Beschleuniger im Straßenbau
Kosten und Zeit sparende Fertigteil-Stützmauern zur BöschungssicherungBei der Höhenfreimachung ergab sich durch das Verwenden von Stützwänden aus Fertigteilen mit Natursteinvorsatz nicht nur ein Zeitgewinn, sondern auch eine Kostenersparnis in Millionenhöhe auf einer Baustrecke von gerade einmal 321 Metern.
Seit Juni 2018 läuft die Maßnahme, um einen Knotenpunkt zweier Staatsstraßen bei Ingolstadt zu entflechten. Wo zuvor das hohe Verkehrsaufkommen durch Ampeln geregelt wurde und regelmäßig durch Staus zum Erliegen kam, rollen nun die Fahrzeuge kreuzungsfrei an der Gemeinde Hepberg vorbei. Möglich ist das durch Absenken der Staatsstraße St 2335 zwischen A9 und Audi-Werk um sechs Meter. Quer dazu entstand eine Brücke zur Überführung der Verbindung von Hepberg nach Lenting auf dem Niveau der bestehenden St 2229. Die ARGE Berger Bau & Richard Schulz als Auftragnehmer vergab die Hangstützkons-truktionen an Glatthaar-Technology aus Schramberg im Schwarzwald, Spezialist für Fertigteile mit Natursteinvorsatz. Diese ließen sich flexibel, kurzfristig und abschnittsweise montieren, je nach Baufortschritt und Verkehrsführung – „just in time“ sozusagen.
Natursteinvorsatz inklusive
Heinz Necker, Inhaber des Ingenieurbüros Kronenbitter aus Horb a. N. hat maßgeblichen Anteil am Erfolg der neuartigen Bauweise. Nach seinen Planungen wurde in zwei Werken gefertigt und vor Ort gebaut. Die konventionelle Lösung in Ortbeton müsste dagegen, um qualitativ gleichwertig zu sein, in einem Zuge hergestellt werden. Das würde mehr Zeit kosten und wäre abhängig von der Witterung. Die Ansichtsflächen, ursprünglich als strukturierte Sichtbeton-Oberflächen geplant, sind nun durch die Fertigteilbauweise trotz geringerer Kosten mit edlem Naturstein belegt. Für die „Höhenfreimachung südlich Hepberg“, so die offizielle Bezeichnung der Baustelle, wurde vom Staatlichen Bauamt Ingolstadt der regional typische Dolomit-Stein ausgewählt. Er stammt aus den Stein- und Schotterwerken Geiger und ist beständig gegen Frost und Tausalz. Im Prozess der Fertigteil-Herstellung verband er sich unlösbar mit Stahlbewehrung und Beton. Und die Produktion in den Fabrikhallen konnte bei jeder Witterung termingenau erfolgen. Das Fazit der Planer und Bauleiter aus Ingolstadt: „Die Logistik rund um die Wandherstellung funktionierte einwandfrei. Die Firmen Glatthaar aus Schramberg und Lizenznehmer für Fertigteile Huber aus Rötz in der Oberpfalz lieferten die Fertigteile mit entsprechendem Vorlauf zum Aufstelltermin. Auch die Montage selbst war problemlos und wurde von Glatthaar-Technology begleitet“.
Einsparung gegenüber Regelpreis 45 Prozent
Die letzten der insgesamt 150 Stützwände wurden Ende 2019 im südlichen Bauabschnitt montiert. Die für die Straßenbaumaßnahme verantwortliche Baurätin Elena Merk stellte fest: „Die Qualität der Wandelemente, die auch optisch überzeugen, ist sehr gut. Sowohl unsere Mitarbeiter als auch Anwohner haben dem Staatlichen Bauamt durchweg positive Rückmeldungen gegeben.“ Zu den Kosten, die laut Regelpreis des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr für vergleichbare Stützwände herkömmlicher Bauart 2.750 Euro pro Quadratmeter Ansichtsfläche betragen, nannte Merk hier 1.500 Euro, also eine Einsparung von rund 45 Prozent. Die Regelpreise dienen als Hilfestellung für die Kostenschätzung im Zuge der Planung. Sie werden aus durchschnittlichen Maßnahmen in Bayern ermittelt und veröffentlicht. Umgerechnet auf die nach Fertigstellung vorhandenen 2.320 Quadratmeter Sichtfläche mit Naturstein beträgt die Kostenersparnis circa 2,9 Millionen Euro – und dies bei schnellerem Bauverlauf, einem weiteren Vorteil in Bezug auf die Dauer der behelfsmäßigen Verkehrsführung und die Belastung der Anwohner.
