Risiken der Bauausführung beherrschen, nicht ertragen
Das Verhältnis von durchschnittlicher Unternehmensrendite und übernommenem Risikoumfang klafft in der bauausführenden Wirtschaft extrem auseinander. Im Sinne aller Beteiligten an der Realisation von Bauprojekten verlangt dieser Sachverhalt dringlich nach geeigneten Lösungsansätzen. Lesen Sie wie aus Risiken Chancen werden können.
Bauunternehmen sind zuallererst Dienstleistungsunternehmen. Sie vermarkten die Fähigkeit, eine in der Regel vom Auftraggeber vordefinierte Leistung − das Bausoll des späteren Bauwerkes − zu erstellen. Als „Bauleistungsversprecher“ übernehmen sie dabei bewusst oder unbewusst eine Vielzahl von Risiken, für die sie selbst oft nicht einmal ursächlich verantwortlich sind. Hinzu kommt, dass für die Auftragsvergabe das Preisangebot des Bieters als Hauptkriterium herangezogen wird. Die Berücksichtigung von Differenzierungsmerkmalen wie Qualität, Termintreue oder Kundenorientierung fällt bei der Vergabeentscheidung in vielen Fällen weitaus geringer aus, als landläufig angenommen. Eine Berücksichtigung von Risiken führt aber fast zwangsläufig zu höheren Preisen, die im Preiswettbewerb oftmals nicht durchsetzbar sind.
Ursachen der Risikoentwicklung
Die Preisbildung am Baumarkt findet ganz maßgeblich am einzelnen Bauprojekt statt. Hier steht ein Nachfrager im Regelfall vielen Anbietern gegenüber. Je nach konjunktureller Situation entsteht so ein enormer Preisdruck, mit der generellen Tendenz zu nicht selbstkostendeckenden Preisen. Eine weitere Ursache für geringe Renditen bei gleichzeitig umfangreicher Risikoübernahme stellt die in der Bauwirtschaft immer noch praktizierte Kalkulationsmethodik dar. Diese konzentriert sich auf die reinen Produktionskosten und ermittelt eindimensional die Herstell- und Selbstkosten. Risikokosten finden in dieser Kalkulationsmethodik keinen Platz. Zudem leitet die Kalkulation den Preis einer Bauleistung automatisch aus den kalkulierten Kosten durch einen Wagnis- und Gewinnzuschlag ab. Kostenermittlung und Preisbildung sind jedoch zwei vollkommen getrennt voneinander zu betrachtende Aspekte.
Nun könnte man daraus schließen, dass eine aktive Auseinandersetzung mit Risiken der Bauprojektrealisation alleine schon deswegen unterlassen werden sollte, weil deren Berücksichtigung zu Mehrkosten und damit zu höheren Baupreisen führt, die das einzelne Bauunternehmen im Markt nicht durchsetzten kann. Das Gegenteil aber ist der Fall. In einem vom Preiswettbewerb dominierten Baumarkt ist die Ermittlung und Bewertung der Risikotragfähigkeit eine zentrale Handlungsmaxime. Erforderlich ist die exakte Kenntnis aller Kosten der Bauprojektrealisation – also sowohl der Produktionskosten als auch der Risikokosten. Die systematische Auseinandersetzung mit Risiken und deren Bewertung im Rahmen der Risikoorientierten Bauprojekt-Kalkulation ist deshalb eine herausragend wichtige Aufgabe im Bauunternehmen.
Ausreißer Projekte in den Griff bekommen
Nicht selten sind es einzelne Ausreißer-Projekte, die das komplette Unternehmensergebnis negativ belasten und im schlechtesten Fall existenzbedrohende Krisen heraufbeschwören. Eine systematische und bewusste Beschäftigung mit Risiken hilft gegenzusteuern und die Übernahme von Risiken aus Projekten mit der Risikotragfähigkeit eines Bauunternehmens abzustimmen. Erst aus einer systematischen, IT-gestützten Methodik zur Identifikation und Bewertung der Chancen und Gefahren von Bauprojekten wird klar, wie viel Eigenkapital (als Risikopuffer) aktuell „im Feuer steht“. Entscheidungen können damit auf einer fundierten, zu jeder Zeit nachvollziehbaren Datenbasis getroffen werden. Deshalb bedeutet Risikomanagement im Bauunternehmen an erster Stelle Risikoorientierte Bauprojekt-Kalkulation.
Um diese möglichst einfach umzusetzen ist ein pragmatischer Ansatz gefordert, der für die Kalkulatoren keine aufwändige Mehrbelastung bedeutet. Ein wichtiges Element bildet dabei die systematische Erfassung von „Risikowissen“, dass sich bereits im jeweiligen Unternehmen befindet. In einer lernenden Wissensdatenbank sollen die Erkenntnisse aus allen Phasen des Risikomanagements einbezogen werden. Darüber gilt es auch, die tatsächlich eingetreten Risiken zu erfassen und im System zu berücksichtigen. BWI-Bau und BRZ Deutschland haben gemeinsam eine innovative Methode entwickelt, mit der Bauprojektrisiken mit Unterstützung der IT strukturiert identifiziert, bewertet und beurteilt werden können.
Gefahr erkannt: Risikoidentifikation
Bei der Risikoidentifikation wird anhand des Risikoinventars - einer in der IT-Lösung integrierten Risiko-Checkliste - systematisch analysiert, welche Risiken im Projekt verborgen sein können, wie relevant und wie wahrscheinlich diese Risiken sind. Aus der Einschätzung auf Einzelrisikoebene lässt sich das Projekt dann einer Risikoklasse mit definierten Handlungsanweisungen zuordnen.
Bei der Risikobewertung wird ermittelt, wie sich die identifizierten Risiken auf die Kosten eines Bauprojektes auswirken. In einer Simulationsrechnung werden eine sehr große Anzahl möglicher Risiko-Szenarien gerechnet. Das Ergebnis ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung, die zeigt, welche Kosten mit welcher Wahrscheinlichkeit in einem Bauprojekt entstehen. Man gelangt so von einem eindimensionalen Planwert zu einer Bandbreite möglicher Kosten aus Risikogesichtspunkten. In der Phase der Risikobeurteilung werden abschließend risikoorientierte Preisuntergrenzen ermittelt. Die Risikobeurteilung gibt transparent Aufschluss darüber, welche risikobedingten Gewinne oder Verluste zu erwarten sind, welche Gewinne oder Verluste aus Risiken mit welcher Restwahrscheinlichkeit nicht überschritten werden, welche kalkulatorischen Eigenkapitalkosten aus der Risikoprävention hierfür reserviert werden sollten und auch welche risikoorientierte Preisuntergrenze daraus resultiert.
Fazit
Nur wer die Kosten eines Bauprojektes kennt, kann diese auch tatsächlich steuern. Das Instrument der Risikoorientierten Bauprojekt-Kalkulation ist eine notwendige Erweiterung der klassischen Kalkulationsmethodik der Bauunternehmen, um von Risiken der Bauausführung nicht überrascht zu werden, sondern diesen aktiv entgegenzuwirken.