Künstliche Intelligenz in der Baustellenlogistik

Vorstellung einer Untersuchungsstudie zur Potentialabschätzung

Prof. Dr.-Ing. Michael Denzer beschäftigt sich in Teil 3 seiner Serie zum Thema Baulogistik mit dem Thema Künstliche Intelligenz. Wie lässt sich die sich immer schneller weiterentwickelnde KI auch auf der Baustelle sinnvoll einsetzen?

Prof. Dr.-Ing. Michael Denzer lehrt an der Hochschule Biberach im Lehrgebiet Bau-logistik.
© Michael Denzer / HBC Hochschule Biberach

Prof. Dr.-Ing. Michael Denzer lehrt an der Hochschule Biberach im Lehrgebiet Bau-logistik.
© Michael Denzer / HBC Hochschule Biberach
Die Baustellenlogistik ist die branchenspezifische Ausrichtung der Logistik in einem Bauprojekt. Ihr obliegt die Aufgabe, den Material- und Personalfluss sowie die damit verbundenen Informationen auf einer Baustelle zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Somit unterstützt sie erheblich die wertschöpfenden Bauprozesse und trägt zu einem effizienten Baufortschritt maßgeblich bei. Aktuell ist dieser Zusammenhang noch nicht allen Akteuren im Bauwesen bewusst. Somit geht mit der Baustellenlogistik ein wesentliches Optimierungspotential einher.

Die baulogistischen Aufgaben sind sehr heterogen und vielseitig. Sie können jedoch grundlegend in die nachfolgend aufgelisteten Handlungsfelder eingruppiert werden:

Versorgungslogistik

Entsorgungslogistik

Personenlogistik

Baustelleninfrastruktur

Weiterführende Leistungen

Weitere Erläuterungen zur Abgrenzung zwischen der Baulogistik und der Baustellenlogistik sowie zu den einzelnen Handlungsfeldern sind im Beitrag „Bau-logistik – Das Fundament einer erfolgreichen Bauausführung“ (s. THIS 3.2024) beschrieben.

Eine Verbesserung der Baulogistikprozesse auf einem Bauvorhaben und somit langfristig auch eine Optimierung der gesamten wertschöpfenden Bauprozesse kann insbesondere durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) erzielt werden. Dies zeigen verschiedene Beispiele aus anderen Branchen der Wirtschaft, in denen KI schon stark etabliert ist und immer komplexere Aufgaben erfüllt. Die Zielsetzung der nachfolgenden vorgestellten Untersuchungsstudie besteht darin, mögliche Anwendungsfelder der KI in der Baustellenlogistik zu identifizieren und anhand ausgewählter Untersuchungskriterien zu beschreiben. Hierzu wurden Interviews mit vier Experten durchgeführt.

Grundlagen KI

1 Die wichtigsten Meilensteine in der Geschichte der KI [6]
© Michael Denzer / HBC Hochschule Biberach

1 Die wichtigsten Meilensteine in der Geschichte der KI [6]
© Michael Denzer / HBC Hochschule Biberach
Die KI weckt großes Interesse in der Bevölkerung. Einerseits ist die Intelligenz faszinierend, denn diese gibt den Menschen ein Gefühl von Autorität. Hierfür sind die Funktionsweisen des Gehirns für das Grundverständnis von Intelligenz von hoher Bedeutung. Ingenieure, besonders Informatiker, legen ihr Augenmerk auf die zentrale Frage der Intelligenz von Maschinen, die intelligenteres Verhalten im Vergleich zum Menschen zeigen. Andererseits beschreibt das Attribut „künstlich“ eine nicht natürliche, sondern mit chemischen oder technischen Mitteln nachgebildete Version. [1]

So wird unter KI aktuell verstanden, dass Computer oder Maschinen beispielsweise geistige oder kognitive Fähigkeiten zeigen, die den menschlichen ähneln. Hierbei kann es sich zum Beispiel um das Lernen aus vorangegangenen Fehlern handeln, woraus eine zukünftige Fehlerminimierung und dadurch Zeit- und Kostenersparnis folgen. Intelligente Leistungen können viele Facetten aufweisen. Diese reichen von der Verarbeitung unstrukturierter Daten als bildlich-räumliche Intelligenz über die Sprachintelligenz bis hin zur sozialen und zwischenmenschlichen Intelligenz. [2]

