Funktion der ungebundenen Fuge bei Pflasterdecken und Plattenbelägen
Auswahl von ungebundenem FugenmaterialDie Auswahl des Fugenmaterials ist von großer Bedeutung, da eine vollfugige Herstellung der ungebundenen Fuge mit der notwendigen Lagerungsdichte Grundlage für die Funktion einer ungebundenen Pflasterdecke ist.
Ungebundene Pflasterdecken und Plattenbeläge sind nur dann aus technischer Perspektive gebrauchstauglich und können nur dann eine lange Nutzungsdauer aufweisen, wenn
die Fugen hohlraumarm gefüllt sind und
über nahezu den gesamten Querschnitt eine hinreichende Lagerungsdichte des Fugenmaterials vorliegt sowie
eine optimale Lagerungsdichte an der Oberfläche vorhanden ist, so dass der Oberflächenaustrag des ungebundenen Fugenmaterials möglichst auf ein Minimum reduziert wird.
Auswahl des Fugenmaterials
Die Auswahl des ungebundenen Fugenmaterials hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Wahl des Fugenmaterials ist in erster Linie von der Fugenbreite abhängig.
Erfahrungsgemäß sind vollständig gefüllte Fugen mit einer feineren Gesteinskörnung und entsprechender Lagerungsdichte des Fugenmaterials aus technischer Sicht deutlich vorteilhafter gegenüber einer Fugenfüllung aus grober Gesteinskörnung, welche sich im Fugenquerschnitt aufhängen kann, anzusehen. In [6] und [7] ist der Sachverhalt „Durchbruch“ eines vorhandenen „Gewölbes“ bereits beschrieben. Die Fugenbreiten werden in DIN 18318 [1] und in der RiLi [5] beschrieben. In der Planungsphase ist es notwendig, die Fugenbreite vorzugeben. Maßgeblich, aus welcher Gesteinskörnung das Fugenmaterial bestehen soll, sind die zu verwendenden Steine. Hier ist grundsätzlich zu unterscheiden:
1. Handelt es sich um rechteckige Kunststeine (z. B. Betonstein oder Klinkerpflaster) oder aber um allseits gesägte und bearbeitete Natursteine.
2. Bei zahlreichen Anwendungsfällen werden Betonsteine oder auch Klinkerpflastersteine mit einer Verschiebesicherung bzw. Abstandshaltern eingesetzt. Hierbei ist je nach Stein zu beachten, dass diese eine unterschiedliche Anzahl von Verschiebesicherungen bzw. Abstandshaltern aufweisen können. Diese Verschiebesicherung bzw. Abstandshalter führen dazu, dass keine einheitliche Fugenbreite über den Fugenquerschnitt vorhanden ist, sondern s.g. „Fugentaschen“ zwischen den einzelnen Abstandshaltern entstehen, die mit entsprechendem Fugenmaterial gefüllt werden müssen. Abbildung 1 zeigt beispielhaft die oberflächliche Fugenbreite und die s.g. „Fugentaschen“ im Bereich der Abstandshalter bzw. Verschiebesicherung.
3. Bei Natursteinen können auch Steine mit bruchrauen Seitenflächen und Unterseiten zum Einsatz kommen. Sofern die Steine eine bruchraue Seitenfläche besitzen, sollten sie auch eine gebrochene Unterseite besitzen, da ansonsten das Risiko erhöhter Reflektionen („Springen der Steine“) besteht.
Damit das Fugenmaterial sicher, ohne das Entstehen eines Gewölbes, eingebracht werden kann, sollte als praktische Faustformel aus Sicht der Autoren das Größkorn des Fugenmaterials wie folgt definiert werden:
= Größtkorn Fugenmaterial⇥[Formel 1]
Bei der vorliegenden Abbildung 1 sollte die Fugenbreite im Bereich der s.g. „Fugentaschen“ als Grundlage für die Auswahl des Fugenmaterials verwendet werden, da ansonsten das Fugenmaterial nicht hohlraumarm eingebracht werden kann. Bei einer zu groben Fugenfüllung würde es im Betrieb zu einer Fugenentleerung Typ 3 gemäß [7] kommen.
Funktion der ungebundenen Fuge
Bei einer Vollbremsung eines 40 t Sattelzuges auf einer Pflasterfläche, entsteht ein hoher Horizontaldruck in den Fugen, der in seiner Höhe je nach Fugenfüllungsgrad der Fuge unterschiedlich ist.
In Abbildung 2 ist beispielhaft der Verlauf der Druckspannungen bei vollständig gefüllter Fuge und bei Abbildung 3 bei einer im Betrieb vorhandenen Fugenvertiefung (reduzierter Fugenfüllungsgrad) dargestellt. Eine nicht vollständig gefüllte Fuge führt zu erhöhten Druckspannungen im Fugen- und Bettungsmaterial mit der Folge der Entstehung von Verformungen.
