Lichthärtung im Grenzbereich

Kanalsanierung in Rheinberg

Die Grenzen des Machbaren in puncto lichthärtendem Glasfaserliner sind wieder ein Stück weit verschoben worden. In Rheinberg sanierte die Insituform Rohrsanierungstechniken GmbH Ende September ein Eiprofil 900/1350 mit einem lichthärtenden Glasfaserliner mit einer Wanddicke von 13 mm. Zuvor hatte Insituform mit dem Hersteller des Schlauchliner-Systems und dem Lieferanten der UV-Härtungsanlage am runden Tisch die verfügbare Technik eigens für dieses Vorhaben optimiert.

Die Rheinstraße in Rheinberg ist eine der wichtigsten Wohn- und Geschäftsstraßen des historischen Städtchens am Nieder-
rhein. Intensiver PKW-Verkehr teilt sich den Straßenraum mit mehreren Buslinien und zahlreichen Fußgängern: im Regelfall kein Problem – bis zu dem Moment, als die Verantwortlichen der Stadtentwässerung Rheinberg feststellten, dass der darunter liegende zentrale Mischwassersammler ein Sanierungsfall war. An sich undramatische Schadensbilder wie Muffenversatze summierten sich zu einer ingenieurtechnischen Gesamteinschätzung des Betonkanals als „Altrohrzustand II“.

Im Rahmen der Planung galt es für die Stadtentwässerung Rheinberg in enger Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro ein wirtschaftliches und technisch machbares Konzept zu erstellen. Möglichkeiten und Einsatzgrenzen offener und geschlossener Bauweise wurden hierzu kritisch abgewogen, kontroverse Gespräche mit der Industrie geführt und dann die Entscheidung gefällt: da ein offener Austausch unter den Randbedingungen der Rheinstraße aus Sicht von Verkehrsplanung und Einzelhandel der „größte anzunehmende Unfall“ war und auch wirtschaftlich unattraktiver, entschieden sich die Verantwortlichen für eine grabenlose, die hydraulische Kapazität weitest möglich erhaltende Sanierung mit der Schlauchlining-Technologie im Allgemeinen und einer lichthärtenden Verfahrensvariante im Besonderen.

Mut zur Grenzüberschreitung

Durch seine Abmessungen von 900/1350 mm stellte der Kanal die Planer vor ein Dilemma: Eiprofile einer solchen Größenordnung waren in Deutschland bislang noch nie mit einem lichthärtenden Liner saniert worden. Hinzu kam eine nicht unerhebliche Länge des Kanals von rund 72 m. Solche Abmessungen stellten bislang - zumindest beim Ei - eine Domäne thermisch härtender Technik dar. Gefragt waren also Bieter mit dem Know-how und dem Mut zur erfolgreichen „Grenzüberschreitung“. Im Rahmen der Ausschreibung bekam letztlich ein Gebot der Sanierungstechnik Dommel GmbH zum Zuge, die wiederum auf die Insituform Rohrsanierungstechniken GmbH, Niederlassung Münster, als Subunternehmer setzte. In dieser Konstellation wurde das Schlauchlining-Projekt Rheinberg Ende September 2010 erfolgreich realisiert. Es umfasste die Installation von drei Linern für Eiprofile 800/1200 mit einer Wanddicke von 11 mm sowie eben jenes große Eiprofil 900/1350 mit einer erforderlichen Wanddicke von 13 mm. Dabei baute Insituform einen GKF-Liner der Firma iMPREG ein, der mit seiner kombinierten; also photoreaktiven und mit Peroxyden unterstützten Härtung in einem Kühltransport just in time an den Einsatzort gefahren wurde. Der iMPREG-Liner besteht aus einem korrosionsbeständigen und dehnfähigen Glasfasergewebekomplex, der in Abstimmung mit dem Harzsystem höchste mechanische Kennwerte gewährleistet.

Eine Lichtdichte Außenfolie schützt den Liner vor UV-Strahlung, eine innere mehr­schichtige PE/PA-Folie unterbindet jeden Kontakt des Liners mit dem Ab­wasser. Das UP-Harz war in Rheinberg mit zwei unterschiedlichen Peroxyd-Härtern angereichert. Bei 13 Millimetern Einbau-Wanddicke, die nach den statischen Vorgaben für den Rheinstraßen-Liner erforderlich waren, hätte nämlich eine reine UV-Lichtquelle nicht mehr den gesamten Wandquerschnitt durchdringen und vollständig aushärten können. Daher die Entscheidung für die Licht-Peroxid-Kombination und die Notwendigkeit einer Kühlung des Liners, die ja bei rein UV-reaktiven Systemen nicht notwendig ist.