Die Zielsetzung des Forschungsgebiets der KI besteht darin, Systeme zu konzipieren, die in den vorstehenden Anwendungsgebieten intelligente Leistungen liefern können. Ein spezielles Anwendungsgebiet besteht in der Rekonstruierung des menschlichen Gehirns. Dies ist allerdings aktuell noch nicht realisierbar, da die Funktionsweise der heutigen intelligenten Computer von den Prinzipien des menschlichen Gehirns deutlich abweichen. [3]

Die Historie zur Entwicklung der KI reicht in etwa bis ins Jahr 1950 zurück. Anhand von Abbildung 1 lässt sich erkennen, dass sich durch verschiedenste Wissenschaftler dieser Begriff und das damit verbundene Verständnis über die vergangenen Jahre stetig verändert und weiterentwickelt hat. Einer der bedeutendsten Entwicklungen hierbei gelang 2015 mit dem Nachbau eines neuralen Netzes mit 152 Schichten, das in der Lage ist, Bilder exakt und teilweise noch genauer als das menschliche Auge zu erkennen [4]. Somit hat sich die KI zu einem wichtigen Faktor im Zuge der Digitalisierung von Industriezweigen entwickelt [5].

Zusammenfassend ist zu erkennen, dass dem heutigen Kenntnisstand zur KI ein langwieriger Entwicklungsprozess vorangegangen ist. Jedoch schätzen Forscher, dass erst in etwa 20 bis 25 Jahren eine menschenähnliche Intelligenz technisch nachgebaut werden kann [7].

Das Potential der KI ist mittlerweile vielen bewusst und die Weiterentwicklung des Forschungsfeldes wird in Deutschland stark gefördert. Ziel der Bundesregierung ist es, Deutschland zu einer führenden Nation in der KI-Forschung zu machen. Derzeit stehen führende Konzerne und Forschungsinstitute aus China und den USA mit der deutschen KI-Forschung in Konkurrenz [8]. Daraus ist ersichtlich, dass der Einsatz von KI zu den wichtigsten branchenübergreifenden Zukunftsthemen zählt und zudem seit geraumer Zeit in Bereichen der Wissenschaft und Wirtschaft große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ein Großteil der KI-Anwendungsfelder wird aktuell noch prototypisch entwickelt. So zum Beispiel bei der Nutzung von KI beim Entwicklungsprozess der autonomen Mobilität. Hierbei stehen selbständig fahrende Automobile mit und ohne Passagiere im Fokus. Sogenannte „Robotertaxis“ sollen dazu beitragen, Mobilität zu sichern, ohne ein eigenes Auto dauerhaft vorhalten zu müssen. [9]

2 Ein autonom fahrendes Automobil [10]
© Michael Denzer / HBC Hochschule Biberach

2 Ein autonom fahrendes Automobil [10]
© Michael Denzer / HBC Hochschule Biberach

Darüber hinaus bestehen aber auch schon konkret umgesetzte Einsatzgebiete der KI zur Verarbeitung unstrukturierter Daten aus physischen und digitalen Bildaufnahmen. Beispielhaft wird bereits KI zur automatischen Planung von Solaranlagen verwendet. Mittels Drohnenflug und KI-Auswertung können Dach-flächen exakt ausgemessen und Hindernisse identifiziert werden. Hieraus entsteht ein digitales Informationsmodell, das zur Visualisierung und Positionierung der neuen Kollektoren dient. [11]

Im klassischen Bausektor ist die Nutzung der KI-Technologie aktuell sehr verhalten und gleicht eher prototypischen Entwicklungsständen. Auf der einen Seite soll die KI-Technologie dazu genutzt werden, die häufig heterogenen und schwer zugänglichen Daten aus der Anwendung unterschiedlichster Software-Lösungen intelligent nutzbar zu machen sowie Schnittstellenverluste zu reduzieren. [12] Auf der anderen Seite besteht die Idee, die Überwachung der Bauausführung mittels einer KI-gestützten Ist-Situationsüberwachung durch Bildmaterial aus Kamerasystemen, Smartphones oder Tabletcomputern zur technischen und kaufmännischen Qualitätssicherung zu verbessern. [13]

Datenerhebung

Die Zielsetzung der wissenschaftlichen Datenerhebung liegt auf der Identifikation von Anwendungsfeldern für den Einsatz der KI in der Baustellenlogistik. Somit können Grundlagen und Denkanstöße zur zukünftigen Weiterentwicklung des Forschungsgebiets geschaffen werden. Hierzu wurden vier halbstrukturierte Leitfadeninterviews mit offenen sowie geschlossenen Fragestellungen im Dezember 2022 durchgeführt. Als Gesprächspartner wurden Experten aus dem Bereich der Baulogistik ausgewählt.

