Analyse der Arbeitsmodulnutzung in der Baupraxis

Eine Untersuchung zur Konzeptanwendung und -wirksamkeit

Die Bauwirtschaft steht vor erheblichen Herausforderungen durch den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel. Es ist notwendig, den aktuellen Status quo zu analysieren und praxisnahe Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

1 Das Berufsfeld der Bauleitung

Die Bauwirtschaft hat sich als stabiler Arbeitsmarkt etabliert und spielt eine wesentliche Rolle bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen. Im Kontext des demografischen Wandels stellt der bestehende Fachkräftemangel jedoch ein erhebliches Problem dar [1]. Trotz stetig steigender Absolventenzahlen in den Bereichen Architektur und Bauingenieurwesen können zwei von drei Bauunternehmen ihre offenen Stellen im Tätigkeitsfeld der Bauleitung nicht besetzen (Stand 2021) [2, 3].

Vor diesem Hintergrund bieten die derzeitigen Arbeitsbedingungen wenig attraktive Rahmenbedingungen für junge, gut ausgebildete Nachwuchskräfte. Insbesondere das Berufsbild der Bauleitung ist in der Gesellschaft mit negativen Assoziationen wie hohem Stress, wenig Urlaub, ungeregelten Arbeitszeiten und einer schlechten Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben verbunden [4, 5]. Es ist daher notwendig, den aktuellen Status quo von Beschäftigten und Nachwuchskräften zu erheben und Handlungsempfehlungen für Unternehmen zu entwickeln. Diese Empfehlungen sollten darauf abzielen, den gegenwärtigen Trend umzukehren und praxisnahe, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, die sowohl die Bedürfnisse der Unternehmen als auch der Mitarbeitenden berücksichtigen.

2 Betrachtete Arbeitsmodule und ihre Ausprägungen

Ein Ansatz zur Steigerung der Attraktivität im Tätigkeitsfeld der Bauleitung ist die Entwicklung von Handlungsempfehlungen in Form von Arbeitsmodulen, die bedeutende Anreize für die Arbeitnehmenden bieten und ihre Anstrengungen im Berufsfeld angemessen entlohnen [6]. Im Folgenden werden die verschiedenen Arbeitsmodule und deren Ausprägungen vorgestellt, die die inhaltliche Basis für die nachfolgend dargestellte Auswertung der durchgeführten Experteninterviews bilden (siehe Abbildung).

2.1 Arbeitszeiterfassung

Die Arbeitszeiterfassung dient der Überwachung und Einhaltung gesetzlicher Höchstarbeitszeiten. Arbeitszeitkonten erfassen die Differenz zwischen geplanten und geleisteten Stunden und bieten einen Überblick über die gesamte Arbeitszeit. Diese Methode muss objektiv, zuverlässig und zugänglich sein, um den rechtlichen Anforderungen zu entsprechen (EuGH 14.05.2019, C-55/18). Arbeitszeiterfassung ist eine wichtige Maßnahme des Arbeitsschutzes. Arbeitszeitkonten steigern die Flexibilität und Produktivität von Unternehmen und bieten Arbeitnehmenden durch Langzeitarbeitskonten die Möglichkeit für Freizeitausgleich und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie [7].

2.2 Eingliederung

Die Eingliederung von Mitarbeitenden umfasst gezielte Maßnahmen zur Einarbeitung, Orientierung und Integration, die den Start in ein neues Arbeitsumfeld erleichtern sollen. Dies betrifft sowohl neue Mitarbeitende als auch solche, die nach einer Beförderung oder einer längeren Abwesenheit zurückkehren. Ziel ist es, dass die neuen Mitarbeitenden schnell in das Team inte­griert werden und effektiv ihre Verantwortungsbereiche übernehmen können. Eine strukturierte Integration trägt nicht nur zur Bindung und Zufriedenheit der Mitarbeitenden bei, sondern auch zur Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit und Produktivität [8].

