Wenig Arbeit  und  wenig Arbeitskräfte?

Demographie schlägt auf den Bau voll durch

Die ungünstige demographische Entwicklung hat den deutschen Bau voll im Griff. Der durch geburtenschwache Jahrgänge bedingte Rückgang der Zahl der Auszubildenden, das Ausscheiden von qualifizierten Ingenieuren und Polieren im Rentenalter und die bauspezifischen Schwierigkeiten, die Lebensarbeitszeit der hart arbeitenden gewerblichen Arbeitnehmer zu verlängern, sind eine große Herausforderung, die noch nicht genügend wahrgenommen wird.

Zugegeben, es klingt paradox. Wie kann man im Bausektor einen Arbeitskräftemangel postulieren, wenn die Branche gerade unter der schlechten Konjunktur leidet? In 2009 sank der Umsatz im Bauhauptgewerbe deutlich, in diesem Jahr geht es moderat weiter nach unten und für 2011 sieht es nach Auslaufen der Konjunkturprogramme erst recht düster aus. Diese eher pessimistischen Prognosen sind natürlich nicht geeignet, junge Leute für eine Karriere im Bauwesen zu motivieren. Umso mehr sollten die großen und mittleren Baufirmen die günstigen Beschäftigungsperspektiven auf mittlere und längere Sicht kommunizieren. Firmeninterne Verbesserungen können das Image der Branche heben. Es gilt sämtliche verfügbare Potentiale zu nutzen. Die ganze Palette muss her. Man braucht mehr Azubis, mehr junge Bauingenieure, längere Beschäftigungszeiten für das bestehende Personal, gute Weiterbildungsmöglichkeiten, Aufstiegschancen, usw. Bisher vernachlässigte Reserven wie Frauen und junge Migranten müssen mobilisiert werden. Zum Glück werden ab 2011 polnische und andere osteuropäische Arbeitnehmer ihre Arbeit in Deutschland anbieten können. Die Qualifizierten wird man mit Kusshand nehmen, die Ungelernten kann man ausbilden.

 

Kampf um die Azubis

Um die schrumpfende Zahl von Azubis droht ein Kampf mit dem Verarbeitenden Gewerbe und den Dienstleistungen auszu-brechen. Der Bau steht nicht besonders gut da. Laut einer Umfrage des DIHK geben 16 Prozent der befragten Betriebe des Gastgewerbes an, es habe sich niemand für eine Lehrstelle gemeldet. Es folgt das Baugewerbe mit elf Prozent. Alle anderen Beschäftigungszweige liegen unter 10 Prozent. In 2007 hatten die Bauverbände und die IG Bau eine Qualifizierung von bis zu 1500 jugendlichen Migranten angekündigt: ihnen sollte eine Übernahme in normale Ausbildungsverhältnisse angeboten werden. Darüber hat man nie wieder etwas gehört. Auch wenn solche Experimente nicht gleich erfolgreich sind, sollte man sie fortsetzen. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte bei Vorlage der Umfrage unmissverständlich: „Die demographische Wende schlägt voll auf den Ausbildungsmarkt durch. Nicht Lehrstellen, sondern Bewerber sind knapp“. Schule und Elternhaus seien gefordert, die mangelnde soziale Kompetenz der jungen Leute zu verbessern.

 

Leichte Besserung

bei Bauingenieuren

Bei den angehenden Bauingenieuren hat sich der Himmel etwas aufgeheitert. Der Negativtrend bei den Studierenden sei gebrochen, hob Prof. Manfred Nußbaumer, Vizepräsident Technik im Hauptverband der Bauindustrie, hervor. Nach sieben Jahren des Rückgangs sei die Zahl der Absolventen in 2008 erstmals wieder auf  3150 gestiegen und die Zahl der Studienanfänger von 6000 auf 7500 hochgeschnellt. Leider ist die Zahl der Studienabbrecher sehr hoch. Prof. Nußbaumer bedauert, dass die „aktuelle Zahl der Absolventen weiterhin deutlich unter der Marke von 4500 liegt, die wir als jährlichen Einstellungsbedarf sehen“. Diese Lücke werde sich erst mittelfristig schließen lassen, da die jungen Bauingenieure erst in vier bis fünf Jahren auf den Arbeitsmarkt kämen. Es kommt noch hinzu, dass von den 7500 Studienanfängern von 2008 rund 6500 in Bachelorstudiengängen und nur 1000 in Diplomstudiengängen gestartet sind. Nußbaumer bat die Hochschulen, das hohe Niveau des Diplomingenieurs zu bewahren. Der Bauingenieur „light“ könnte zum Problem werden.  

Die Generation 50+

Im Februar hat das RKW im Rahmen der Bautec eine Fachveranstaltung über die „Generation 50+ - Mitten im Leben“ durchgeführt. Die RG-Bau regt z.B. an, Weiterbildungsmodelle und altersgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten zu entwickeln. Die Vorträge der Veranstaltung kann man unter www.rkw.de „Publikationen“ einsehen. Laut Dr. Heiko Stiepelmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Bauindustrie, drohe ein Fachkräftemangel in den nächsten Jahren vor allem durch das Ausscheiden zahlreicher Fachkräfte aus dem Berufsleben. Klaus Müller, Leiter des Referats Wachstum, Demographie und Ökonometrie im Bundeswirtschaftsministerium, sprach die Nutzung des Potentials älterer Beschäftigter, die Erhöhung des Renteneintrittsalters und der Lebensarbeitszeit an. Die Rente mit 67 wird für Fachkräfte mit körperlicher Belastung eine verzwickte Aufgabe sein. Eine vorausschauende Beschäftigungspolitik ist hier unerlässlich.

Marcel Linden,

Bonn

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