Jedes identifizierte Anwendungsfeld wird durch neun Untersuchungskriterien beschrieben. Hierbei gliedert sich der Aufbau in drei Untersuchungskriterien, denen je eine Textantwort (T) zugeschrieben ist. Die restlichen sechs Untersuchungskriterien werden anhand des folgenden Bewertungsrahmens (B) beurteilt und mit Begründungen der Baulogistikexperten belegt. Demnach besteht der Leitfaden aus sechs geschlossenen Fragen mit gleichen Antwortkategorien nach den Bewertungseinheiten und drei offenen Fragestellungen, die individuell beantwortet werden konnten.

Nachstehend sind die verwendeten Untersuchungskriterien einzeln aufgeführt.

Aktueller Stand (T): Als aktueller Stand wird die gegenwärtige Situation verstanden, die die heutige Ausführung des Anwendungsfeldes ohne den Einsatz von KI in der Baulogistik beschreibt.

Zukünftiges Szenario (T): Das Kriterium des zukünftigen Szenarios stellt die angenommene Situation nach. Hierbei wird das identifizierte Anwendungsfeld nach den Vorstellungen der Experten erläutert und die zukünftige Verwendung veranschaulicht.

Realisierbarkeit / Durchführbarkeit (B): Unter der Realisierbarkeit ist die technische Machbarkeit eines identifizierten Anwendungsfeldes zu verstehen.

Qualitative Auswirkungen auf baulogistische Prozesse (B): Aus dem identifizierten Anwendungsfeld können qualitative Auswirkungen auf die baulogistischen Prozesse resultieren. Mithilfe des Untersuchungskriteriums werden Einsatzbereiche in Bezug auf die Qualität betreffende Konsequenzen beurteilt.

Zeitliche Auswirkungen auf Baulogistikprozesse (B): Bei diesem Untersuchungskriterium wird für das Anwendungsfeld beschrieben, inwieweit dieses die Baulogistikprozesse zeitlich beeinflusst.

Ressourceneinsparung (B): Ressourcen beziehen sich in der Wirtschaft auf immaterielle und materielle Güter. Dazu zählen beispielsweise Energie, Geld, Betriebsmittel, Rohstoffe sowie Menschen, die bestimmten Zwecken und Zielen folgen. Hier soll bewertet werden, ob der Einsatz von KI zu einer Senkung von Ressourcen führt.

Kosten: Entwicklung (B): Mittels des Untersuchungskriteriums sollen die finanziellen Aufwendungen, die für die Entwicklung des Anwendungsfeldes entstehen, betrachtet und eingeschätzt werden.

Kosten: Laufender Betrieb (B): Neben den bereits erwähnten Entwicklungskosten beschreibt dieses Untersuchungskriterium die finanziellen Aufwände während der Nutzungsphase.

K.-o.-Kriterium (T): In diesem Zusammenhang zählen zu den K.-o.-Kriterien jegliche Angaben, die bei Eintritt das Scheitern des betroffenen Anwendungsfelds nach sich ziehen.

Untersuchungsergebnisse

Die nachfolgende Auflistung stellt zunächst eine Übersicht der 14 identifizierten Anwendungsfelder auf Basis der Experteninterviews dar. Hierbei liegt der Fokus auf der Erläuterung der derzeitigen baupraktischen Vorgehensweise sowie der angedachten zukünftigen KI-Entwicklung. Dabei sind gleiche bzw. ähnliche Anwendungsfelder zusammengefasst und den grundlegenden baulogistischen Handlungsfeldern zugeordnet.

Versorgungslogistik

Baustellenanlieferung: Die projektbeteiligte Firma führt aktuell eigenverantwortlich den Prozess zur Anmeldung eines Lieferfahrzeugs durch. Ob dieser Anlieferzeitpunkt jedoch sinnvoll ist, bleibt fraglich. Somit kann der Baulogistiker derzeit nur auf die Anmeldungen und die damit übermittelten Daten reagieren. Jedoch könnte die Dringlichkeit von Materiallieferungen bei einem anderen Gewerk liegen. Mit einer KI-gestützten Prüfung, können die Materialmassen und bestmöglichen Anlieferungstermine aus beispielsweise dem Building Information Modeling (BIM) für die Entscheidung des Baulogistikers herangezogen werden. Somit wäre eine (teil)automatisierte und vorausschauende Planung und Prüfung der Materialanlieferung möglich.

