Ein wichtiger Beitrag
der Baulogistik
Die Relevanz der Baulogistik rückt zukünftig immer mehr in den Vordergrund. Die Frage nach der Ausnutzung der Baulogistikpotentiale gewinnt wissenschaftlich wie auch in der Praxis immer mehr an Bedeutung.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Shervin Haghsheno,
Dipl.-Ing. (FH) Michael Denzer, MBA, Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Dipl.- Ing. Jérôme Bergmann, Weisenburger Bau GmbH
Bei der Planung und Realisierung von Bauprojekten rückt das Thema Baulogistik verstärkt in den Fokus der Beteiligten (1). Mittlerweile wurde das Optimierungspotential durch die Baulogistik in der Baubranche erkannt. Sie entwickelt sich zu einem zunehmend wichtigen Wettbewerbsfaktor. Immer öfter wird eine Baulogistikplanung vom Auftraggeber von Beginn an gefordert oder spezielle Randbedingungen der Bauvorhaben, wie im Falle von komplexen innerstädtischen Baustellen, machen sie unabdingbar für die erfolgreiche Realisierung eines Projekts (2). Sie hat direkten Einfluss auf die Kosten, die dem Auftraggeber für die Erstellung des gewünschten Bauwerks entstehen. Die Prozesse in der Bauproduktion verursachen aber gleichzeitig auch volkswirtschaftliche Kosten, die sich beispielsweise in Form von Infrastrukturschäden zeigen. Diese Kosten wiederum fallen nicht den Verursachern - in diesem Fall dem Auftraggeber und den beteiligten Bauunternehmen - zur Last.
Solche zusätzlichen volkswirtschaftlichen Kosten werden externe Kosten genannt und erwachsen aus den externen Effekten der Handlungen von Wirtschaftssubjekten. Allgemein ausgedrückt liegt ein externer Effekt dann vor, wenn der Nutzen (Nutzen steht hier für positive oder negative Auswirkungen) eines Wirtschaftsakteurs unmittelbar von den Handlungen eines Anderen beeinflusst wird (3). Dies kann in manchen Fällen dazu führen, dass Dritten Kosten entstehen, die jedoch nicht vom Verursacher ausgeglichen bzw. erstattet werden. Daraus ergibt sich eine Differenz zwischen den privaten Kosten des handelnden Wirtschaftsakteurs und den der Volkswirtschaft entstehenden sozialen Kosten. Diese Differenz wird als externe Kosten bezeichnet und lässt auf das Ausmaß des externen Effekts schließen (4). Abbildung 1 veranschaulicht diesen Zusammenhang.
Derartige kostenverursachende externe Effekte sind in vielen bauwirtschaftlichen Prozessen vorhanden, die durch die Querschnittsfunktion Baulogistik durchdrungen werden. Somit besteht die Möglichkeit zu einer positiven Einflussnahme auf die Entstehung dieser externen Kosten durch die Baulogistik.
„Die Baulogistik befasst sich […] mit der Planung, Ausführung und Steuerung von Material-, Personal- und Informationsflüssen unter dem Gesichtspunkt einer optimierten baubetrieblichen Leistungserstellung hinsichtlich Terminen, Kosten und Qualitäten unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Sicherheit und Gesundheitsschutz sowie ökologischen Aspekten.“ (5) Sie unterstützt die Bauproduktion derart, dass die zuvor erstellte Bauablaufplanung eingehalten werden kann oder sogar eine Verbesserung der Abläufe stattfindet (6). Hierbei bietet die enge Verflechtung der logistischen Prozesse mit denen der Bauausführung die Möglichkeit einer direkten positiven Einflussnahme. Abbildung 2 zeigt die phasenspezifische Unterteilung der Logistik in Versorgungs-, Baustellen-, Entsorgungs-, und Informationslogistik.
Es ist zu erkennen, dass die Transferprozesse aller zum Bauen benötigten Produktionsfaktoren im Vordergrund stehen. Dies ist überwiegend mit einem hohen Maschineneinsatz verbunden. Gerade im Maschineneinsatz ist die Hauptursache der meisten externen Effekte der Bauproduktion zu sehen. Folglich hat die Baulogistik einen direkten Einfluss auf die daraus entstehenden externen Kosten.
Externe Effekte und ihre Ursachen
Die bedeutendsten externen Effekte und ihre Ursachen bzw. ihr Vorkommen sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Nachfolgend wird erläutert, wie die genannten externen Effekte zu externen Kosten führen:
Die Verbrennung fossiler Brennstoffe, die z.B. im Zuge der Stromerzeugung, der Baustoffproduktion oder des Betriebs der Baumaschinen stattfindet, führt zur Umweltschädigung durch Emission von Treibhausgasen und weiteren Luftschadstoffen wie bspw. Stickoxide (NOx) oder Schwebstaub (PM10). Wenngleich sich der Wissensstand der Klimaforschung fortlaufend verändert, so wird der Klimawandel bzw. die Erderwärmung maßgeblich auf den anthropogenen Ausstoß an Treibhausgasen zurückgeführt (8). Daneben haben die weiteren emittierten Luftschadstoffe negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, können aber auch zu Schäden an Bauwerken und Sachgütern führen (9).