Bauausführung
mit Verfahrens-Innovation

Am Vormittag des Einbautags wurde der
72 m lange und 7,8 t schwere Liner aus seiner Transportbox heraus über den geöffneten Schacht in den trocken gelegten und grundgereinigten Sammler eingezogen. Zuvor hatte man eine Gleitfolie aus Kunststoff in die Kanalsohle eingezogen und den Dom des Startschachtes abgenommen. Beim Einziehen des Liners leistete eine verfahrenstechnische Innovation von Insituform gute Dienste: das von Insituform entwickelte Einbaufahrzeug für den Transport und den Einbau der Glasfaserliner. Ein umgebauter Absetzmulden-Kipper nahm nicht nur die Liner-Transportbox auf; die Aufnahmegabel des Kippers war mit zwei hydraulisch angetriebenen Walzen „aufgerüstet“ worden, über die nun der mächtige Liner, vom Zielschacht des Sammlers her per Stahlseil gezogen, reibungsfrei in den Untergrund rollen konnte. Nach dem Einbau der Töpfe zum Einbinden des Liners, dem Einsetzen der Lichterkette und dem pneumatischen Aufstellen des Liners im Rohr konnte der Liner „ans Licht gehen“, d.h. der UV-Lampenzug startete vom Zielschacht her seine Fahrt durch den Liner.

Der Lampenzug, zentrales Aggregat des Pro Kasro-Lichthärtungsfahrzeuges, war eigens für diesen Liner konzipiert bzw. modifiziert worden. Bis dato waren nur Eiprofil-Liner bis 800/1200 mm mit Licht gehärtet worden, deshalb wurde in Kooperation zwischen Insituform, Impreg und Pro Kasro nun ein Lampenzug mit der Doppelkern-Technologie auf die spezifischen Verhältnisse umgerüstet – einerseits – was die Rohrgeometrie anging, andererseits hinsichtlich der Lichtstärke. Während vorweg in drei Linern 800/1200 in Rheinberg zwei Doppelkerne mit je 4000 W Lichtstärke zum Einsatz kamen, wurde die Lichtstärke für den großen Liner auf 3200 W pro Kern reduziert. Ziel dabei war, angesichts der veränderten Geometrie eine Überhitzung der Lineroberfläche sicher auszuschließen.
Um das zur Härtung nötige Strahlungsquantum dennoch sicherzustellen, wurde die Fahrtgeschwindigkeit der UV-Einheit reduziert. Um eine vollständige Kontrolle über den Härtungsprozess zu bekommen, ging man über die üblichen Kontrollmechanismen noch einen Schritt hinaus: der Liner wurde mit zwei Temperaturmessdrähten bestückt, die an repräsentativen Punkten die Temperatur der Lineroberfläche bei Durchfahrt des UV-Systems
maßen. Nach erfolgreicher Härtung und Öffnen der Linerenden konnten sich anschließend Mitarbeiter der Fa. Dommel daran machen, die einmündenden Hausanschlüsse wieder aufzufräsen und mit Glasfaserlaminat an den Liner anzubinden. Nur am Rande sei erwähnt, dass angesichts des hoch spannenden Projektes alle Beteiligten in jeder Einbauphase ständig vor Ort präsent waren. Sie waren sich rückblickend auch darin einig, dass die exzellente Arbeit der Insituform-Kolonne vor Ort entscheidende Voraussetzung dafür war, dass dieses sehr anspruchsvolle Projekt strikt nach Fahrplan zu einem erfolgreichen Ende gebracht werden konnte. Der Einbau des Rheinstraßen-Liners stellt nicht nur für Insituform eine Erweiterung des eigenen Leistungsspektrums dar; es ist auch insoweit ein technischer Meilenstein, als dass die lichthärtende Schlauchlining-Technologie damit ein weiteres Marktsegment erschließt. Die abschließende Betrachtung des Projektes zeigt den Insituform-Verantwortlichen jedoch, dass bei diesem Grenzen verschiebenden Projekt durch Einsatz des warmhärtenden Insituform-Schlauchliners technische Risiken für die Einbaufirma und den Kunden reduziert werden hätten können, ohne die Baukosten zu erhöhen. Die inzwischen von Insituform in voller Bandbreite der Schlauchliner-Technologie gesammelte Anwendungserfahrung ist Voraussetzung, um dem Kunden in Zukunft das nach den Umständen des Einzelfalles jeweils beste System für die Sanierung von Großprofilen anzubieten. Vor diesem Hintergrund ist man sich im Unternehmen einig, es sei für den Betreiber grundsätzlich besser, wenn die Bauherren und Planer zunächst keine Festlegung nach dem Härtungssystem nach DIN EN 13566-4 oder der zukünftig geltenden EN ISO 11296-4 treffen würden. Vielmehr sei es im Sinne einer optimierten Sanierungslösung gerade für den Kunden von Vorteil, wenn für eine gegebene Problemstellung das technisch und wirtschaftlich bessere Schlauchlinerverfahren gemäß dem technischen Potential und Sachverstand des Bieters angeboten werden könnte.n

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