Lagerflächen: Ein Baustelleneinrichtungsplan wird häufig während der Planungsphase erstellt und beinhaltet unter anderem die Positionierung und Größe von Lagerflächen. Aufgrund ständig wechselnder Baustellengegebenheiten ändert sich die Lagerflächensituation sehr dynamisch, sodass auf den ursprünglichen Baustelleneinrichtungsplan nicht mehr zurückgegriffen werden kann. Durch die Verwendung von Kamerasystemen mit integrierter KI-Bilderfassung soll es möglich werden, den Status der Lagerflächen in Echtzeit zu erkennen, neue Lagerflächen zu identifizieren und Vorschläge für die materialbedingte Lagerflächennutzung hervorzubringen.

Navigation und Transportwegeführung: Transport- und Laufwege für beispielsweise Lkw-Fahrer und Baustellenmitarbeiter sind derzeit auf Baustellen nur sehr rudimentär und statisch dargestellt. Daher könnten mit einer KI-gestützten Routenplanung Wegezeiten optimiert und den stetig wechselnden Baustellengegebenheiten transparent angepasst werden.

Transportroboter: Der derzeitige Materialtransport auf der Baustelle erfolgt hauptsächlich durch den Logistiker in Verwendung mit einem geeigneten Transportmittel. Zukünftig sollen KI-gesteuerte „Roboter-Transportmittel“ eingesetzt werden, die mit Material beladen selbstständig zum jeweiligen Verbringungsort fahren, um das beladene Material zu einem definierten Übergabepunkt zu transportieren.

Auswertung von Ressourcen: Heutzutage werden mehr Ressourcen (z.B. Schalungselemente) bestellt, als notwendig sind, da kein genaues Wissen darüber herrscht, wie viel Material bereits vor Ort zur Verfügung steht. Das verantwortliche Personal schätzt lediglich den Bestand gegenüber dem benötigten Material grob ab. Die KI kann über Kamerasysteme feststellen, welche Ressourcen auf der Baustelle vor Ort sind. Parallel zur Nachverfolgung des Standorts und der Menge, gibt die KI Aufschluss über hinterlegte Zuordnungen zur Verwendung und Einsatzzeit.

Entsorgungslogistik

Ordnung und Sauberkeit: Zur Sicherstellung der Ordnung und Sauberkeit auf der Baustelle finden derzeit periodische Baustellenbegehungen statt. Abfallverunreinigungen (z.B. Materialabschnitte, Verpackungsmüll, Essensabfälle, etc.) werden dokumentiert und dem Verursacher zur Beräumung angewiesen. Zukünftig ist es denkbar, dass die Erfassung und Beräumungskontrolle der Abfallverunreinigungen automatisiert durch KI-gestützte Bildaufnahmen durchgeführt werden können.

Saugroboter: Momentan werden Bauprojekte vielfach händisch mit Hilfe von Industriestaubsaugern gereinigt. Diese Aufgabe können zukünftig KI-gesteuerte Saugroboter übernehmen. Mittels eines integrierten Kamera- und Sensorsystems ist es ihre Aufgabe, die Baustelle von Verunreinigungen und Staub zu reinigen.

Entsorgungsbehälter: Die gegenwärtige Erfassung der Füllstände von Entsorgungsbehältern erfolgt in der Regel durch visuelle Kontrollen des Baustellenpersonals. Zukünftig ist es denkbar, dass unter anderem mit KI-gestützten Kamerasystemen die Füllstände der Entsorgungsbehälter geprüft und durch den Abgleich der bevorstehenden Bauprozesse eine zeitliche Entleerungsempfehlung hervorgebracht wird.

Abfallmenge und Abfallfraktion: Auf einigen Baustellen ist es derzeit möglich, Abfälle direkt in einem Wertstoffhof auf der Baustelle abzugeben. Die Abschätzung der Abfallmenge und Abfallfraktion erfolgt hierbei durch verantwortliches Baustellenpersonal. Durch die Entwicklung einer KI-gestützten Abfallsortieranlage könnten Baustellenabfälle anhand einer Bilderkennung automatisiert nach den einzelnen Abfallfraktionen getrennt werden. Zudem werden so die Entsorgungsmassen verursachergerecht und transparent dokumentiert.

