Hydraulische Eigenschaften von spiralgeschweißten Stahlrohren
Beschichtete spiralgeschweißte Stahlrohre vom Typ „FlowMax“ bieten hydraulische Vorteile in Kombination mit der hohen mechanischen Festigkeit und dem spezifisch geringen Eigengewicht der verwendeten Werkstoffe.
Großtechnische Versuchsdurchführung
Für die Erweiterung, Instandsetzung oder Sanierung von Trinkwasserverteilungsnetzen stellen die hydraulischen Kenndaten eines angebotenen Rohrsystems ein wesentliches Entscheidungskriterium dar. Zumeist werden die hydraulischen Kenndaten in Form von spezifischen Druckverlusten, Vergleichsrauigkeiten oder Rohrreibungszahlen durch die Rohrhersteller dargelegt. Dabei sind die näheren Versuchsbedingungen überwiegend nicht angegeben, so dass eine Vergleichbarkeit für unterschiedliche Test- und Rohrleitungssysteme nur eingeschränkt möglich ist. Am Beispiel des in THIS 1/2017 vorgestellten beschichteten spiralgeschweißten Stahlrohres der Alvenius SE sollen hier die unterschiedlichen Einflussgrößen auf die erzielbaren Druckverluste näher dargelegt werden. Der Rohrleitungsversuchsstand bestand aus einer Vor- / Rücklaufstrecke von jeweils 90 m, wobei die überprüften Rohre einen Innendurchmesser von 109,3 und 147,4 mm hatten. Durch die Variation der Volumenströme für beide Rohrdurchmesser konnten Reynoldszahlen im Bereich von etwa 20.000 bis 400.000 bei einer mittleren Temperatur des Wassers von 10 °C ± 3° realisiert werden.
a) Einfluss der Arbeitsmaschine
Für die Umsetzung der hydraulischen Randbedingungen standen zwei unterschiedliche Arbeitsmaschinen zur Verfügung, und zwar eine Verdränger-, ausgeführt als Kolben-, sowie eine Strömungspumpe, ausgeführt als Kreiselpumpe. Aus dem Vergleich der Druckverlustmessungen wird deutlich, dass bei pulsationsarmen Arbeitsmaschinen (Kreiselpumpe) mit abnehmender Reynoldszahl die gemessenen Druckverluste bei gleichen Versuchsbedingungen kleiner werden
(siehe Abb. 2) und sich somit mögliche günstigere hydraulische Kennwerte für ein Rohrleitungssystem ergeben. Um einen weiten Bereich an Reynoldszahlen abdecken zu können, wurde in den Versuchen die Kolbenpumpe trotz dieser „nachteiligen“ Einflüsse auf die Druckverlustbestimmungen eingesetzt.
b) Einfluss des Systemdruckes
Der Systemdruck konnte mittels eines manuell betätigten Ventils in einem großen Bereich von etwa 2,5 bis 15 bar eingestellt werden. Bei geringem Systemdruck bis zu 6,5 bar konnte bei den Druckverlustmessungen eine starke Schwankungsbreite der Messwerte ermittelt werden (siehe Abb. 3), die mit steigendem Druck immer geringer wurde. Um die durch den Systemdruck auftretenden Messfehler zu kompensieren, wurden die Messungen in einem Druckbereich von etwa 11 bar durchgeführt.
c) Reproduzierbarkeit der Ergebnisse
Für Druckverlustmessungen unter technischen Randbedingungen stellt die Reproduzierbarkeit von Messwerten ein Maß für die Qualität der ermittelten Messreihen dar. In den durchgeführten Untersuchungen konnten mit unterschiedlichen Versuchseinstellungen (siehe Abb. 4) die Druckverlustergebnisse nahezu mit identischem Verlauf reproduziert werden. Da sich die Druckverlusthöhen unabhängig von der Rohrleitungslänge ergeben, konnte zusätzlich gezeigt werden, dass das standardisierte Rohrkopplungssystem keinen nachweisbaren Einfluss auf die Strömungsverhältnisse hat.
d) Energiehorizonte
Bei technischen Versuchsstrecken stellt der Ausgleich des Energiehorizonts über die Messlänge eine besonders herausfordernde Aufgabe dar. Aufgrund der großen untersuchten Messlängen wurden die Versuche im Freigelände durchgeführt und die Rohrleitungsstränge ausnivelliert. Am Ende der Vorlaufstrecke wurde ein Entlüftungshochpunkt gesetzt. Die aufwendige Versuchsgestaltung hat den Vorteil, dass keine geodätischen Höhenunterschiede berücksichtigt werden mussten.
