichtige Entscheidungen (zwei Mal ein OLG und einmal der BGH) vor und erläutert ihre Auswirkungen auf die tägliche Baupraxis.

Feststellbarer Mangel ist allein kein Indiz für Organisationsverschulden

Das OLG Hamm hat am 29.01.10 (26 U 37/09 - www.ibr-online.de) entschieden:

Für die Annahme einer mangelhaften Organisation bedarf es mehr als des Vorliegens eines Baumangels, der auch bei ordnungsgemäßer Bauüberwachung festgestellt worden wäre, da es selbst bei fehlerhafter Bauüberwachung eine Vielzahl von Fehlerquellen gibt, die nicht auf fehlerhafte Organisation der Bauüberwachung beruhen.

Ein Bauunternehmer erstellte für den Bauherrn (AG) eine Lagerhalle. Gegen die gerichtlich geltend gemachte Restwerklohnforderung in Höhe von ca. 200.000 Euro wandte der AG Mängelansprüche u. a. wegen mangelhafter Ortbetonstützen ein. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hatte hierzu festgestellt, dass die Stahlkörbe der Stützen statt der geschuldeten Betonüberdeckung von 2,5 cm lediglich eine Überdeckung von teilweise 0,2 cm aufwiesen. Der Unternehmer berief sich insoweit auf die Verjährung der Mängelansprüche, da die vertraglich vereinbarte Gewährleistungsfrist abgelaufen sei. Der AG war der Auffassung, dass die Verjährungsfrist wegen Organisationsverschulden des Unternehmers auf 30 Jahre verlängert sei.

Das OLG sieht die Mängelansprüche für verjährt an, da die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Verjährungsfrist wegen Organisationsverschuldens hier nicht vorlägen. Der Unternehmer habe zur Erfüllung der vertraglich übernommenen Leistungen einen Nachunternehmer (NU) beauftragt und auf der Baustelle einen Polier zur Überwachung eingesetzt. Dass dabei organisatorische Fehler aufgetreten seien, habe der AG nicht aufgezeigt. Allerdings könnten dem Besteller, der die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Organisationsfehlers trage, durchaus Beweiserleichterungen zugute kommen. So könne dabei die Art des Mangels ein so überzeugendes Indiz für eine fehlende oder fehlerhafte Organisation sein, dass es weiterer Darlegung hierzu nicht mehr bedürfe, so dass sich der Unternehmer dann zur Vermeidung des Arglistvorwurfs entlasten müsse. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte die mangelhafte Betonüberdeckung bei ordnungsgemäßer Kontrolle durch den Polier nach dem Erstellen der Schalung und vor dem Eingießen des Betons bemerkt werden können und müssen. Dies reiche jedoch nicht aus, um auf eine mit der Arglist vergleichbare Verletzung der Organisationsobliegenheit des Unternehmers zu schließen. Für die Annahme einer mangelhaften Organisation bedürfe es mehr als das Vorliegen eines Baumangels, der bei ordnungsgemäßer Bauüberwachung festgestellt worden wäre. Denn selbst bei fehlerhafter Bauüberwachung gebe es eine Vielzahl von Fehlerquellen, die nicht auf fehlerhafter Organisation der Bauüberwachung beruhten. Der Unternehmer beschäftige den NU ständig und vertraue auf dessen Leistung, so dass er fehlerhaft auf die notwendige Kontrolle verzichtet habe. Es lege somit ein Einzelfallversagen vor, das nicht Folge generell fehlerhafter Organisation sei.

 

Anmerkung

Die Entscheidung des OLG Hamm ist vor dem Hintergrund der BGH-Rechtsprechung zu sehen. Der BGH hatte am 12. März 1992 (VII ZR 5/91) eine in der gesamten Baubranche viel beachtete Entscheidung getroffen, die in der Folgezeit erhebliche Irritationen ausgelöst hatte. Danach müsse der Auftragnehmer, der ein Bauwerk arbeitsteilig herstellen lasse, die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Bauwerk bei Ablieferung mangelfrei sei. Unterlasse er dies und wäre der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden, so verjährten Mängelansprüche des Auftraggebers wie bei arglistigem Verschweigen eines Mangels – d. h. nach 30 Jahren. Der BGH hatte damals betont, dass ein gravierender Mangel an besonders wichtigen Gewerken ebenso wie ein besonders augenfälliger Mangel an weniger gewichtigen Bauteilen den Schluss auf eine mangelhafte Organisation von Überwachung und Überprüfung zulassen könne.

In der Folgezeit wurde diese sehr weitgehende Auffassung vom BGH selbst sowie den Oberlandesgerichten zunehmend relativiert. Danach sei z. B. die Gleichstellung der Verjährung bei Verletzung einer Organisationsobliegenheit mit der längeren Verjährung bei arglistigem Verschweigen eines Mangels letztlich nur dann gerechtfertigt, wenn die Verletzung der Organisationsobliegenheit ein dem arglistigen Verschweigen vergleichbares Gewicht habe. Hierauf verweist auch das OLG Hamm in der o. g. Entscheidung.