Logistik und Bauweise
Zeitgleich mit der Herstellung der Wandelemente in den beiden Werken der Hersteller ließ der Generalunternehmer vor Ort das Fundament vorbereiten. Das Verfahren hierzu ist wie die Fertigung der Wände patentiert. Zunächst wurde bei der unteren Stützwandreihe in frostfreier Tiefe mit 14 Zentimeter starken Betonfertigteilen die hintere Seite der zehn Zentimeter hohen Sauberkeitsschicht und des späteren Fundaments als verlorene Schalung abgestellt. An den übrigen Seiten kam konventionelle Schalung zum Einsatz. Die Anschlussbewehrung der Wandelemente ist im so entstandenen Fundamentkasten nach statischen und konstruktiven Erfordernissen durch Betonstahlbügel ergänzt worden. Und leicht erhaben in die Zwischenräume der Bewehrung gesetzt, dienten je zwei Betonblöcke als Auflager für die später gelieferten Stützwände.
Im 30-Minuten-Takt brachten Tieflader die mit Naturstein gebundenen Elemente zum Versetzen. Auf Innenlader-Paletten stehend, vom Lkw vor dem Autokran abgesetzt, wurde beim Anhängen jedes Fertigteil zentimetergenau so justiert und in die Horizontale gebracht, dass es beim Absetzen exakt und schnell auf der Vorderkante des vorbereiteten Fundaments fixiert werden konnte. Danach folgte das Verbinden der Anschlussbewehrung der Wandelemente mit der Fundament-Bewehrung und abschließend das Füllen des Fundamentkastens mit Ortbeton. Die Auflast der nachträglichen Arbeitsraum-Verfüllung über dem Fundament garantiert die dauerhafte Standfestigkeit der so vor Ort entstandenen Winkelstützwände.
Überwachung und Unterhalt
Nach Auskunft der Projektleiterin Elena Merk vom Staatlichen Bauamt Ingolstadt gibt es als Alternative zu Ortbeton bei der Böschungssicherung im Straßenbau eine weitere Technik mit vorgefertigten Elementen: Die Gabionen (Drahtgitterkörbe mit Steinfüllung). „Im Vergleich zur gewählten Lösung der Betonfertigteile mit Natursteinvorsatz ist bei Gabionen der Aufwand für Überwachung und Unterhalt deutlich höher“, stellt sie fest. „Nach RI-EBW-PRÜF zählen Gabionen zu den Bauwerken mit konstruktiven Besonderheiten und unterliegen einer besonderen Prüfpflicht gemäß jeweiligem Prüfhandbuch.“ Das heißt konkret, dass für jedes Gabionen-Bauwerk ein Prüfhandbuch anzufertigen ist, in dem der dafür nötige Prüfzyklus definiert wird. In der Verantwortung des Staatsbauamtes Ingolstadt gibt es Gabionen, die jährlich, und solche, die in größeren Abständen geprüft werden.
Zur üblichen Bewertung hinsichtlich der Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit kommen bei Gabionen laut Merk noch regelmäßige Deformationsvermessungen hinzu. Nach ihrer Einschätzung wären für den laufenden Unterhalt und die Überwachung einer solchen Alternative über viele Jahrzehnte deutlich höhere Kosten als beim gewählten System der Winkelstützwände anzusetzen. Nach der Ablösungsbeträge-Berechnungsverordnung (ABBV) beträgt die theoretische Nutzungsdauer der Drahtgitterkörbe mit Steinfüllung 50 Jahre, diejenige der Stützbauwerke aus Beton/Stahlbeton hingegen mit 110 Jahren mehr als das Doppelte.