Lärm ist ein subjektives Belästigungsgefühl, sodass jeder Mensch einen anderen Schalldruckpegel als störend empfindet. Er hat negative Auswirkungen auf das psychische, körperliche und soziale Wohlbefinden der Menschen, woraus medizinische Kosten und Risiken, aber auch eine Zahlungsbereitschaft für Lärmschutz erwachsen (10). Lärmemissionen sind unweigerlich mit der Bauproduktion verbunden und haben zahlreiche Quellen, die sich in und um eine Baustelle konzentrieren und sich z.T. überlagern. Die Umgebung als auch die Baubeteiligten sind demnach einer erheblichen Belastung durch den „Baulärm“ ausgesetzt.
Baustellenbedingte Stausituationen treten häufig durch die Sperrung von Verkehrsflächen zur Vergrößerung des Baufelds oder zur Instandsetzung von Infrastrukturbauwerken auf. Auch das erhöhte Verkehrsaufkommen durch den Lieferverkehr für eine Baustelle kann ein Stauauslöser sein. Diese Staus erzeugen volkswirtschaftliche Kosten beispielsweise in Form von erhöhten gesundheitlichen Belastungen durch Abgase und Stress, erhöhtem Kraftstoffverbrauch und Zeitverlusten, die z.B. auch zu erhöhten Betriebskosten durch Pufferzeiten in Logistikketten führen.
Der LKW-Verkehr stellt sich aufgrund der hohen Achslasten und der dadurch erzeugten Schwingungen als ausschlaggebende Beanspruchung der Infrastruktur dar. Die Abnutzung der Straßen steigt mit der vierten Potenz der Achslast, sodass ein LKW mit 10 Tonnen Achslast die Straße 160.000 Mal stärker beansprucht als ein PKW mit 0,5 Tonnen Achslast (11). Daraus folgt, dass der Verschleiß der Infrastruktur mit steigenden Achslasten und zunehmendem Schwerlastverkehr erheblich wächst. Die Bauproduktion ist in hohem Maße auf den Schwerlastverkehr angewiesen und verursacht auf diese Weise eine zusätzliche öffentliche Infrastrukturbelastung. Diese können beispielsweise Straßenschäden (in Form abgenutzter Fahrbahndecken und Spurrillen), Rissbildung bei Brücken, abplatzender Putz an Gebäuden oder Kanalisationsschäden verursachen.
Einflussmöglichkeiten in den Phasen der Baulogistik
Als wichtige Handlungsfelder zur Reduzierung externer Kosten werden nachfolgend die Einflussmöglichkeiten in den baulogistischen Phasen auf die genannten externen Effekte dargestellt:
Die Versorgungslogistik hat die Aufgabe, der Baustelle alle notwendigen Produktionsfaktoren zuzuführen (12). Sie beginnt bereits mit den Transporten der Baustelleneinrichtung und passt sich stets der jeweiligen Bauphase an. Die Einsparung oder Optimierung damit verbundener Transporte kann folglich die Luftverschmutzung, die Lärmbelästigung und Infrastrukturbelastung verringern. Eine verkehrs- und tageszeitangepasste Fahrroutenplanung verbunden mit einer Zeitfenstervergabe für Transporte kann zudem Stausituationen sowie damit verbundenen Zeitverluste reduzieren.
Unter der Baustellenlogistik sind alle logistischen Vorgänge auf dem Baugelände zu verstehen, zu denen ebenfalls sämtliche Transferbewegungen – vor allem der Baumaterialien - im Zusammenhang mit Transport, Umschlag und Lagerung zählen (13). Hier wird eine Produktivitätssteigerung der vorhandenen Baumaschinen durch Minimierung ihrer Stillstandzeiten angestrebt, sodass das Arbeitsvolumen mit weniger Betriebsstunden bewältigt werden kann. Hierbei werden Lärm- und Schadstoffemissionen eingespart. Zudem kann eine Optimierung der Lagerhaltung das Baufeld verkleinern und damit etwaige Straßensperrungen vermeiden, die sonst das Staupotential erhöhen. Analog zur Versorgungslogistik befasst sich die Entsorgungslogistik unter Anderem mit der Rückführung aller zugeführten Produktionsfaktoren. Sie regelt ebenfalls die Verwertung und Beseitigung aller anfallenden Baureststoffe, zu denen Schutt, Abfälle, Bodenaushub und Sonderabfälle zählen (14). Eine Verringerung der Stoffmengen und ein optimiertes Abfallmanagement sparen Lagerflächen, Transportfahrten sowie vor- und nachgelagerte Prozesse der Baustoffproduktion ein.