 

Überhöhter Einheitspreis

auch für (nicht notwendige) Zusatzleistungen?

Das OLG Köln hat am (noch nicht rechtskräftig) 23.02.10 (3 U 33/09 – www.ibr-online.de) entschieden:

1. Beauftragt beim VOB/B-Vertrag der Auftraggeber den Auftragnehmer ohne ausdrückliche Preisabsprache mit außervertraglichen, den vertraglichen Leistungen aber entsprechenden Bauarbeiten, liegt weder ein Fall des § 2 Nr. 6 VOB/B noch des § 632 BGB vor.

2. Mit der Beauftragung von Zusatzleistungen kann eine konkludente Preisvereinbarung zu den Konditionen des Hauptauftrags erfolgen, so dass auch ein etwaig überhöhter Einheitspreis für die neuen Leistungen als vereinbart gilt.

Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit Straßenbauarbeiten, u. a. mit der Entsorgung PAK-belasteten Materials. Kurz darauf entschied der AG, zusätzliche Flächen zu sanieren. Auch dort fiel PAK-belastetes Material an, das der AN zu den Preisen des Hauptvertrags abrechnete. Der AG vergütete darauf die Mengen aus dem Hauptvertrag mit dem vereinbarten Einheitspreis, die Mengen aus dem Zusatzauftrag allerdings mit der üblichen Vergütung (hier nur ca. 10 % des Hauptvertragspreises). Der AN klagte den höheren Einheitspreis ein. Das erstinstanzliche Landgericht wies die Klage mangels Preisvereinbarung ab; es sei nur die übliche Vergütung gemäß § 632 BGB geschuldet.

Das OLG entscheidet dagegen zugunsten des AN und spricht diesem den gemäß § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B angepassten Einheitspreis auch für den Zusatzauftrag zu. Dies ergebe sich allerdings nicht aus § 2 Nr. 6 VOB/B, denn ein Vergütungsanspruch nach dieser Vorschrift setze gemäß der Rechtsprechung des BGH eine in technischer Hinsicht und/oder von der beabsichtigten Nutzung her bestehende unmittelbare Abhängigkeit zu der bisher vereinbarten Leistung voraus, an der es hier fehle. Denn die Sanierung der angrenzenden Straßen stehe in keinem Zusammenhang mit dem Leistungsziel des ersten Vertrages. Mit der Beauftragung von Leistungen über die Sanierung der angrenzenden Straßen sei aus Sicht des AG aber jedenfalls eine konkludente Preisvereinbarung zu den Konditionen des Hauptauftrags erfolgt, so dass die Anwendung des § 632 BGB am Fehlen einer Preisvereinbarung scheitere. Aus dem Umstand, dass es weder neue Vertragsunterlagen gegeben habe, noch ein neues Leistungsverzeichnis erstellt und über Preise nicht gesprochen worden sei, habe der AN redlicher Weise davon ausgehen dürfen, die Arbeiten gemäß dem ersten Vertrag ausführen zu müssen und eine entsprechende Vergütung zu erhalten. Dieses konkludente Angebot habe der AN auch mit Arbeitsbeginn angenommen. Auf eine Sittenwidrigkeit der Vergütung könne sich der AG nicht berufen, weil die für den Zusatzauftrag geschuldete Vergütung das Ergebnis der konkludenten Preisvereinbarung sei und gerade nicht einer Preisfortschreibung gemäß § 2 Nr. 5 bzw. § 2 Nr. 6 VOB/B.

 

Anmerkung

Das Urteil des OLG Köln ist vor dem Hintergrund der – äußerst umstrittenen – Entscheidung des BGH zur Sittenwidrigkeit von spekulativ angebotenen Einheitspreisen zu sehen (BGH vom 18.12.2008 – VII ZR 201/06 – siehe Baumarkt und Bauwirtschaft, Heft 3/2009, S. 12). Das OLG Köln hat zutreffend erkannt, dass jedenfalls in der hier gegebenen Konstellation aus Sicht des objektiven Erklärungsempfängers (AN) in der Aufforderung, ohne jede weitere Einschränkung oder Vorbehalte zusätzliche Arbeiten außerhalb des Vertragsgebiets auszuführen, auch das Angebot auf Erbringung und Abrechnung dieser Leistungen zu den Ursprungskonditionen liegt. Dabei ist auch richtig, dass auf echte Zusatzleistungen die Erwägungen des BGH aus der o. g. Entscheidung zur Sittenwidrigkeit von spekulativ angebotenen Einheitspreisen keine Anwendung findet, weil nur bei einer Preisfortschreibung gemäß § 2 Nr. 5 bzw. § 2 Nr. 6 VOB/B eine Vermutung für das sittlich verwerfliche Gewinnstreben greifen könne. Wo der AN bei Abgabe des Angebotes aber nicht damit rechnen kann, dass er mit außervertraglichen Leistungen beauftragt wird, kann er naturgemäß auch  nicht spekulieren.