2.3 Freistellung

Eine Mitarbeiterauszeit, auch Sabbatical genannt, ermöglicht es Beschäftigten, für einen bestimmten Zeitraum von ihrer beruflichen Tätigkeit abwesend zu sein, ohne den Arbeitsplatz aufgeben zu müssen. Diese Auszeit kann bezahlt oder unbezahlt sein und erstreckt sich über einen längeren Zeitraum als herkömmlicher Urlaub. Sie bietet den Mitarbeitenden die Möglichkeit zur Regeneration, Weiterbildung oder Verfolgung persönlicher Projekte, was ihre Motivation und Zufriedenheit steigert. Unternehmen können durch die Gewährung von Mitarbeiterauszeiten ihre Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen und talentierte Fachkräfte langfristig binden [9].

2.4 Arbeitszeitverteilung

Die Regelungen zur Arbeitszeit spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der zukünftigen Arbeitswelt, insbesondere hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Studien [10] zeigen, dass Beschäftigte einen hohen Bedarf an Flexibilität bezüglich Arbeitszeit und -ort haben. Es ist jedoch essenziell, dass diese Flexibilität nicht zu einer Überlastung der Mitarbeitenden führt. Die Gestaltung der Arbeitszeit ist ein komplexer Prozess, der stark von den individuellen Unternehmensparametern beeinflusst wird, wie beispielsweise vertraglichen Vereinbarungen oder Standortbedingungen. Daher ist es empfehlenswert, maßgeschneiderte Lösungen für jedes Unternehmen zu entwickeln, die die Interessen der Mitarbeitenden berücksichtigen und den Betriebsrat (falls vorhanden) einbeziehen [11].

2.5 Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur ist im Management ein entscheidender Erfolgsfaktor. Studien zeigen, dass in deutschsprachigen Ländern 47 Prozent der Führungskräfte die Entwicklung der Unternehmenskultur als oberste Priorität betrachten (2017). Laut einer Studie von Deloitte (2016) betrachten 82 Prozent der Managerinnen und Manager die Unternehmenskultur als potenziellen Wettbewerbsfaktor. Trotz nahezu 40 Jahren intensiver Untersuchungen bleibt der Begriff vielfältig interpretierbar und flexibel anwendbar. Die häufige Verwendung im Sprachgebrauch führt dazu, dass er für verschiedene Zwecke genutzt wird, wobei die Verantwortung oft kollektiv getragen wird. Dies ermöglicht einen erheblichen Interpretationsspielraum und führt dazu, dass die Unternehmenskultur häufig zur Erklärung von Misserfolgen herangezogen wird, ohne dass eine alleinige Verantwortlichkeit übernommen wird [12].

2.6 Vergütung

Mitarbeiterbonifikationen, auch Mitarbeiterprämien oder -anreize genannt, sind zusätzliche Vergünstigungen von Arbeitgebern, um Leistung, Motivation und Loyalität der Beschäftigten zu erhöhen. Sie werden üblicherweise als Anerkennung für herausragende Leistungen oder spezifische Erfolge vergeben und können monetär oder nicht-monetär sein. Die Ausgestaltung variiert je nach Unternehmen, doch das gemeinsame Ziel ist die Motivation und Bindung der Mitarbeitenden. Dies kann zu effizienterer Arbeitsleistung und auch zur Förderung der Unternehmensliquidität führen, wobei sowohl Mitarbeitende als auch Unternehmen davon profitieren können [13].

