Rohrleitungssysteme sind kein Auslaufmodell
Unter welchem Motto wird die nächste Veranstaltung stattfinden? Diese Frage beschäftigt bereits die Macher des Oldenburger Rohrleitungsforums 2015. Und das passt. Macht es doch deutlich, welche Ausnahmestellung und welchen Ruf sich das kleine aber feine Forum erarbeitet hat.
Traditionell diskutieren die Fachleute der Branche über den aktuellen Stand der Technik, werfen gleichzeitig aber auch den Blick nach vorn: Was müssen wir noch tun, sind wir auf dem richtigen Weg und welche Verfahren und Modelle haben das Potential, weiter entwickelt zu werden? Solche Fragen bilden die Grundlagen der vielfach kontroversen aber meist fruchtbaren Diskussionen in den Vortragsblocks, auf der Fachausstellung und dem legendären Grünkohlabend, der den ersten Veranstaltungstag beschließt. Nach „Rohrleitungen – in neuen Energieversorgungskonzepten“ und dem Schwerpunkt „Klimawandel“ in 2013 widmete sich das diesjährige Forum wieder der „Energieversorgung“ – beides Themen, die eng mit der Umsetzung der Energiewende verbunden sind. Mittlerweile sind aus ersten Konzepten erste Pilotprojekte hervorgegangen, wie zum Beispiel die Wasserstofferzeugungsanlage der E.ON im brandenburgischen Falkenhagen oder das Hybriprojekt Oldenburg-Drielake, bei dem so genannte Energetische Nachbarschaften als Baustein zukünftiger Hybridnetze im Fokus stehen. Auch Techniken wie die Nutzung von Abwärme aus Abwasser finden mittlerweile immer breitere Anwendung. Dennoch wurde eines in Oldenburg recht deutlich: Eine sichere Energieversorgung wird in der Zukunft nicht durch die einfache Umstellung der heutigen Strukturen möglich sein. Die Zukunft sieht komplexe ineinander greifende Netzstrukturen vor. Und genau dies erfordert viel technischen Sachverstand und verlangt einen hohen interdisziplinären Austausch. Wo könnte dies besser gelingen, als auf dem Oldenburger Rohrleitungsforum, das mit seinem diesjährigen Motto „Rohrleitungen als Teil von Hybridnetzen – unverzichtbar im Energiemix der Zukunft“ exakt den Nerv der Branche traf.
Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des iro e.V. und Geschäftsführer der iro GmbH, eröffnete am 6. Februar das 28. Oldenburger Rohrleitungsforum, das die Jade Hochschule mit über 3.000 Teilnehmern, rund 350 Ausstellern und 130 Referenten wie in jedem Jahr für zwei Tage in einen regelrechten Ausnahmezustand versetzte. Welche organisatorische Leistung notwendig ist, um Vortragsräume, Ausstellungsflächen, Pausenräume und Cafés für diesen Ansturm vorzubereiten, können die Besucher nur erahnen. Dementsprechend lobte der Präsident der Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth, Dr. Habil Elmar Schreiber, in seiner Ansprache nicht nur die lange Tradition der Veranstaltung, sondern hob insbesondere das Engagement des iro-Teams hervor. „Die stemmen was“, brachte Schreiber einen der Schlüssel für den außerordentlichen Erfolg der Veranstaltung auf den Punkt. Aber auch der besondere Mix aus „Wirtschaft - Wissenschaft – Hochschule – Praxis“ stellt für den Präsidenten ein charakteristisches Merkmal des Forums dar.
Gasnetze mit Potential
Im Anschluss an die Grußworte der Verbände und der Stadt Oldenburg widmeten sich die beiden Eröffnungsvorträge eingehend dem Thema der diesjährigen Veranstaltung. Prof. Dr.-Ing. Hartmut Krause, Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V., DBI Gastechnologisches Institut gGmbH, stellte die Forschungsleitlinien des Verbandes vor und zeigte auf, welchen Beitrag die Gasnetze zur Stabilisierung der Energieversorgung bei zunehmendem Anteil erneuerbarer Energieträger an der Energieerzeugung leisten können. Wo gibt es – mit Blick auf die Gasnetze der Zukunft – noch Forschungsbedarf: auch das eine Steilvorlage von Krause, die Jun.-Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff, Bereichsvorstand Energie OFFIS e.V. Institut für Informatik, Oldenburg, als letzter Redner der Eröffnungsveranstaltung sofort aufnahm. Eine entscheidende Komponente zur erfolgreichen Realisierung der zukünftigen Energieversorgung sind entsprechende Automatisierungs- und Informationstechnologien, die erst eine Steuerung der Energieströme ermöglichen. „Dabei stellen sich im Wesentlichen zwei Probleme“, führte Lehnhoff aus. „Zum einen fehlt die Möglichkeit erzeugte Energie in ausreichendem Maß zu speichern und zum anderen müssen Transportengpässe dringend gelöst werden.“ In diesem Zusammenhang sieht Lehnhoff in den Smart Grids ein Instrument, die vorhandene Infrastruktur intelligent zu nutzen. An der Kernfrage, wie die Systeme zu verknüpfen sind, arbeitet das Institut zurzeit intensiv. Unter anderem werden Leitsysteme und Planungsansätze für gekoppelte Infrastruktursysteme entwickelt.