 

Zur Leistungserfüllung des Nachunternehmers direkt an den Bauherrn

Der BGH hat am 14.01.10 (VII ZR 106/08 - www.ibr-online.de) entschieden:

1. Erbringt ein Nachunternehmer noch ausstehende Teile seiner dem Hauptunternehmer geschuldeten Leistung aufgrund eines gesonderten Vertrags direkt für dessen Auftraggeber, wird ihm diese Leistungserbringung gegenüber dem Hauptunternehmer regelmäßig unmöglich.

2. Der Vergütungsanspruch des Nachunternehmers gegen den Hauptunternehmer ist in diesem Fall  entsprechend § 441 Abs. 3 BGB in gleicher Weise zu berechnen wie der Anspruch auf Vergütung aus einem gekündigten Werkvertrag.

Der Auftraggeber (AG) beauftragte den Hauptunternehmer (HU), einen Baggerbetrieb, damit, ein Hafenbecken auszubaggern und das Baggergut zu entsorgen. Mit der Entsorgung des Baggerguts beauftragte der HU einen Entsorgungsbetrieb als Nachunternehmer (NU). Nach Beginn der Arbeiten beauftragte der AG den NU direkt damit, mit Flugasche konditioniertes Lagergut in einen neuen Bauabschnitt umzulagern. In der Folgezeit führte der NU einen ersten Prozess gegen den HU auf fälligen Werklohn. Jetzt klagte er wegen des Restwerklohns, den er inzwischen als ebenfalls fällig erachtete, erneut gegen den HU, wobei er die vom AG erlangte Zahlung in Abzug brachte. Das vorinstanzliche OLG Schleswig hatte hier darauf abgestellt, welche Mengen der NU in Erfüllung des Vertrags mit dem AG und welcher er in Erfüllung des Vertrags mit dem HU endgelagert hatte. Dieser Ermittlung folgt der BGH nicht. Nach seiner Ansicht sei es allerdings richtig, dass der NU mit den vom AG beauftragten und für diesen erbrachten Leistungen nicht zugleich die Erfüllung des mit dem HU geschlossenen Vertrags bewirkt habe. Insoweit sei die Leistung an den HU unmöglich geworden. Da der Vertrag zwischen dem HU und dem NU teilbare Leistungen zum Gegenstand habe, sei der werkvertragliche Werklohnanspruch gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB in entsprechender Anwendung des § 441 Abs. 3 BGB (Minderung beim Kauf) zu mindern. Damit gebe das Gesetz einen ausreichenden Spielraum für die im Einzelfall angemessene Wertermittlung. Diese müsse sich auch nach der Eigenart des Vertrags und der geschuldeten Leistung richten. Der Eintritt der Teilunmöglichkeit entspreche wirtschaftlich der Kündigung des Vertrags. In beiden Fällen erlische die Leistungspflicht des NU hinsichtlich des nicht mehr zu erbringenden Teils vor vollständiger Vertragserfüllung. Die Wertminderung sei daher nach den Grundsätzen zu berechnen, wie sie für die Abrechnung eines gekündigten Werkvertrags gelten würden. Diese Grundsätze führten auch zu angemessenen Ergebnissen, weil sie dem Umstand Rechnung trügen, dass keine Partei einen ungerechtfertigten Vor- oder Nachteil durch die Kündigung haben solle. Diese Grundsätze stellten auf das vertragliche Preisgefüge ab und ließen es zu, Teilleistungen nach diesem Preisgefüge zu bewerten. Die Vergütung sei demnach auf der Grundlage der nach dem Vertrag maßgebenden Vergütungsvereinbarung zu ermitteln. Der NU müsse vortragen, welche vertraglichen Leistungen er für den HU erbracht habe. Soweit sich für erbrachte Teilleistungen die Preise nicht ohne Weiteres aus dem Vertrag ergeben würden, müsse er sie auf der Grundlage des vertraglichen Preisgefüges für die Gesamtleistung ermitteln und in Ansatz bringen.

 

Anmerkung

Urteilsgründe: Bei dieser Lösung sei eine doppelte Inanspruchnahme des AG wegen Ansprüchen des HU aus § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zu erwarten. Regelmäßig erspare sich der HU die Vergütung des NU, die er nicht oder nur nach Maßgabe der Minderung zu leisten brauche. Wenn im Einzelfall eine Zahlungspflicht des AG gleichwohl bestehe, sei dies interessengerecht, weil der AG die Unmöglichkeit zu vertreten habe.

RA Michael Werner,

Hauptverband der

Deutschen Bauindustrie

ha.wirtschaft@bauindustrie.de

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