2.7 Arbeitsort

Der „Arbeitsort“ ist der Ort, an dem die Arbeitsleistung erbracht wird. Normalerweise erstreckt sich die organisatorische Reichweite über den gesamten Bereich, in dem die Arbeitnehmer tätig sind. Wenn ein Arbeitnehmer in mehreren Betrieben tätig ist, wird angenommen, dass das Arbeitsverhältnis nur für einen bestimmten Betrieb besteht, es sei denn, es gibt eine anderslautende Vereinbarung. Tätigkeiten außerhalb des regulären Arbeitsorts, wie z. B. Einsätze auf Baustellen, gelten als Einsatzorte [14]. Der „Arbeitsplatz“ ist der konkrete Ort innerhalb eines Betriebs, an dem die Arbeitnehmenden ihre beruflichen Tätigkeiten normalerweise ausführen. Der „Arbeitsweg“ ist die kürzeste, ununterbrochene Strecke zwischen Wohnort und Arbeitsort zu den regulären Arbeitszeiten. Der „Reiseweg“ führt vom regulären Arbeitsort zum Einsatzort [14].

3 Auswertung der Expertenbefragungen

Zur Analyse der Verbindung zwischen der Anwendung spezifischer Arbeitsmodule und den Unternehmensmerkmalen wurden Experteninterviews mit einer Vielzahl von Unternehmen durchgeführt. Dabei wurden insbesondere Mitarbeitende der Personalabteilungen in größeren Unternehmen befragt. Neben der Erfassung der angewandten Arbeitsmodule wurden auch die Gründe für oder gegen ihre Nutzung ermittelt. Die teilnehmenden Unternehmen reichten von kleinen Unternehmen mit bis zu 10 Arbeitnehmenden bis zu größeren Unternehmen mit etwa 10.000 Beschäftigten, die verschiedene Tätigkeitsfelder wie Spezialtiefensanierung, Infrastrukturbau, Kanalbau und weitere abdecken.

Zu Beginn der Interviews wurden die Experten nach ihrem regionalen, nationalen oder internationalen Tätigkeitsbereich befragt sowie nach der Entfernung, die die Mitarbeitenden im Durchschnitt von ihrem Wohnort zum Arbeitsplatz zurücklegen müssen. Dabei wurde festgestellt, dass die meisten Unternehmen bestrebt sind, ihren Mitarbeitenden eine Rückkehr in ihre Heimatorte am Abend zu ermöglichen, was insbesondere durch verschiedene Niederlassungen bei überregional tätigen Unternehmen realisiert wird. Zudem werden Aufträge mit lokalem Bezug bevorzugt behandelt, sofern dies die Auftragslage erlaubt. Dennoch sind Auswärtseinsätze in einigen Fällen unvermeidlich, besonders in spezialisierten Bauunternehmen mit einem weitreichenden Einzugsgebiet.

Das Arbeitsmodul Arbeitsort, einschließlich Homeoffice und flexibler Arbeitsplatzgestaltung, wird von den meisten Unternehmen angeboten, mit nur einer Ausnahme. Die Mitarbeitenden erhalten in der Regel ein flexibles wöchentliches Kontingent, das zur Verfügung steht. Bei der Projektarbeit liegt die Verantwortung beim einzelnen Beschäftigten, wobei die Erreichung der gesetzten Ziele im Vordergrund steht. Besonders bei Bauprojekten ist eine angemessene Besetzung auf der Baustelle entscheidend, um Homeoffice für Bauleiter anzubieten. Die Umsetzbarkeit und Ausprägung dieses Arbeitsmodells werden maßgeblich von den Rahmenbedingungen des Projekts beeinflusst, darunter die Baustellenbesetzung und das Projektvolumen. Die Einführung von Homeoffice hat verschiedene Gründe, darunter die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die eine erzwungene Implementierung erforderlich machten. Viele Unternehmen bieten Homeoffice an, um die Work-Life-Balance zu verbessern und ihren Mitarbeitenden bei familiären Verpflichtungen entgegenzukommen. Obwohl im operativen Bereich weniger Homeoffice möglich ist, bieten einige Unternehmen gewerblichen Angestellten zusätzlichen Urlaub als Ausgleich an. Generell wird das Arbeitsmodul von den meisten Unternehmen als praktikabel angesehen, wobei die Anwendung weniger von der Branche oder Unternehmensgröße abhängt als vielmehr von den spezifischen Randbedingungen und der Ausstattung der Baustellen sowie dem Personalrahmen. In einigen Unternehmen wird das Modell daher nur in begrenztem Umfang genutzt, während es in einem einzigen Fall grundsätzlich abgelehnt wird.