Personenlogistik

Persönliche Schutzausrüstung: Die Kontrolle der von den Baustellenmitarbeitenden getragenen persönlichen Schutzausrüstung, wie beispielsweise Sicherheitsschuhe, Sicherheitshelm oder auch Warnweste, erfolgt derzeit beim Baustellenzutritt in der Regel nur sehr rudimentär. Um die Einhaltung dieser Schutzmaßnahmen aber standardisiert zu prüfen, wäre es zukünftig vorstellbar, dass eine KI-gestützte Bilderkennung die Daten von Kamerasystemen im Eingangsbereich einer Baustelle analysiert. Sollte die persönliche Schutzausrüstung von einem Baustellenmitarbeitenden nicht vollständig getragen oder all-gemein Mängel aufweisen, kann der Baustellenzutritt technisch (durch die Sperre eines Drehkreuzes) oder personell (durch entsprechende Information an einen Sicherheitsdienst) unterbunden werden.

Dokumentenprüfung: Zur Zutrittsfreigabe für Unternehmen und deren Mitarbeitenden werden auf einige Bauvorhaben diverse personenbezogene Angaben sowie Dokumente eingesehen und geprüft. Die Prüfung dieser Dokumente kann derzeit, unter anderem aufgrund der benötigten Prüfzeit und des „täuschungsechten Erscheinungsbildes“, nur oberflächlich erfolgen. Fälschungen und Falschangaben bleiben meist unentdeckt. Durch eine KI-gestützte Dokumentenerkennung könnte eine automatisierte und tiefgreifendere Überprüfung dieser personenbezogenen Angaben und Dokumenten erfolgen.

Baustelleninfrastruktur

Baulogistische Planung: Derzeit basiert die baulogistische Planung häufig auf Kennzahlen aus abgeschlossenen Altprojekten. Die Planungsqualität ist vielmals abhängig von den Erfahrungen des Planers. Mit der KI sollen zukünftig Materialbedarfe aus BIM-Modellen identifiziert und Baustelleneinrichtungspläne generiert werden. Somit lassen sich Handlungsempfehlungen für die baulogistischen Prozesse ableiten.

Sonstige Leistungen

Virtual-Reality-Brille (VR-Brille): Das Verbringen von Baumaterial von der Lagerfläche zur Einbaustelle erfolgt häufig auf Basis einer arbeitstäglichen Logistikbesprechung und der Verteilung von physischen Transportaufträgen vielmals als Handzettel. Durch die zukünftige Nutzung von VR-Brillen sollen alle Transportdaten sowie die Tagessollvorgabe digitalisiert dem Transporteur zur Verfügung stehen. Zudem fungiert die Brille als Navigationssystem und führt den Logistiker zielgerichtet auf der Baustelle umher, um beispielsweise den Lagerort des zu verbringenden Materials zu finden. Weiterhin kann eine VR-Brille die Qualität der Arbeitsschritte messen und überprüfen.

Baufortschrittskontrolle: Die Baufortschrittskontrolle wird heutzutage hauptsächlich vom Bauleiter durchgeführt, indem er die Ist-Zustände der Baustelle beobachtet und regelmäßig den Soll-Terminplan aktualisiert und anpasst. Somit erkennt der Bauleiter anfallende Abweichungen. Zukünftig soll die KI den Ist-Zustand durch Auswertung von Bild- und Tonaufnahmen mit dem Soll-Zustand des BIM-Modells abgleichen. Dadurch können Abweichungen automatisiert erkannt, der Baufortschritt transparent dargestellt und die Fortschreibung des Terminplans durchgeführt werden.

Betrachtung der weiteren Untersuchungskriterien

Zusätzlich zur Beschreibung der derzeitigen baupraktischen Vorgehensweise sowie der angedachten zukünftigen KI-Entwicklung wurden durch die Experteninterviews, wie bereits erwähnt, noch weitere Untersuchungskriterien zu den einzelnen Anwendungsfeldern untersucht. In Abbildung 3 sind die Realisierbarkeit, die qualitativen und zeitlichen Auswirkungen auf die baulogistischen Prozesse sowie die Abschätzung der Ressourceneinsparung (z.B. in Form von Personal oder Material) dargestellt. Es ist ersichtlich, dass die Experten nahezu allen identifizierten Anwendungsfeldern in den einzelnen Kategorien gute bis sehr gute Merkmale zutrauen. In nur wenigen Fällen ist eine schlechte Merkmalausprägung oder Enthaltung angegeben.

