Schallschutzwand aus Seecontainern
Platzsparender Lärmschutz beim KraftwerksbauIm Herzen des Ruhrgebiets baut die GuD Herne GmbH (GuDH) ein modernes
Gas- und Dampfturbinenkraftwerk. Um Anwohner während der Bauphase vor der
Geräuschkulisse abzuschirmen, setzt die GuDH auf eine Wand aus Seecontainern.
Am Standort Herne-Baukau errichtet die GuD Herne GmbH mit STEAG als 50 Prozent Anteilseigner und Siemens als Partner mit weiteren 50 Prozent für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag eines der modernsten Gas- und Dampfkraftwerke weltweit. Denn hocheffiziente und flexible GuD-Kraftwerke sind eine ideale und notwendige Ergänzung Erneuerbarer Energien wie Wind und Sonne, deren Erzeugungsleistungen schwanken.
Strom und Fernwärme
Mit einem Gesamtnutzungsgrad des eingesetzten Brennstoffs Erdgas von 85 Prozent wird das GuD Herne eine der effizientesten und umweltfreundlichsten Anlagen der Welt. Geplant ist eine elektrische Leistung von 608 Megawatt (MW). Damit können künftig rechnerisch rund 1,3 Millionen Haushalte mit Strom versorgt werden. Und mit der gleichzeitig erzeugten Wärmemenge von 400 MW sichert STEAG rechnerisch die umweltfreundliche Fernwärmeversorgung für rund 250.000 Wohnungen in den Städten Gelsenkirchen, Essen und Bottrop – ein Bauprojekt mit Symbolwirkung im lange von Steinkohle geprägten Ruhrgebiet.
Siemens – Experten im Kraftwerksbau
Die Arbeiten auf dem Kraftwerksgelände in Herne starteten im Herbst 2019. Der neue Block 6 wird neben dem letzten, in Betrieb befindlichen Steinkohleblock 4 erbaut. Siemens Gas and Power errichtet das Kraftwerk für die GuDH. Erst 2016 schlossen die Experten für den Kraftwerksbau die Errichtung des weltweit modernsten Gas- und Dampfkraftwerks in Düsseldorf ab. Nur rund 60 Kilometer entfernt entsteht nun das nächste moderne und hochflexible GuD-Kraftwerk. Doch jede Baustelle ist anders und steckt voller neuer Herausforderungen – in Herne gab es bei der Einrichtung davon drei:
• Bombenverdachtspunkte vor Baubeginn
• Enge Bauverhältnisse auf dem Gelände
• Ein Wohngebiet, das eine Lärmschutzwand erfordert
Untersuchungen der Bombenverdachtsfunde
Standardmäßig war vor Baubeginn eine Kampfmittelsondierung notwendig. Gerade im Ruhrgebiet werden häufig Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Auch auf dem STEAG-Gelände in Herne Baukau ergaben sich zunächst mehrere Verdachtspunkte. Nachdem sich der anfängliche Verdacht jedoch nicht bestätigte, konnte es ungehindert weitergehen.
Besondere Planung bei beengten Verhältnissen
Aufgrund der engen Platzverhältnisse zwischen Rhein-Herne-Kanal und den Autobahnen A42 und 43 braucht es eine durchdachte Planung und Umsetzung. „Maschinen und Rohrleitungspakete werden wir zum Beispiel modular voranfertigen, um Montagezeiten und -bedingungen optimieren zu können“, erklärt Projektleiter Frank Wesler, Siemens Gas and Power. So wird beispielsweise auch das Herzstück des Kraftwerks, die hocheffiziente Turbine, im nahegelegenen Werk in Mülheim an der Ruhr gefertigt und teilmontiert angeliefert. Vor Ort müssen Module wie dieses dann nur noch verbaut werden. „Das spart viel Raum für andere Baumaßnahmen“, erklärt Wesler weiter.
Lärmschutz für das nahe Wohngebiet
Von den engen Platzverhältnissen und der Kampfmittelsondierung war auch die geplante Lärmschutzmaßnahme betroffen. Aufgrund der Entfernung einzelner Wohngebäude zum Baufeld und den geräuschintensiven Pfahlgründungsarbeiten entschied sich die GuDH für die temporäre Errichtung einer Schallschutzwand; oft geraten Baustellen aufgrund von Lärmschutzklagen schließlich in Verzug. Insbesondere Gründungs- und Rohbauarbeiten sind laut Umweltbundesamt die häufigste Ursache für eine hohe Geräuschbelastung.