Die Bereitschaft der Unternehmen, Teilzeitarbeit im Rahmen des Moduls Arbeitszeitdauer anzubieten, ist grundsätzlich vorhanden, obwohl das Modell nicht aktiv beworben wird, da Vollzeitstellen weiterhin als wirtschaftlich ideal angesehen werden. Dennoch zeigen Unternehmen Bereitschaft zur Verhandlung, insbesondere bei entsprechender Nachfrage. In der Bauleitung ist die Nachfrage nach Teilzeitarbeit jedoch noch nicht weit verbreitet. Einige Unternehmen bieten sogar auf bestimmten Bauprojekten Jobsplitting oder Jobsharing an, bei dem die Arbeitszeit zwischen den Mitarbeitenden aufgeteilt wird. Die Möglichkeit der Teilzeitarbeit in der Bauleitung hängt stark von der individuellen Zusammensetzung des Personals ab, wobei Unternehmen bereit sind, die Arbeitszeit an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden anzupassen. Interessanterweise führt eine reduzierte Arbeitszeit oft zum Jobsharing, da die fehlende Präsenzzeit auf der Baustelle durch andere Beschäftigte kompensiert werden muss. Insgesamt zeigen sich Unternehmen in Bezug auf Teilzeitarbeit eher zurückhaltend, jedoch offen für Gespräche. In der Bauleitung sind verschiedene Arbeitszeitregelungen üblich. Gleitzeitregelungen bieten den Bauleitenden Flexibilität. Einige Unternehmen legen Kernarbeitszeiten fest, während in den meisten Fällen Vertrauensarbeitszeit praktiziert wird. Die Flexibilität der Arbeitszeit richtet sich nach dem Bauablauf und den Projektphasen. Während passender Projektphasen liegt die Arbeitszeitgestaltung in der Verantwortung der Baustellenteams und wird intern abgestimmt. Jobsharing wird selten angeboten, hauptsächlich aufgrund geringer Nachfrage der Arbeitnehmenden. Es ermöglicht jedoch Optionen wie die Einführung eines verkürzten Freitags oder eines Rotations- bzw. Schichtarbeitsmodells bei den Bauleitenden und Polieren.

Viele Unternehmen verwenden tarifgebundene Entlohnungsmodelle oder orientieren sich an Tarifverträgen, indem sie Weihnachtsgelder, Prämien und weitere Zusatzleistungen anbieten. Einige belohnen Beschäftigte mit einem Prämiensystem, das sich am Unternehmensgewinn orientiert, und bieten Vergünstigungen wie Jobräder an. Andere setzen auf individuelle Prämien basierend auf Leistung und Erfolg sowie auf Weiterbildungen zur Wertschätzung der Mitarbeitenden. Die Implementierung eines Vergütungssystems wird von den meisten Unternehmen als umsetzbar angesehen, wobei in einigen Fällen die Entscheidung über Boni und Gehaltserhöhungen allein beim Management liegt.

In Bauunternehmen wird die Unternehmenskultur zunehmend als strategisches Instrument zur Attraktivitätssteigerung und Außenwirkung eingesetzt. In größeren Unternehmen wird ein klar definiertes Leitbild von der Geschäftsleitung initiiert und aktiv gelebt, wobei regelmäßige Mitarbeiterumfragen eine kontinuierliche Bewertung und Anpassung ermöglichen. Die Unternehmenskultur dient auch dazu, potenzielle Arbeitnehmende anzusprechen, indem sie Eigenschaften wie Familienfreundlichkeit und Teilzeitbeschäftigung mit dem Unternehmens-image verknüpft. Zusätzlich reguliert die Unternehmenskultur Hierarchien und den Umgang unter den Beschäftigten, wobei in den meisten Fällen ein Feedback-Mechanismus in beide Richtungen implementiert ist. In kleineren Unternehmen erfolgt dieser Feedback-Prozess oft nur in eine Richtung. Flache Hierarchien und regelmäßige Mitarbeitergespräche sind übliche Praktiken, die klare Zielsetzungen und Wertschätzung fördern sollen.