2 Zusammenstellung von ausgewählten Untersuchungskriterien
© Michael Denzer / HBC Hochschule Biberach

2 Zusammenstellung von ausgewählten Untersuchungskriterien
© Michael Denzer / HBC Hochschule Biberach

Ergänzend zur vorgenannten Zusammenstellung wurden durch die Experten folgende bedeutende K.-o.-Kriterien genannt, die eine Umsetzung der identifizierten Anwendungsfelder verhindern bzw. erschweren könnten:

Handhabung und Verarbeitung von großen Datenmengen

Datenübertragung zwischen Ort der Datenerfassung und der datenverarbeitenden KI-Anwendung

Akzeptanzprobleme der Baustellenmitarbeitenden.

Die Untersuchungskriterien der Entwicklungs- und Betriebskosten können an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Grund dafür ist die starke Interpretationsvariation der Experten in Bezug auf diese Kriterien.

Schlussbetrachtung

Zusammenfassend ist erkennbar, dass der Einsatz von KI im Bereich der Baulogistik zahlreiche Verbesserungen und Innovationen mit sich bringen kann. Durch die durchgeführten vier Experteninterviews konnten in Summe 14 Anwendungsfelder identifiziert und beschrieben werden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass darüber hinaus noch weitere sinnhafte Anwendungsfelder bestehen können. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind als Darstellung einer Zielvision zu sehen, sodass die einzelnen Anwendungsfelder in zukünftigen Forschungsvorhaben weiter ausformuliert werden müssen. Insbesondere die Frage nach der technischen und wirtschaftlichen Realisierbarkeit bleibt aktuell noch im Detail unbeantwortet.

Die Inhalte dieses Beitrags resultieren aus der bisher unveröffentlichten Bachelorarbeit von Frau Tanja Rollbühler im Studiengang Bau-Projektmanagement an der Hochschule Biberach.

Quellenverzeichnis
[1] Ertel, Wolfgang (2016). Grundkurs Künstliche Intelligenz. Eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: Springer Vieweg. S.1.
[2] Paass, Gerhard/Hecker, Dirk (2020). Künstliche Intelligenz. Was steckt hinter der Technologie der Zukunft? Wiesbaden:
Springer Vieweg. S. 12.
[3] Scheuer, Dennis (2020). Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz. Grundlagen intelligenter KI-Assistenten und deren vertrauensvolle
Nutzung. Wiesbaden/[Heidelberg]: Springer Vieweg. S. 12-13.
[4], [6] Paass, Gerhard und Hecker, Dirk (2020). Künstliche Intelligenz. Was steckt hinter der Technologie der Zukunft? Wiesbaden:
Springer Vieweg. S.10-12.
[5] Ertel, Wolfgang (2016). Grundkurs Künstliche Intelligenz. Eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: Springer Vieweg. S. 12.
[7] O. V. (o. D.). Künstliche Intelligenz: Ende oder Anfang? URL: https://www.landdergesundheit.de/fortschritt/kuenstliche-intelligenz- ende-anfang (18.04.2023).
[8] Science Media Center Germany gGmbH (2022). Künstliche Intelligenz – Stand der Forschung und Förderung in Deutschland.
URL: https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/press-briefing/details/news/kuenstliche-intelligenz-stand-der-
forschung-und-foerderung-in-deutschland/ (18.01.2022).
[9] Ertel, Wolfgang (2016). Grundkurs Künstliche Intelligenz. Eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: Springer Vieweg. S. 16.
[10]  Pretzlaff, Harry (2020). Das Roboterauto kämpft mit viel Gegenwind. URL: https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.zukunft- der-mobilitaet-das-roboterauto-kaempft-mit-viel-gegenwind.428a4bf7-46b0-41ed-a29a-941459a04545.html?reduced=
true (25.04.2023).
[11] Winkler, Wolf (o. D.). Automatische Planung von Solaranlagen. In dida. URL: https://dida.do/projects/automatic-planning-of-solar-
systems (25.04.2023).
[12] Institut für Technologie und Management im Baubetrieb (TMB) Karlsruher Institut für Technologie (KIT) (Hrsg.) (o. D.). Das SDaC-
Konzept. URL: https://sdac.tech/ (25.04.2023).
[13] Actimage GmbH (Hrsg.) (2020). ESKIMO-Mit künstlicher Intelligenz die Baustelle genau im Blick.
URL: https://www.eskimo-projekt.de/#projekt (25.04.2023).
x

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