Rekordverdächtige Verlegeleistung
Verkehrsflughafen Kassel-Calden – eine Baumaßnahme, die mit vielen Superlativen aufwarten kann und derzeit als größte Baustelle Europas gilt. Im Rahmen der Erschließungsarbeiten verlegt die Bickhardt Bau AG auf dem Flughafengelände auf der so genannten Luftseite rund 12.600 m Flowtite GFK-Rohre, die das Oberflächenwasser vom Flugfeld mit Start- und Landebahnen aufnehmen und zum Vorfluter leiten.
Mehr als 6,5 Mio. m3 Erdreich hat die ARGE Verkehrsflughafen Kassel-Calden Erdbau, eine Arbeitsgemeinschaft aus Bickhardt Bau Aktiengesellschaft und Hermanns HTI-Bau GmbH & Co. KG, von März bis Dezember 2011 auf dem rund 220 ha großen Baufeld des neuen Flughafens in Kassel-Calden bewegt. Anfang Dezember wurde stellvertretend für die fünf geplanten Gebäudekomplexe am Feuerwehrgebäude der Grundstein gelegt. Im Mai dieses Jahres waren die Rohbauarbeiten für Passagierterminal, Feuerwache, Multifunktionsgebäude, das Gebäude der Allgemeinen Luftfahrt und den Tower, mit der die Betreibergesellschaft Flughafen GmbH Kassel ebenfalls eine nordhessische Bietergemeinschaft – sie bestand aus den Firmen Hermanns HTI-Bau GmbH & Co.KG, Bickhardt Bau AG, Hörnig Baugesellschaft mbH & Co.KG und Emmeluth Baugesellschaft mbH – beauftragt hatte, bereits abgeschlossen. Im Anschluss daran begannen die Erschließungsarbeiten auf dem Flughafengelände. Auf der so genannten Luftseite verlegt die Bickhardt Bau AG rund 12.600 m Flowtite GFK-Rohre, die das Oberflächenwasser vom Flugfeld mit Start- und Landebahnen aufnehmen und zum Vorfluter leiten. In erster Linie haben die Werkstoffeigenschaften bei der Wahl des Rohrsystems eine Rolle gespielt. Die GFK-Rohre, die von der Amitech Germany GmbH im Wickelrohrverfahren hergestellt werden, verfügen über eine hohe chemische Beständigkeit. Ebenso bemerkenswert: 13 Kanalbaukolonnen verlegen etwa 600 bis 800 m Rohre pro Tag! Eine rekordverdächtige Leistung, die vor allem auf die perfekte Organisation und Logistik auf der Großbaustelle und die leicht zu handhabenden Rohre mit ihren vergleichsweise großen Baulängen zurückzuführen ist.
Neuer Logistikstandort für die Mitte Deutschlands
Mit dem Bau des Flughafens soll die Region Nordhessen als Verkehrsknotenpunkt und Logistikstandort in der Mitte Deutschlands ausgebaut werden. Kassel erhält mit dem neuen Regionalflughafen einen direkten Anschluss an das europäische Flugnetz und ist damit neben Schiene und Straße auch aus der Luft schnell und direkt erreichbar. Schon im Vorfeld waren umfangreiche Vorbereitungsmaßnahmen notwendig.
Boden gut gemacht
Im Winter 2009/2010 begannen die Rodungsarbeiten, gleichzeitig wurden neue Waldflächen angelegt und ab Mitte des Jahres 2010 mit der notwendig gewordenen Umverlegung der Bundesstraße 7 begonnen. Danach bestimmte schweres Baugerät das Geschehen auf dem Baufeld. „60 Dumper, 16 Großbagger, vier Großradlader, 20 Raupen und 30 Walzen waren wochenlang im Einsatz, um mit gewaltigen Erdbewegungen eine ebene Grundlage für den späteren Flugbetrieb zu schaffen“, erinnert sich Oberbauleiter Dipl.-Ing. Fred Haschler, Abteilungsleiter Eisenbahnbau, Bickhardt Bau Aktiengesellschaft. Rund 3.600 Lastwagenladungen Erde – das entspricht einer Menge von 55.000 m3 – wurden jeden Tag bewegt, um die Höhenunterschiede von bis zu 26 m auszugleichen. Nach dem Ausbaggern wurde der Boden insitu mit Kalk vermischt, um den optimalen Wassergehalt einzustellen. Darüber hinaus waren weitere geotechnische Vorarbeiten zur Stabilisierung des Flugfeldes nötig. Deshalb wurden zusätzlich 66.000 m Rüttelstopfsäulen in den Untergrund eingebracht. „Mit dem Verfahren, bei dem mit Hilfe eines Rüttlers eine Schottersäule auf die gewünschte Tiefe in den Boden eingerüttelt wird, lassen sich die mittleren Steifeziffern des Bodens auf das 2- bis 3-fache erhöhen und damit die Tragfähigkeit des Untergrundes speziell unter Start- und Landebahn deutlich verbessern“, so Haschler.