Hydraulische Kennzahlen
An ein Verteilungsnetz für Trinkwasser werden je nach Betriebszustand unterschiedliche Anforderungen gestellt. Für alle diese Fälle sollten die Rohrleitungen aufgrund ihrer Materialien und Herstellungsart eine optimierte Basis darstellen. Bei den hydraulischen Kenndaten stehen bei den ausgeführten Systemen die Rohrreibungszahl λ und die Vergleichsrauigkeit kS im Vordergrund, da sie u. a. entscheidend für die Höhe der Verluste sind. Durch die experimentelle Bestimmung der Druckverlusthöhen für das verwendete Rohrsystem lassen sich die Rohrreibungszahlen λ iterativ mittels eines Ansatzes von Colebrook-White berechnen. Durch die Kunststoffbeschichtung bewegen sich mit zunehmenden Reynoldszahlen die Rohrreibungszahlen zum hydraulisch glatten Bereich und somit zu einer Grenzreibungszahl hin. Die beiden untersuchten Rohrdurchmesser unterscheiden sich geringfügig in den Rohrreibungszahlen durch den Einfluss der zähen Umrandungsströmung in den Rohrleitungen. Bei abnehmenden Reynoldszahlen nähern sich die Rohrreibungszahlen λ unabhängig vom Durchmesser immer weiter an. Die hydraulische Qualität der untersuchten Rohre kann durch die Vergleichsrauigkeit kS beschrieben werden. Die exakte Bestimmung der Vergleichsrauigkeit kS ist in technischen Versuchen durch die Beeinflussung der Systemkomponenten nicht ohne weiteres möglich. Bei einer Wichtung der auftretenden Fehler in der Versuchsanlage liegt die Vergleichsrauigkeit kS für die untersuchten spiralgeschweißten Stahlrohre in einem Bereich von 60 bis 40 µm. Im Materialvergleich liegen die beschichteten spiralgeschweißten Stahlrohre in Bezug auf ihre Rauigkeiten oberhalb von Kunststoffrohren und unterhalb von neuen nahtlosen Stahlrohren. Damit bieten beschichtete spiralgeschweißte Stahlrohre vom Typ „FlowMax“ hydraulische Vorteile in Kombination mit der hohen mechanischen Festigkeit und dem herstellungsbedingten spezifisch geringen Eigengewicht der verwendeten Werkstoffe.
Fazit
Bei der Erweiterung, Sanierung oder Rehabilitation von Wasserversorgungssystemen stehen neben den wirtschaftlichen auch die hydraulischen Aspekte bei einem Austausch von Rohrleitungssträngen im Fokus der Betreiber. Die Angaben von Rohrreibungszahlen oder von technischen bzw. äquivalenten Rauigkeiten ohne nähere Spezifikation zu deren Bestimmung greifen in vielen Fällen zu kurz. Bei den hier vorgestellten Untersuchungen zu einem beschichteten spiralgeschweißten Stahlrohr ist deutlich geworden, dass die Komponenten der Versuchsanlage einen vielfältigen Einfluss auf die hydraulischen Kenngrößen ausüben. Deshalb sollen in weiteren Versuchszyklen die hydraulischen Kenngrößen überprüft und ein besonderes Augenmerk auf die im Trinkwasserbereich relevanten Reynoldszahlen bis 25.000 gelegt werden.
Professor an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf
LG Wassertechnologie
Ingenieurbüro Dr. Kolb