Die Eingliederung neuer Mitarbeitenden oder solcher, die aus einer Auszeit zurückkehren, wird in Unternehmen individuell angegangen. Während einige direkt in den Arbeitsalltag einsteigen, erhalten andere Unterstützung bei auftretenden Schwierigkeiten. In einigen Fällen wird ein Generationentandem eingesetzt, wenn die Projektgröße dies ermöglicht. Die Integration erfolgt oft je nach den individuellen Umständen. Dies kann einen Teilzeit-Wiedereinstieg oder einen Wechsel in andere Abteilungen umfassen, um einen sanfteren Übergang zu ermöglichen. Es wurde festgestellt, dass ein Wechsel von operativen Baustellenpositionen in die Verwaltung mit einem Verlust an Stolz verbunden sein kann, insbesondere für männliche Beschäftigte, die einen Gesichtsverlust vermeiden möchten. Unternehmen streben in der Regel kurze Übergangszeiten an und bevorzugen eine Rückkehr zur Vollzeitarbeit. Individuelle Lösungen und Absprachen werden getroffen, um Arbeitnehmende zu halten, wobei die Vollzeitanstellung als Idealsituation betrachtet wird.

Die Unternehmen stellen ihren Angestellten im Rahmen der Sachausstattung eine Grundausstattung für ihre Tätigkeiten zur Verfügung. Zusätzliche Ausrüstung kann auf Anfrage bereitgestellt werden, wobei Mitarbeitende möglicherweise eine Eigenbeteiligung für persönliche Ausrüstung leisten müssen. Die Wartung und Reparatur von Ausrüstung werden zeitnah durchgeführt, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitssicherheit.

In den meisten Fällen werden Freistellungen nicht aktiv angeboten, aber gesetzliche Freistellungen wie Elternzeit oder Mutterschutz werden selbstverständlich gewährt. Insbesondere in der Bauleitung ist eine Zunahme männlicher Bauleiter in Elternzeit zu beobachten. Die Möglichkeit eines Sabbaticals ist bekannt, wird aber aufgrund geringer Nachfrage in den meisten Fällen nicht aktiv angeboten. Ein Unternehmen bietet ein Zeitwertkonto an, auf dem Überstunden gesammelt und bei Bedarf in bezahlten Urlaub umgewandelt werden können. Bildungsurlaub oder zusätzliche freie Tage können bei ausreichender Personaldecke angeboten werden, wobei eine reibungslose Ablaufsicherung gewährleistet sein muss.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Die Bauwirtschaft, ein stabiler Arbeitsmarkt, steht vor erheblichen Herausforderungen durch den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel, der trotz steigender Absolventenzahlen in Architektur und Bauingenieurwesen zwei von drei Bauunternehmen daran hindert, offene Bauleitungsstellen zu besetzen (Stand 2021). Negative Assoziationen wie hoher Stress, wenig Urlaub, ungeregelte Arbeitszeiten und schlechte Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben machen das Berufsbild der Bauleitung für junge, gut ausgebildete Nachwuchskräfte un-attraktiv. Es ist notwendig, den aktuellen Status quo zu analysieren und praxisnahe Handlungsempfehlungen zu entwickeln, um attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, die den Bedürfnissen der Unternehmen und Mitarbeitenden gerecht werden.

