Die Behinderungsanzeige als Nachweis-Instrument
Was muss die Anzeige der Behinderung beinhalten, um sich als Nachweisinstrument der Kausalität zwischen Ursache und Wirkung von Bauablaufstörungen zu eignen?
Um zeitliche und finanzielle Ansprüche aus einem gestörten Bauablauf geltend machen zu können, muss der Auftragnehmer im Rahmen eines VOB-Vertrages grundsätzlich die Behinderung anzeigen. Festlegungen, welche einzelnen Inhalte in der Anzeige aufgezeigt werden müssen, sind in der VOB/B nicht geregelt. Aus diesem Grund führt nicht nur das Unterlassen, sondern auch ein mangelhafter Inhalt der Behinderungsanzeige zu Streitigkeiten in der Praxis und regelmäßig zu einem Verlust der Auftragnehmeransprüche.
Informations-, Schutz- und Warnfunktion
Die Inhalte der Behinderungsanzeige werden vom BGH festgelegt und richten sich zum einen nach der erforderlichen Informations-, Schutz- und Warnfunktion des Dokumentes[1]. Der Auftragnehmer muss alle Tatsachen darlegen, aus denen sich die Gründe für die Behinderung ergeben und nachvollziehbar erläutern, wie sich diese auf den Bauablauf auswirken[2]. Allgemeine Hinweise darüber, dass der Auftragnehmer in der ordnungsgemäßen Ausführung seiner Leistungen behindert ist, reichen nicht. Vielmehr muss der Auftragnehmer anzeigen, ob und wann er seine Arbeiten hätte ausführen wollen und warum diese nunmehr nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können[3]. Durch diese Schutz- und Warninformationen ist es dem Auftraggeber möglich, den Umfang der Behinderungsfolgen einzuschätzen und die Ursache der Behinderung ggf. abzustellen[4].
Beweisfunktion
Die Behinderungsanzeige muss aber auch eine Beweisfunktion erfüllen. Deren Ziel, so der BGH, ist der Schutz des Auftraggebers vor unberechtigten Behinderungsansprüchen des Auftragnehmers. Die rechtzeitige und ordnungsgemäße Anzeige der Behinderung soll dem Auftraggeber ermöglichen, Beweise für eine in Wahrheit nicht oder nicht im geltend gemachten Umfang bestehende Behinderung zu sichern[5].
Welche Inhalte die Anzeige im Einzelnen umfassen muss, wurde vom Senat nicht explizit erläutert und ist dem Auftragnehmer üblicherweise in der Praxis nicht bekannt. Dabei ist dieser Zweck der Behinderungsanzeige speziell für den Auftragnehmer von besonderer Bedeutung: Um die Darlegungs- und Beweislast zu erfüllen, muss er die Kausalität zwischen Ursache und Wirkung der jeweiligen Bauablaufstörungen nachweisen.
Detailliert dokumentieren
Der Auftragnehmer sollte den Behinderungssachverhalt aus eigenem Interesse in der Behinderungsanzeige detailliert dokumentieren, um den Umfang von Behinderungsschäden - auch zu einem späteren Zeitpunkt – aussagekräftig belegen zu können. Die Leitlinien für den Inhalt der Behinderungsanzeige zum Zweck der Beweisfunktion richten sich daher nach den Anforderungen der aktuellen Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast bei verzögerungsbedingten Ansprüchen des Auftragnehmers. Nach denen muss der Auftragnehmer – vereinfacht – nachfolgende Voraussetzungen erfüllen:
– Nachweis über Umfang und Dauer der Behinderungsursache[6].
– Nachweis über den Ursachenzusammenhang zwischen Behinderungsursache und zeitlicher Behinderungsfolge unter Berücksichtigung von Umständen, welche gegen eine Auswirkung der Bauablaufstörung sprechen[7]. Dieser Nachweis umfasst ggf. auch eine Begründung des Auftragnehmers, warum dieser keine Maßnahmen zur Schadenminderung durchführen konnte[8]. Zudem muss der Auftragnehmer ausschließen, dass Umstände aus seinem eigenem Risikobereich anteilig oder in vollem Umfang nicht zu der entsprechenden Verzögerung geführt haben[9].
– Nachweis über den Ursachenzusammenhang zwischen Behinderungsursache und kapazitären Behinderungsfolgen (Mehraufwand der Kapazitäten)[10].
Aufzeichnungen über den Umfang der Behinderungsursache werden bereits regelmäßig durch die Schutz- und Warnfunktion der Behinderungsanzeige erfüllt. Hier sollten auch genaue Angaben zur Lokalisierung des Störungsbereiches tätigen. Die Störung ist beispielsweise durch Fotos oder durch andere Dokumente (Anordnungen des Auftraggebers oder Planlieferlisten) zu erfassen. Zudem sollte dem Auftraggeber aufgezeigt werden, warum es sich bei dem vorliegenden Umstand um eine Vertragsabweichung handelt und in welchen Risikobereich der Behinderungsgrund einzuordnen ist.