Beispielhaft ist die horizontale Belastung in der Fuge in Tabelle 1 rechnerisch dargestellt. Grundlage für die idealisierte Ermittlung der mittleren Druckspannung in der Fuge bei einem Stein der Abmessungen 30/15/10 cm, ohne Berücksichtigung Kraftaufnahme durch Reibungswiderstand Bettung/Stein, ist die eintragende Last von 50 kN über einen Stein. Gemäß Pflaster-Atlas [8] gilt FH = FN x μ ≈ FV x μ mit einem von den Autoren angesetzten Reibungskoeffizienten μ = 0,8.
Spalte 8 und 9 der Tabelle 1 zeigen die auftretenden Druckspannungen ohne Berücksichtigung einer Kraftaufnahme durch den Reibungswiderstand Bettung und Stein. Die Lfd.-Nr. 2 in Tabelle 1 stellt eine im Betrieb übliche Fugenfüllung von 90 mm mit einer optimalen Lagerungsdichte des eingebauten Fugenmaterials bei einem 10 cm dicken Stein dar. Die auftretenden Druckkräfte führen nicht selten zu Steinbewegungen, wenn das Fugenmaterial keine hinreichende Lagerungsdichte aufweist oder aber Hohlräume im Querschnitt vorhanden sind. Nur ein Fugenmaterial mit entsprechender Lagerungsdichte kann die auftretenden Lasten in sich (vom Stein über die Fuge an den nächsten angrenzenden Stein) und an die angrenzenden Pflastersteine übertragen.
Die sichere Lastabtragung benötigt auf der einen Seite eine hinreichende Lagerungsdichte des Fugenmaterials und andererseits hinreichende Korngrößen, um die Lasten übertragen zu können. Aufgrund der hohen Druckkräfte, die in der Fuge entstehen, kommt es im Betrieb, insbesondere in Abhängigkeit der Schwerverkehrsbelastung zur Beanspruchung des ungebundenen Fugenmaterials mit der Folge von Zermahlungs- bzw. Zertrümmerungsvorgängen, welche als Folge ein Absinken von Feinanteilen in Hohlräume der vorhandenen Konstruktion einerseits und des Absacken des Fugenmaterials in sich andererseits zur Folge haben können. Spannung ist definiert als Kraft geteilt durch Fläche. Wird bei gleichbleibender Kraft die Fläche verkleinert, erhöht sich die Spannung am Korn bzw. Pflasterstein. Örtlich erhöht sich die resultierende Druckkraft. Fugenmaterialien mit s.g. hoher Ausweichneigung bzw. hohem Ausweichpotential (Abbildung 5) sind als kritisch anzusehen. Fugenmaterialien mit hohen Fein- und/oder Sandanteilen, je nach Fugenbreite, können Lasten nicht verformungsfrei übertragen, so dass es zu Steinbewegungen selbst bei visuell vollständig gefüllter Fuge kommen kann. Erhöhte Zermahlungs- bzw. Zermürbungseffekte ausschließlich aufgrund punktueller Lastübertragung sind die Folge. Dem s.g. Stützkorn in der Fuge, welches idealerweise über dem gesamten Querschnitt anliegt, so dass die Lasten über die grobe Gesteinskörnung übertragen werden können, ist aus technischer Sicht eine wesentliche Bedeutung beizumessen (Abbildung 4).
Ungebundene Fugenmaterialien werden in der Regel gemäß TL Pflaster StB 06/2015 [3] ausgewählt. Hiernach können Fugenmaterialien 0/4, 0/5, 0/8, 0/11 mm eingesetzt werden. Beispielhaft sind in den Abbildungen 6 und 7 die Bereiche der Korngrößenverteilung für die Fugenmaterialien 0/4 und 0/8 dargestellt. So ist es gemäß TL Pflaster StB 06/2015 [3] zulässig, bei einem Fugenmaterial 0/8 mm einen Sandanteil 0/2 mm bis zu 75 M.-% zu verwenden. Wird ein derartiges Material bei quaderförmigen Steinen ohne Abstandshalter, d.h. bspw. bei allseits gesägten und bearbeiteten Natursteinen verwendet, so wird es selbst bei optimaler Verdichtung aufgrund der Ausweichneigung gemäß Abbildung 5 zu Steinbewegungen kommen. Gemäß ZTV Pflaster StB 06 [2] kann als Fugenmaterial, insbesondere bei engfugig hergestellten ungebundenen Betonsteinpflasterdecken, eine Gesteinskörnung 0/2 mm verwendet werden. Hier sollte der Siebdurchgang auf dem 1 mm Sieb zwischen 40 und 70 M.-% liegen. Gemäß RiLi [5] ist die Verwendung der Fugenmaterialien gemäß TL Pflaster-StB 06/2015 [3] und ergänzend auch der Gesteinskörnungen 1/4, 1/3, 2/5, 2/8 mm möglich. Weiterhin sind als Fugenmaterialien gemäß ZTV Pflaster-StB [2] Brechsande bzw. Splitte einzusetzen. Das bedeutet, dass beispielsweise Sande einen Fließkoeffizient von ECS35 aufweisen müssen. Demnach ist Rundkorn als Fugenmaterial unter Berücksichtigung der gültigen Regelwerke nicht einzubauen. Gemäß TL Pflaster-StB 06/2015 [3] dürfen die Fugenmaterialien einen Feinanteil von 9 M.-% besitzen.