Die Analyse der Anwendung spezifischer Arbeitsmodule hat durch Experteninterviews mit einer Vielzahl von Unternehmen wertvolle Erkenntnisse erbracht. Es wurde festgestellt, dass die Anwendung von Arbeitsmodulen wie Homeoffice, flexiblen Arbeitsplätzen und Teilzeitarbeit stark von den individuellen Rahmenbedingungen der Unternehmen abhängt. Die Bereitschaft zur Einführung solcher Modelle ist weitgehend vorhanden, wird jedoch unterschiedlich umgesetzt. Während einige Unternehmen auf tarifgebundene Entlohnungsmodelle und strukturierte Unternehmenskulturen setzen, bieten andere flexible und individuelle Lösungen an, um die Zufriedenheit und Bindung ihrer Mitarbeitenden zu erhöhen. Die Untersuchungen haben weiterhin gezeigt, dass besonders in der Bauleitung spezifische Herausforderungen und Anpassungsbedarfe bestehen. Hier ist die Nachfrage nach flexiblen Arbeitsmodellen noch gering, und die Umsetzung erfordert gezielte Strategien und die Anpassung an projektbezogene Erfordernisse. Die Unternehmenskultur spielt eine entscheidende Rolle bei der Attraktivität von Unternehmen, insbesondere durch die Betonung von Familienfreundlichkeit und flachen Hierarchien.

Zukünftig sollten Unternehmen ihre Ansätze zur Implementierung von Arbeitsmodulen weiterentwickeln und flexibilisieren, um den Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden besser gerecht zu werden. Eine verstärkte Förderung und Kommunikation von Teilzeit- und Homeoffice-Möglichkeiten könnten helfen, die Zufriedenheit und Bindung der Beschäftigten zu erhöhen. Dabei sollten individuelle Lösungen und Absprachen weiterhin im Fokus stehen, um den spezifischen Anforderungen und Lebenssituationen der Beschäftigten gerecht zu werden. Zusätzlich könnte eine systematischere und flächendeckendere Anwendung von Zeiterfassungssystemen und Prämienmodellen die Transparenz und Fairness in den Unternehmen erhöhen. Die Förderung von Weiterbildungen und die Anerkennung individueller Leistungen sollten weiterhin als zentrale Elemente der Mitarbeiterbindung betrachtet werden. Insgesamt zeigt die Befragung, dass die gezielte und flexible Anwendung von Arbeitsmodulen in der Baupraxis nicht nur zur Steigerung der Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit beiträgt, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erhöhen kann. Zukünftige Forschungen könnten sich auf die langfristigen Auswirkungen dieser Modelle auf die Unternehmensleistung und die Bindung der Mitarbeitenden konzentrieren, um bestmögliche Praktiken zu identifizieren und weiterzuentwickeln.

Literatur

[1] L. M. Helen Hickmann: Fachkräftereport September 2021 – Der Fachkräftemangel nimmt wieder zu. S. 6. [Online]. Verfügbar unter: https://www.iwkoeln.de/studien/helen-hickmann-lydia-malin-der-fachkraef temangel-nimmt-wieder-zu.html (Zugriff am: 8. Februar 2022)

[2] Deutscher Industrie- und Handelskammertag, „DIHK-Report Fachkräfte 2021: Fachkräfteengpässe schon über Vorkrisenniveau“, Berlin, Brüssel, Nov. 2021. [Online]. Verfügbar unter: https://www.dihk.de/resour ce/blob/61638/9bde58258a88d4fce8cda7e2ef300b9c/dihk-report-fachkraeftesicherung-2021-data.pdf

[3] Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., Studenten im Bauingenieurwesen: Zahlen & Fakten. [Online]. Verfügbar unter: https://www.bauindustrie.de/zahlen-fakten/bauwirtschaft-im-zahlenbild/ studenten-im-bauingenieurwesen (Zugriff am: 16. Februar 2022)