Auch den Beginn der Störungsauswirkung ankündigen
Es reicht nicht, den Aufraggeber in der Anzeige der Behinderung lediglich über das Behinderungsereignis zu informieren. Daher sollte der Auftragnehmer den Auftraggeber zusätzlich über den Beginn der Störungsauswirkung informieren[11]. Hat der hindernde Umstand eine sofortige Verzögerungsauswirkung auf den Bauablauf, kann dies im gleichen Dokument vorgenommen werden. Anderenfalls sollte er den Beginn der Verzögerungsauswirkung in einem zweiten, späteren Schreiben angekündigen.
Durchführbare Ausweichmöglichkeiten dokumentieren
Um den erforderlichen Kausalitätsnachweis weiter zu vereinfachen, sollte der Auftragnehmer durchführbare Ausweichmöglichkeiten dokumentieren und ggf. begründen, warum Maßnahmen zur Schadensminderung, wie beispielsweise Umstellungen des Bauablaufes, nicht möglich sind. So ist auch bei einer späteren Aufbereitung eines Bauzeitennachtrages leicht ersichtlich, auf Grund welchen hindernden Umstandes welche Änderungen im Bauablauf vorgenommen wurden und inwieweit dadurch die Verzögerung abgewendet oder minimiert werden konnte.
Kapazitäre Auswirkungen dokumentieren
Auch die kapazitären Auswirkungen sollten dokumentiert werden, um das Dokument auch für den Nachweis des Ursachenzusammenhanges zwischen Behinderungsereignis und den daraus folgenden Mehraufwendungen des Auftragnehmers zu nutzen. Hierzu muss der Auftragnehmer erläutern, wie er den Einsatz seiner Arbeitskräfte geplant hat, um die entsprechenden Teilleistungen in der geplanten Zeit herzustellen[12]. Anschließend hat er darzulegen, welcher Mehraufwand infolge des Behinderungsereignisses eintritt resp. eintreten könnte[13]. Selbst wenn er die Auswirkungen des hindernden Umstandes zum Zeitpunkt der Behinderungsanzeige teilweise nicht erfassen kann, erleichtern die erläuterten Informationen die Nachweisführung.
Dieses Vorgehen klärt zudem, ob etwa eine Reduzierung der Personalkapazitäten als Reaktion auf den Behinderungssachverhalt vorgenommen wurde. Auseinandersetzungen über eine damit verbundene Eigenverzögerung des Auftragnehmers können in diesem Fall ausgeschlossen werden. Um eine ausreichende Leistungsbereitschaft des Auftragnehmers zum Zeitpunkt des Störungseinstritts zu unterstreichen, sollte er den Auftraggeber in der Anzeige der Behinderung aufgefordern, den vorgeschlagenen Maßnahmen zur Schadensminderung zuzustimmen[14].
Zusammenfassung: Was muss die Anzeige enthalten
Die Anzeige der Behinderung muss sämtliche Tatsachen der Behinderungsursache sowie deren zeitlichen Behinderungsfolgen detailliert aufgezeigen, um der erforderlichen Informations-, Schutz- und Warnfunktion nachzukommen. Darüber hinaus sollte der Auftragnehmer deren Inhalt im Sinne der Beweisfunktion wie folgt ergänzen:
– Information über den Eintrittszeitpunkt der hindernden Auswirkung infolge der Bauablaufstörung.
– Darlegung der kapazitären Auswirkungen der Störung.
– Angaben zu möglichen Ausweichmöglichkeiten des Kapazitäteneinsatzes als Reaktion auf die Bauablaufstörung.
Auch wenn solch eine umfangreiche Anzeige der Behinderung Zeit erfordert, sollten die genannten Inhalte unbedingt aufgezeichnet werden. Gemeinsam bilden diese die Grundlage für eine aussagekräftige Dokumentation zum Behinderungssachverhalt.
Ständige Dokumentation
Für den vollständigen Nachweis zwischen Ursache und Wirkung bei Bauablaufstörungen ist eine ständige Dokumentation der Störungssachverhalte erforderlich. Beispielsweise sollte die „Abmeldung der Behinderung“ im Sinne von § 6 Abs. 3 VOB/B vom Auftragnehmer unbedingt vorgenommen werden, um die Dauer der Behinderungsursache zu belegen. Aber auch Änderungen zum Umfang des Behinderungssachverhaltes, wie der erweitere Einsatz von störungsbetroffenem Personal auf anderen Baustellen, sollten vom Auftragnehmer schriftlich festgehalten werden.