Jeder dieser Logistikbereiche wird von der Informationslogistik durchdrungen. Sie steuert den Fluss an Informationen, welcher zur Steuerung, Durchführung und Kontrolle aller Bereiche erforderlich ist, und hat damit entscheidenden Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg der gesamten Baulogistik (15).
Fazit und Ausblick
Die Optimierung der Bauproduktion durch die Baulogistik hat nicht nur einen großen Einfluss auf die dem Bauherrn entstehenden (privaten) Kosten, sondern ebenso entscheidend auf die der Volkswirtschaft zusätzlich entstehenden externen Kosten. Dieses Verständnis gilt es stärker in den Fokus aller Beteiligten zu rücken, um eine Sensibilisierung für die an dieser Stelle verursachten erheblichen volkswirtschaftlichen Belastungen zu schaffen. Auch wenn die Berücksichtigung der Baulogistik bei Bauvorhaben kleineren Umfangs nicht rentabel erscheint, ist erkennbar, dass die Summe der Einzeleffekte große volkswirtschaftliche Relevanz hat. Besondere Verantwortung besitzt hierbei die Öffentliche Hand, da sie zusätzlich zu ihrer Rolle als Auftraggeber, auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft hat. Zukünftig rückt die Relevanz der Baulogistik immer mehr in den Vordergrund. Die Frage nach der Ausnutzung der Baulogistikpotentiale gewinnt wissenschaftlich wie auch in der Praxis immer mehr an Bedeutung.
Quellenverzeichnis
(10) Bickel, P. (2005). „Externe Grenzkosten verkehrsbedingter Umwelt- und Gesundheitsrisiken: Eine orts- und situationsabhängige Analyse auf Basis des Wirkungspfadansatzes.“ Nomos Universitätsschriften, Wirtschaft, Band 58. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden.
Clemens, R. (2010). „Rudi Clemens: Baumaschinen mit Partikelfiltern sind „Stand der Technik“ und längst vorgeschrieben.“ Gesunde-Bauarbeit, Heinsberg.
http://www.openpr.de/pdf/433832/Rudi-Clemens-Baumaschinen-mit-Partikelfiltern-sind-Stand-der-Technik-und-laengst-vorgeschrieben.pdf (abgerufen am 02.04.14)
(7, 8, 13, 16) Deml, A. (2008). „Entwicklung und Gestaltung der Baulogistik im Tiefbau: Dargestellt am Beispiel des Pipelinebaus.“ Verlag Dr. Kovač, Hamburg.
(5) Fritsch, M., Wein, T., Ewers, H.-J. (2007). „Marktversagen und Wirtschaftspolitik: Mikroökonomische Grundlagen des staatlichen Handelns.“ Verlag Franz Vahlen, München.
(12) Herz, N. (2012). „Infrastrukturschäden durch den Straßengüterverkehr.“ Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Bonn.
http://www.forschungsinformationssystem.de (abgerufen am 16.08.2013).
(2) Krauß, S. (2005). „Die Baulogistik in der schlüsselfertigen Ausführung.“ Bauwerk Verlag, Berlin.
Krauß, S. (2006). „Organisationsmodelle für die Baulogistik in Deutschland.“ in „Baulogistik – Konzept für eine bessere Ver- und Entsorgung im Bauwesen.“ Verlag Praxiswissen, Dortmund.
Norddeutscher Rundfunk. (2013). „A-7-Ausbau: Zusätzliche Züge gegen den Stau.“ Norddeutscher Rundfunk, Hamburg.
http://www.ndr.de/regional/schleswig-holstein/autobahnausbau109.html (abgerufen am 02.04.14)
nw-news.de. (2011). „Speditionen wehren sich gegen Schlagloch-Maut.“ Internetdienst des Zeitungsverlags Neue Westfälische GmbH & Co. KG, Bielefeld.
http://www.nw-news.de/owl/4192403_Speditionen_wehren_sich_gegen_Schlagloch-Maut.html (abgerufen am 02.04.14)
Mitteldeutscher Rundfunk. (2013). „Stress für die Ohren.“ Mitteldeutscher Rundfunk, Leipzig.
http://www.mdr.de/sachsenspiegel/ratgeber/laerm132.html (abgerufen am 02.04.14)
(9, 11) Puls, T. (2009). „Externe Kosten am Beispiel des deutschen Straßenverkehrs: Ökonomisches Konzept, politische Relevanz, praktische Möglichkeiten und Grenzen.“ Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien, Köln.
(1, 6, 14, 15) Schach, R., Schubert, N. (2009). „Logistik im Bauwesen.“ Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden, 58(1), 59-63.
(4) Sturm, B., Vogt, C. (2011). „Umweltökonomik: Eine anwendungsorientierte Einführung.“ Springer-Verlag, Berlin ; Heidelberg.
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