PORR AG

„Mehr Sicherheit bedeutet mehr Wirtschaftlichkeit“

Interview mit Ing. Martin Sonnberger, zuständig für das Qualitätsmanagement der Porr AG

Interview mit Ing. Martin Sonnberger, Sicherheitsfachkraft der Porr AG

tHIS: Guten Tag, Herr Sonnberger. Sie tragen als Sicherheitsfachkraft eines international operierenden österreichischen Baukonzerns eine hohe Verantwortung. Ihre Expertise, etwa bei der Reduzierung von Unfällen im Umgang mit Schalungen und Gerüsten, ist international gefragt. Wie beurteilen Sie die allgemeine Situation auf Baustellen?

Martin Sonnberger: Man hört natürlich mehr von Unfällen als von Baustellen, auf denen nichts passiert ist. Bei uns in Österreich oder auch in Deutschland ist die Situation nicht so dramatisch, wie sie gelegentlich dargestellt wird. Aber ich muss auch ganz klar sagen: Es gibt noch zu viele Unfälle. Jeder einzelne Unfall ist ein Unfall zuviel. Das ist für uns alle eine große Herausforderung.

Gerade Schalungen sind auf Baustellen ein Leistungsparameter. Je schneller wir ein- und ausschalen, desto schneller wird betoniert, und umso schneller ist ein Bauwerk fertig. Da herrscht verständlicherweise Zeitdruck. Der darf aber keinesfalls zu Lasten der Sicherheit gehen.

tHIS: Also steigt mit zunehmender Arbeits- bzw. Einschal-
geschwindigkeit das Sicherheitsrisiko?

Martin Sonnberger: Ja. Die Schalungsgeschwindigkeit nach oben zu treiben führt nur in der Theorie zum gewünschten Ziel. In der Praxis bringt ein höheres Tempo auch ein größeres Unfallrisiko mit sich. Unfälle kosten stets viel Zeit und Geld. In schlimmen Fällen kommen sogar Menschen zu Schaden oder können sterben. Die entscheidende Frage ist also, wie kombiniere ich Schnelligkeit und Sicherheit, bzw. Wirtschaftlichkeit mit Sicherheit.

tHIS: Wie kriegt man Ihrer Meinung nach diese beiden Forderungen am besten unter einen Hut?

Martin Sonnberger: Ein guter Ansatz sind die neuen Schalungssysteme, bei denen man nur einseitig ankern muss. Sie sind sowohl wirtschaftlich als auch sicher. Wenn ich auf der zweiten Wand nicht mehr hochklettern oder herabsteigen muss, um die Ankermuttern zu fixieren, habe ich einen Risikofaktor weniger und bin gleichzeitig schneller.

tHIS: Gibt es weitere Ansätze?

Martin Sonnberger: Wir haben beispielsweise unter Federführung der Technischen Universität Graz zusammen mit der Unfallversicherungsanstalt in Österreich und Peri ein Forschungsprojekt durchgeführt. Die Fragestellung war: Wie überwinde ich am besten bzw. am wirtschaftlichsten Höhen.

tHIS: Sie sprechen von diesen innen liegenden Leitern von Gerüsten …

Martin Sonnberger: Genau. Da hat es mehrere Versuche gegeben: Rauf und runter, mal mit Material, mal ohne Material, mit einer Person nur in eine Richtung, oder eine Person geht herauf, gleichzeitig kommt eine andere Person herunter usw. Nun ist eine Leiter im Vergleich zum Treppenturm ein Vielfaches günstiger. Auch braucht das Aufstellen eines Treppenturms ein Mehrfaches an Zeit als das Anlehnen einer Leiter. Also haben die Leute das Vorurteil, dass Leitern günstiger und schneller sind.

tHIS: Hat sich das bestätigt?

Martin Sonnberger: Nein, bei diesem Forschungsprojekt hat sich etwas ganz anderes herausgestellt. Über die gesamte Zeit der Baustelle gerechnet, ist ein Treppenturm bei sechs Mitarbeitern und sechs Auf- und Abstiegen pro Tag schon wirtschaftlich. Allein das Absteigen im Treppenturm geht um 50 Prozent schneller als über eine Leiter, mit Material sind die Unterschiede noch größer. Das addiert sich auf, so kommt eines zum anderen.

Wir verlangen von unseren Mitarbeitern Leistung, und dann machen wir sie müde, indem wir sie Leitern rauf und runter scheuchen. Sie verbringen zuviel Zeit auf Leitern, statt effizient auf der Baustelle zu arbeiten.

tHIS: Also sind Treppentürme der effizientere Weg?

Martin Sonnberger: Nicht nur. Es geht auch um das Thema Sicherheit. Diverse Untersuchungen der deutschen Bau-Berufsgenossenschaft kommen zu dem Ergebnis, dass Leitern eine der unfallträchtigsten Arbeitsmittel überhaupt sind. Dazu kommt, dass Unfälle auf Leitern zu schwereren Verletzungen führen, die steigen bei Unfällen oberhalb von drei Metern überproportional an.

tHIS: Je höher ich über eine Leiter aufs Gerüst hinaufsteige, umso größer ist das Risiko, das etwas passiert?

Martin Sonnberger: Stimmt genau. Und wenn ich abstürze, führt das in der Regel zu schweren Verletzungen, ganz besonders auch im Bereich der Fersenbeine.