Glatthaar-Technology GmbH & Co. KG
www.glatthaar-starwalls.de
Stützbauwerk Böschungssicherung
Objekt: Höhenfreimachung südlich Hepberg, Entflechtung Staatsstraßen St 2335 und St 2229
Vorhabenträger: Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatliche Bauamt Ingolstadt
Generalunternehmer: ARGE Berger Bau SE, Passau & Richard Schulz Tiefbau GmbH & Co. KG, Neuburg/Donau
Montage, Fundamente: Berger Bau SE, Passau
Natursteinlieferung: H. Geiger GmbH Stein- und Schotterwerke, Kinding/Pfraundorf
Hersteller Stützwände: Glatthaar-Technology GmbH & Co. KG., Schramberg, und Georg Huber. Inh. Josef Rappl GmbH & Co. KG, Rötz
Planung, Statik: Ing.büro Kronenbitter, Inh. Heinz Necker, Horb a. N.
Fertigstellung: Ende 2019
Baustrecke mit Stützwänden: 321 Meter in 1-3 Etagen
Anzahl und Höhe der Wände: 150 Stück, Höhe bis 3,70 Meter
Gesamtlänge aller Wände: 866 Meter
Ansichtsfläche aller Wände: 2.660 Quadratmeter
Fläche mit Dolomit-Naturstein: 2.320 Quadratmeter
Beton für Wände und Fundamente: 2.400 Kubikmeter
Betonstahl für Wände und Fundamente: 240 Tonnen
– Ästhetische Eigenschaften des Natursteins und Sicherheit
des Stahlbetons werden kombiniert.
– Maßgenauigkeit und Qualitätssicherung der Fertigteile sind
durch kontinuierliche Kontrolle und Fremdüberwachung im
Werk besser als bei herkömmlichen Herstellungsverfahren
vor Ort.
– Fertigteil-Stützmauern sind bis zu 50 Prozent kosten-
günstiger als herkömmliche Lösungen in Ortbeton.
– Vorfertigung und Montageverfahren senken die Bauzeit um
bis zu 80 Prozent.
– Belastung der Anlieger und Beeinträchtigung des Straßen-
verkehrs verkürzen sich, öffentliche Mittel für Umleitung
und Baustelleneinrichtung werden gespart.
– Im Vergleich zu Gabionen, einer Alternative bei Lösungen
mit vorgefertigten Elementen, ist der Aufwand für Über-
wachung und Unterhalt deutlich geringer – und das über viele Jahrzehnte.
Zur Auswahl stehen für Glatthaar-Starwalls als Natursteinvorsatz regionale Natursteine wie Jurakalk, Muschelkalk, Sandstein oder ein Naturstein nach Wunsch der Bauherrschaft – jeweils in einer Stärke von fünf bis sieben Zentimeter. Die Steinlänge beträgt bis zu 60 Zentimeter oder mehr, die Höhe acht bis 30 Zentimeter, abhängig vom Mauerwerksverband (Zyklop, Bruchstein, hammergerechte bzw. regelmäßige oder unregelmäßige Schichten). Und die Oberfläche? Angeboten wird aus dem Repertoire des Steinmetzhandwerks: gespalten, getrommelt oder bossiert.
Staatliches Bauamt Ingolstadt
Zuständigkeit Fachbereich Straßenbau: Planen, Bauen und Unterhalten der Bundes- und Staatsstraßen in den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen sowie in Teilen der kreisfreien Stadt Ingolstadt. Für die „Höhenfreimachung Hepberg“ verantwortliche Projektleiterin war Abteilungsleiterin M.Eng. Elena Merk. Die Baukosten für das Gesamtprojekt (Spartenverlegung, Straßenbau, Ingenieurbau, Behelfsumfahrung Römerstraße) betrugen circa 11 Millionen Euro. Baubeginn war im Juni 2018, Fertigstellung Mitte 2020.