Energetische Nachbarschaften
Ein weiterer interessanter Ansatz beschäftigt sich mit der Regionalisierung der Hybridnetze, wie das Beispiel Drielake (Oldenburg) mit seinen Energetischen Nachbarschaften zeigt. Dabei wird nach Identifizierung passender Bereiche ein Verbund von dezentralen Verbrauchern und Produzenten, die sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befinden, geschaffen. Dies ist auch eine der Grundvoraussetzungen für ein weiteres Schwerpunktthema des 28. Oldenburger Rohrleitungsforums, das im Zusammenhang mit dem Thema „Hybridnetze“ nicht fehlen darf: die energetische Nutzung der Abwasserwärme. In drei Vortragsblöcken wurde über neue technische Entwicklungen und die Erfahrungen aus aktuellen Projekten berichtet. Festzustellen ist, dass sich die Technik zur Nutzung der Abwasserwärme etabliert hat und dass das Interesse seitens der Kommunen stetig zunimmt.
Anpassungen erforderlich
Dass sich vieles um die Weiterentwicklung der Erdgasnetze drehen wird, wurde ebenfalls deutlich. Über die technischen Aspekte wie zum Beispiel den Einfluss des durch Elektrolyse gewonnenen und eingespeisten Wasserstoffs auf das Rohrnetz wurde in zwei Vortragsblöcken diskutiert. „Neben den Erdgasspeichern und -netzen bieten sich allerdings auch die großen Fernwärmenetze dazu an, Flexibilitäten für die erneuerbare Stromerzeugung bereitzustellen“, stellte DI Robert Hinterberger, Geschäftsführer Energy Research Austria, New Energy Capital Invest GmbH, in der Pressekonferenz fest, die sich ebenfalls dem Leitthema des Forums widmete. „Das hohe Flexibilitätspotential im Wärmemarkt zeigt sich schon alleine darin, dass deutschlandweit der Wärmeverbrauch mehr als 2,5mal so groß ist wie der Stromverbrauch. Insbesondere so genannte Power-To-Heat-Anlagen können zu einem wichtigen Baustein der Energiewende werden, indem erneuerbarer Überschussstrom in Fernwärmesystemen verwertet wird, anstatt diesen wie bisher abzuregeln“, so Hinterberger weiter. Die Umsetzung solcher Hybridsysteme erfordere aber nicht nur die technische Integration, sondern vor allem eine Anpassung der regulatorischen, rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen. So ist es für Fernwärmebetreiber derzeit in Deutschland nicht wirtschaftlich möglich, erneuerbaren Überschussstrom auf diese Art und Weise zu verwerten.
Auf diesen Aspekt verwies auch Dipl.-Ing. Heiko Fastje, Geschäftsführer der EWE Netz GmbH. Denn die Grundzüge der Regulierung sind in einer Zeit entworfen worden, als wenige große Unternehmen den Energiemarkt dominierten. Die mittlerweile entstandene Struktur an Marktteilnehmern am Energiemarkt erfordert eine Anpassung der Regulierung, um eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Entwicklung zu ermöglichen.
Dauerbrenner wie immer dabei
Natürlich kamen auch in diesem Jahr die Dauerbrenner des Oldenburger Rohrleitungsforums nicht zu kurz: Hierzu zählen die vielen Vortragsblöcke, die sich den verschiedenen Rohrmaterialien widmen, genauso wie die Blöcke zu den Themen grabenloser Leitungsbau, HDD oder Sanierung von Rohrleitungen. Zudem bildete der Korrosionsschutz von Rohrleitungen einen besonderen Schwerpunkt, aber auch Reizthemen wie das Fracking wurden in das Programm aufgenommen und kontrovers diskutiert.
Für die Verbindung von Wissenschaft und Praxis sorgte wie im Vorjahr die Vorstellung der Abschlussarbeiten der Studierenden der Jade Hochschule. Und um „Schlauchliner – der Weisheit letzter Schluss?“ drehte sich die Diskussion im Café.
Rohrleitungssysteme - Bausteine für die Zukunft
Und wie lautet das Fazit nach zwei Tagen in Oldenburg? Wie immer gab es eine Fülle von hochinteressanten und aktuellen Themen und den gewohnt intensiven Austausch, der für neue und wichtige Impulse sorgen wird. „Um die Herausforderungen der Energieversorgung in Zukunft zu meistern, wird es nicht nur einen Lösungsweg geben. Die Kombination der verschiedenen technischen Möglichkeiten wird zum Ziel führen und Rohrleitungssysteme werden dabei eine wichtige Aufgabe spielen“, fasste Prof. Wegener seine Eindrücke nach Beendigung der Veranstaltung zusammen. Dementsprechend ist Wegener fest davon überzeugt, dass dem Oldenburger Rohrleitungsforum auch in den nächsten Jahren die Themen nicht ausgehen werden. Das Motto für das 29. Oldenburger Rohrleitungsforum – es findet am 19. und 20. Februar 2015 statt – ist jedenfalls schon in Arbeit.
Oldenburger Rohrleitungsforum