Studien zu Baustellenlärm
Eine in 2002 durch das Bundesumweltamt durchgeführte Befragung ergab, dass sich mehr als die Hälfte aller Befragten von Baulärm belästigt fühlte – und 50 Prozent davon sogar wesentlich belästigt. Menschen empfinden durch Bautätigkeiten hervorgerufene Lärmbelästigung offensichtlich störender als Schienen- oder Gewerbelärm. Eine mögliche Begründung: Die Geräuschkulisse ändert sich immer wieder. So entsteht kein Gewöhnungseffekt, wie beispielsweise bei Schienenlärm.
Eine Studie des Fraunhofer Instituts für Bauphysik und der Universität Stuttgart aus dem Jahr 2007 von Haltenorth, Weber, Leistner und Mehra konstatiert, dass die Belästigung auch beim Einsatz leiserer Baumaschinen nicht abnimmt. Dies könne unter anderem an der Verlagerung von Baustellen in bewohnten Gegenden liegen. Zudem seien Lärmschutzmaßnahmen häufig schwierig umzusetzen.
Aufgrund der geringen Entfernung einzelner Wohngebäude zum Baufeld und den geräuschintensiven Pfahlgründungsarbeiten entschieden sich Siemens und STEAG für die temporäre Errichtung einer Schallschutzwand. Anwohner sollten von Anfang an vor Lärmbelastung geschützt werden. Die Anforderungen: Die Schallschutzwand musste flexibel und schnell aufgebaut werden, effektiv den Lärm abschirmen, sich im modularen Aufbau nahtlos dem eng gesteckten Projektterminplan anpassen sowie mindestens zweimal verschiebbar sein. Zudem musste sich die Maßnahme auch für die engen Bauverhältnisse eignen.
„Die einzig modulare Lösung, die uns all das bieten konnte, waren Seecontainer“, weiß Daniel Mühlenfeld, Pressesprecher STEAG. Was zunächst einmal ungewöhnlich klingt, hat sich bereits bei zahlreichen Großprojekten bewährt. Einzelne Unternehmen haben sich auf diesen Einsatz von Containern spezialisiert. In der nationalen Ausschreibung von Siemens setzte sich Bloedorn Container durch.
Bewährtes System
Auf diversen Großbaustellen, wie unter anderem dem Abriss des Gebäudes der Deutschen Welle in Köln, hat sich der Container-Schallschutz bereits bewährt. „Seecontainer sind dafür konstruiert, schnell von A nach B transportiert, gestapelt und im Handumdrehen gesichert zu werden. Schon für ihren ursprünglichen Einsatzzweck auf großen Umschlagplätzen wie dem Rotterdamer oder Hamburger Hafen müssen sie sich schnell bewegen lassen. Überfahrten auf hoher See mit starkem Wellengang müssen sie unbeschadet überstehen. Sie lassen sich ohne Abspannungen bis zu 10 Meter hoch stapeln. Wandert die Baustelle, sind die Boxen schnell versetzt. Mit speziellen Verriegelungen für Container (Twistlocks) gesichert und in der unteren Lage ballastiert, halten sie höchsten Windlasten stand. Die massive Konstruktion hält Schall bestens ab“, erklärt Mathias Weber, Geschäftsführer Bloedorn Container.
Durch die nötigen Sondierungsarbeiten des Kampfmittelräumdienstes konnte die Lärmschutzwand jedoch nicht, wie üblich, innerhalb weniger Tage aufgebaut werden, sondern in zwei Etappen. „Bereits vor Beginn des Projektes brachten wir Container aus einem anderen Einsatz direkt nach Herne und parkten sie am Rande der Baustelle zwischen. Mit der offiziellen Weiterführung lieferten wir im Anschluss die weiteren benötigten Container vor Ort an. Zeitgleich dazu vollzogen wir den Aufbau der Wand per Kran und Stapler. Alles in allem dauerte der Aufbau der gut 250 Meter langen Lärmschutzwand trotzdem nur maximal eine Woche“, berichtet Weber.
Positive Zwischenbilanz
„Nach einem Jahr Baustelle ziehen wir positive Bilanz. Wir liegen gut im Zeitplan und können den Termin für den kommerziellen Dauerbetrieb Ende 2022 festhalten“, sagt Mühlenfeld. „Passend zum ökologischen Anspruch, den wir mit der neuen Anlage verfolgen, haben wir mit der Stadt Herne vereinbart, Ausgleichspflanzungen am Kraftwerksstandort und der näheren Umgebung vorzunehmen.“
„Das Projekt der STEAG ist die größte Einzelinvestition in der Wirtschaftsgeschichte Hernes“, sagte Frank Dudda, Oberbürgermeister von Herne bereits zu Baubeginn. Auch unter konjunkturellen Aspekten gewann das Herner Stadtoberhaupt dem Vorhaben viel ab. Schon während der Bauphase sollen 400 bis 600 Menschen Beschäftigung finden.
Bloedorn Container GmbH
www.bloedorn-container.de