Diese Schäden sind gelegentlich irreparabel, was oft genug bedeutet, dass man die Mitarbeiter umschulen muss.
Da gibt es sehr aussagekräftige Statistiken bei der BG Bau. Das sind da keine Geraden oder sanft ansteigenden Kurven, sondern das geht steil rauf wie bei einer Parabel. Je tiefer man von einer Leiter stürzt, umso schwerer wird man verletzt.

tHIS: Das ist nachvollziehbar.

Martin Sonnberger: Wir, und nicht nur wir, arbeiten hier mit Herstellern wie Peri zusammen, um da voran zu kommen. Ob ich nun ausschließlich auf das Wohl der Mitarbeiter oder nur auf die Effizienz auf der Baustelle, erst recht bei den aktuellen minimalistischen Personalstärken, schaue – Arbeitssicherheit wird immer wichtiger, denn Unfälle auf Baustellen sind erhebliche Störfaktoren.

Wir müssen schauen, dass wir die beiden Ziele Wirtschaftlichkeit und Sicherheit miteinander verbinden. Da brauen wir neue Denkmodelle.

tHIS: Es geht also darum, Unfallvermeidung und Arbeitssicherheit auf der einen und Effizientz und

Wirtschaftlichkeit auf der anderen Seite miteinander zu verbinden?

Martin Sonnberger: Früher hat man sich da nicht so die Gedanken gemacht und hat nur auf die Effizienz geschaut. Da ist man aber irgendwann eben an Grenzen gestoßen. Heutzutage, wo man sich deutlich mehr Gedanken um die Arbeitssicherheit macht, stellt man auf einmal fest, dass das auch eine Effizienzsteigerung mit sich bringt.

tHIS: Was bedeutet das in der Praxis?

Martin Sonnberger: Wir haben ganz klar festgestellt, dass die neuesten Schalungstechniken wie die Maximo von Peri messbar sicherer und wirtschaftlicher sind.

tHIS: Trotz ihres höheren Preises?

Martin Sonnberger: Das wird kompensiert. Die Schalungsmiete ist höher, klar, aber das wird durch die höhere Leistung kompensiert. Und, was bisher noch weniger berücksichtigt wurde,  durch das reduzierte Unfallgeschehen. Ich habe ein geringeres Arbeitsaufkommen durch die einseitige Verankerung, ich habe ein geringeres Risiko und dadurch weniger Unfälle.

tHIS: Nun gibt es moderne Unternehmen, die das projekt-bezogen betrachten. Es gibt aber auch viele Unternehmen, die die Kostenarten Arbeit und Material gesplittet

betrachten, die interessieren sich nur für den Preis pro

Quadratmeter. Dann verliert die moderne Schalung

aufgrund der höheren Mietkosten.

Martin Sonnberger: Solche Sichtweisen ändern sich nicht von heute auf morgen. Warum soll ein Bauleiter, der seit 15 Jahren mit normaler Schalung arbeitet und die Preise pro Quadratmeter kennt, auf ein neues System umsteigen? Wenn man aber mit den Polieren spricht, die mit den neuen Systemen gearbeitet haben, stellt man fest, dass die den Mehrfachnutzen durchaus erkennen.

tHIS: Da findet also derzeit ein Umdenken in den

Bauunternehmen statt?

Martin Sonnberger: Ja.

tHIS: In den größeren mehr als in den kleineren?

Martin Sonnberger: Das kann man so nicht sagen. Das hat mit der Unternehmensgröße nichts zu tun, das ist eher eine Frage der Philosophie. Wir alle haben unsere angelernten Verhaltensmuster, kennen Produkte und Arbeitsmethoden, die funktionieren. Sie dürfen nicht vergessen, „neu“ bedeutet auch „Risiko“. Man ist sich nicht ganz so sicher, man macht vielleicht am Anfang mehr Fehler. Es gibt Unternehmen und Menschen, die bleiben bei Bewährtem, andere haben mehr Mut zum Neuen und probieren auch mal was aus.

tHIS: Wie halten Sie es bei Ihrem Unternehmen, bei der Porr AG? Ermuntern Sie ihre Mitarbeiter, mal etwas Neues auszuprobieren?

Martin Sonnberger: Eindeutig ja. Wir haben beispielsweise mit Peri ein neues Schulungssystem ausprobiert, bei dem unsere Bauleiter und Poliere sämtliche Systeme selbst ausprobieren müssen. Das ist keine theoretische Schulung, die müssen selbst Hand anlegen.

Da sind verschiedene Stationen aufgebaut, wo man unter der Begleitung von Profis die jeweiligen Vor- und Nachteile der alten und neuen Systeme selbst ausprobieren kann.

tHIS: Und das ohne Risiko und Leistungsdruck?

Martin Sonnberger: Ja, das geht ganz entspannt, unter den Augen von Experten. Und wenn etwas auf Anhieb nicht klappt, spielt das keine Rolle. Unsere Poliere sind Macher. Wenn die solch ein neues System mal selbst in der Hand gehalten und ausprobiert haben, sind mögliche Bedenken, ein neues, sichereres wirtschaftlicheres System auch mal auf der Baustelle auszuprobieren, schnell verschwunden.

Das schöne ist: Wir schulen uns gegenseitig. Peri hat die Experten für die Schalung, die kennen jedes Detail, jeden Handgriff. Wir haben die Experten für die Umsetzung auf der Baustelle. Das ist eine klassische Win-Win-Situation.

http://www.porr.at

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