Beispiel
Abbildung 8 zeigt einen Anwendungsfall, bei dem ungebundenes Fugenmaterial der Gesteinskörnung 0/5 mm mit Feinanteilen gemäß TL Pflaster StB 06/2015 [3] verwendet wurde. Es ist ein s.g. Flankenabriss des ungebundenen Fugenmaterials erkennbar. Dieser Flankenabriss kann auf eine nicht hinreichende Lagerungsdichte des Fugenmaterials oder aber auf Hohlräume im Fugenquerschnitt und auch möglicherweise auf einen zu hohen Sandanteil im Fugenmaterial hindeuten. Das Fugenmaterial der Körnung 0/5 mm wurde durch ein Splitt 2/5 mm auf ¾ der Steinhöhe ersetzt. Danach waren nahezu keine Steinbewegungen mehr erkennbar. Die Steinbewegungen sind unter anderem auf das s.g. Ausweichpotential des feinen Fugenmaterials (Gemisch aus Sand 0/2 mm, Splitt 2/5 mm Baustoffgemisch 0/5 mm gemäß TL Pflaster StB 06/2015 [3] ) gemäß Abbildung 5 zurückzuführen.
Splitt in der Fuge besitzt kein Ausweichpotential, siehe Abbildung 4. Der Splitt in der Fuge muss im Rahmen der Herstellung so verdichtet werden, dass es bei eintragenden Lasten durch Befahren mit Pkw oder LKW nicht dazu kommt, dass der Splitt lose in der Fuge liegt und aufgrund der lockeren Lagerungsdichte ausweichen kann. Entsprechende Verdichtungsvorgänge mit den entsprechenden Verdichtungsgeräten führen dazu, dass das Splittmaterial nahezu optimal nach Herstellung gelagert ist und nahezu kein Ausweichpotential in der Fuge vorhanden ist, die einzelnen Splittkörner sind miteinander und zu einer rauen Seitenfläche hin verzahnt. Die Lasten können optimal übertragen werden, wobei aber auch hier nicht zu vernachlässigen ist, dass sich je nach Verkehrsbelastung ein Abrieb bzw. eine Zertrümmerung des ungebundenen Fugenmaterials einstellen kann.
Zusammenfassung
Es wird empfohlen, ein Fugenmaterial in Abhängigkeit von der gewählten Fugenbreite auszuwählen (vgl. Formel 1). Weiterhin ist zu beachten, welches Steinsystem ausgewählt wird. Bei Steinen mit Verschiebesicherung bzw. Abstandshaltern ist im Vorfeld zu überlegen, wie die s.g. Fugentaschen gefüllt werden. Erfahrungsgemäß sollte hier ein gewaschener Brechsand 0/2 mm mit geringen Feinanteilen verwendet werden. Bei quaderförmigen Steinen ohne Verschiebesicherung bzw. Abstandshaltern mit einheitlichem Fugenquerschnitt gemäß Abbildung 4 wird der Einbau von groben Material empfohlen, damit das Fugenmaterial nahezu kein Ausweichpotential besitzt. Fugenmaterialien mit hohen Feinanteilen von bis zu 9 M.-% gemäß TL Pflaster StB 06/2015 [3] im Lieferzustand werden nicht empfohlen, da die Feinanteile in die Konstruktion eingetragen werden können, der Feinanteil kontraproduktiv für die Funktion der ungebundenen Fuge und zudem für die Wasserdurchlässigkeit der Gesamtkonstruktion ist. Die Autoren sehen die maximalen zulässigen 9 M.-% der TL Pflaster-StB 06/2015 aus Praxisbeobachtungen als zu hoch angesetzt an. Zudem können Fugenmaterialien mit hohen Feinanteilen nicht über den gesamten Querschnitt verdichtet werden. Weiterhin wird angemerkt, dass die TL Pflaster StB 06/2015 [3] ausschließlich Material als s.g. Lieferkörnung definiert. Anforderungen im eingebauten Zustand für Fugenmaterialien werden derzeit ausschließlich in der RiLi [5] gestellt.