Hervorragende Werkstoffeigenschaften
Die weiteren Erschließungsarbeiten umfassen die Erstellung von Mulden und Gräben, diverser Dränagen und Kanalleitungen in Nennweiten von bis zu DN 1400 sowie den Bau von sechs Regenrückhaltebecken. Auf der Luftseite des Flughafens verlegt die Bickardt Bau AG mehr als 12.600 m Flowtite GFK-Rohre, die das Oberflächenwasser aufnehmen und ableiten sollen. „Schlitzrinnen, die mit den GFK-Leitungen verbunden sind, nehmen das Wasser auf“, erklärt Oberbauleiter Haschler. „Es wird dann in Regenrückhaltebecken und von hier über Abscheider in den Vorfluter geleitet.“ Vor allem wegen ihrer hervorragenden Werkstoffeigenschaften machten die glasfaserverstärkten Kunststoffrohre von Amitech bei der Auswahl des Rohrsystems das Rennen. „Hierzu zählt unter anderem die hohe chemische Beständigkeit, ein Aspekt, der gerade auf Flugplätzen eine besondere Bedeutung hat, da sich hier Kerosin, Enteisungsmittel, Löschmittel und Oberflächenwasser vermischen können“, erläutert Rolf Heimann, Gebietsleiter Amitech Germany GmbH.
Logistisches Meisterstück
Dementsprechend sind die Flowtite GFK-Rohre mit Dichtungen aus Nitril-Butadien-Kautschuk (NBR) ausgestattet. Zum Einsatz kommen Nennweiten von DN 300 bis DN 1400. Sie werden in großen Mengen auf einem Lagerplatz auf dem Flughafengelände vorgehalten und von einem Tieflader zu den verschiedenen Einbaustellen transportiert. 13 Verlegetrupps sind vor Ort im Einsatz und bringen die Rohre im wahrsten Sinne des Wortes in rekordverdächtigem Tempo unter die Erde: Bis zu 800 m haben die Kolonnen in Spitzenzeiten pro Tag verlegt. Grundlage für diese außergewöhnliche Leistung ist ein organisatorisches und logistisches Meisterstück, das Oberbauleiter Haschler mit seinen Bauleitern entwickelt hat. 2 Mann und 1 Bagger ergeben 100 m Rohre – so die einfache Gleichung Haschlers, die für einen zügigen Baufortschritt bei der Erschließung des Geländes sorgt. Sukzessive werden abgeböschte Gräben an den verschiedenen Einbaustellen mit schwerem Gerät vorbereitet, danach das Planum mit dem Laser hergestellt. Nachdem die bis zu 12 m langen GFK-Rohre eingebaut worden sind, beginnen Raupen und Bagger mit der Verfüllung der Baugruben. Dabei wird das Verfüllmaterial fachgerecht im Bereich der Rohrleitungszone mit Stampfer und Rüttelplatte eingebaut.
Hohe Flexibilität
„Die großen Baulängen und die einfache Handhabung sorgen für größtmögliche Flexibilität beim Einbau“, äußert sich Haschler sehr zufrieden mit den eingesetzten Flowtite GFK-Rohren. „Eine kontinuierliche Endlosfertigung wird bei diesem Verfahren möglich, da anstelle eines festen Stahlzylinders eine wandernde zylindrische Spirale den Stützkern bildet“, beschreibt Heimann den Herstellungsprozess. Auf diesen Kern werden alle zur Produktion nötigen Materialien nacheinander aufgetragen. Das Ergebnis ist ein geprüftes Qualitätsprodukt, das über hervorragende hydraulische Eigenschaften und eine hohe chemische Beständigkeit verfügt und das aufgrund seiner Handhabbarkeit vor Ort auf der Baustelle für reibungslose Abläufe sorgt. Vor allem das niedrige Gewicht der Rohre bei gleichzeitig großen Baulängen trägt in Kassel-Calden dazu bei, dass das Verteilen auf dem großen Baufeld wie am Schnürchen klappt. „Für die Menge an Rohren, die wir hier mit nur einer LKW-Ladung verteilen können, benötigen wir bei anderen Werkstoffen sechs oder acht Fahrzeuge“, ist Haschler sicher. Falls nötig werden die GFK-Rohre auf dem Lagerplatz mit einer eigens dafür installierten Schneidvorrichtung auf die erforderliche Solllänge angepasst. „Passstücke benötigen wir unter anderem dann, wenn Schächte gesetzt werden“, so Haschler weiter, nach dessen Aussage das Messen, Schneiden, Anfasen, Rausfahren und Einfügen eines Rohres in der Regel innerhalb einer Stunde erledigt ist.
Das hohe Tempo bei den Erschließungsarbeiten ist ein wichtiger Baustein bei der Einhaltung der zeitlichen Vorgaben. Erd- und Hochbauarbeiten und die äußerst kurze Bauzeit stellen die Arbeitsgemeinschaften vor große logistische Herausforderungen. „Bisher ist allerdings alles im Soll“, wie Oberbauleiter Haschler bestätigt. Anfang Juni konnte die Kanzel auf den Tower aufgesetzt werden. Zum Jahreswechsel 2012/2013 sollen die Arbeiten auf dem Flughafengelände abgeschlossen sein und schon im April nächsten Jahres die ersten Maschinen von dem neuen Regionalflughafen starten.
Amitech Germany GmbH
Perfekte Organisation und Logistik vor Ort auf der Großbaustelle