[4] BIBB/BAuA-2012, Arbeitsbedingungen am Bau – Immer noch schwere körperliche Arbeit trotz technischen Fortschritts: Factsheet 11. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Dortmund, 2014. [Online]. Verfügbar unter: https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Fakten/BIBB-BAuA-11.html

[5] Schneller, Martina: Modell zur Verbesserung der Lebensarbeitsgestaltung von Baustellen-Führungskräften: Praxisrelevante Werkzeuge., DOI:10.1007/978-3-658-10996-7_4 Springer-Verlag, 2015

[6] B. Badura, H. Schellschmidt und C. Vetter, Hg.: Fehlzeiten-Report 2003: Wettbewerbsfaktor Work-Life- Balance-Zahlen, Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft. Berlin, Heidelberg, s.l.: Springer Berlin Heidelberg, 2004

[7] „BAG, Beschluss vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21-Arbeitszeiterfassungspflicht des Arbeitgebers“ Retrieved 28.11, 2023, aus https://www.kav-nw.de/de/Aktuelles/Rechtsprechung-Rechtsfragen/Rechtsprechung- Rechtsfragen1/BAG-Beschluss-vom-13.09.2022-1-ABR-22-21-Arbeitszeiterfassungspflicht-des- Arbeitgebers-.html

[8] Schnell Nils, Schnell Anna: New Work Hacks. Wiesbaden: Springer Gabler, 2019

[9] Hellert Ulrike: Arbeitszeitmodelle der Zukunft. Freiburg: Haufe, 2018

[10] bitkom (2019) (Hrsg) New Work: Wie arbeitet Deutschland? https://www.bitkom.org/sites/default/ files/2019-09/bitkom-charts-new-work-i-11-09-2019_final_0.pdf (abgerufen am 22.11.2023)

[11] Altun, Hartmann: Handlungsfelder der aktuellen und zukünftigen Arbeitszeitgestaltung, in: Die Zukunft der Arbeit, 2023, S. 99

[12] Josef Herget and Herbert Strobl: „Unternehmenskultur – Worüber Reden Wir?“ Unternehmenskultur in der Praxis: Grundlagen – Methoden – Best Practices (2018): 4

[13] Bellmann, L., Kleinhenz, G.: „Systeme der Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland: Grundsätzliche Überlegungen und Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel zur Verbreitung, Beteiligung und zum Produktivitätseffekt“, in: „Mitarbeiterbeteiligung – Visionen für eine Gesellschaft von Teilhabern“,

Klaus-R. Wagner (Hrsg.), Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler, Wiesbaden 2002, S. 54

[14] Roland Müller, Céline Hofer und Manuel Stengel: „Arbeitsort und Arbeitsweg“, AJP 4 (2015): 565

Bergische Universität Wuppertal
Lehr- und Forschungsgebiet Baubetrieb und Bauwirtschaft

Im Fokus des Lehr- und Forschungsgebiets Baubetrieb und Bauwirtschaft der Bergischen Universität Wuppertal steht der Lebenszyklus von Bauprojekten. In der Ausbildung zum Bauingenieur bzw. zur Bauingenieurin werden Kenntnisse über die Bauwirtschaft vermittelt. Die Studierenden erlernen rechtliche Grundlagen und erfahren, wie eine Baustelle funktioniert. Sie lernen, wie man Bauprojekte entwickelt, kalkuliert und managt.

In der Forschung stehen Zukunftsthemen der Bauwirtschaft im Vordergrund. Der Fokus liegt dabei auf der Nachhaltigkeit der Bauindustrie. Analog zur Betrachtung der Wertschöpfungsketten und Prozessen des gesamten Gebäudelebenszyklus, werden Optimierungspotenziale in der Arbeitsvorbereitung, Arbeitssicherheit und der Digitalisierung untersucht. Ein weiteres Anliegen ist es, dem bestehenden Fachkräftemangel in der Bauindustrie durch innovative Ansätze und Arbeitsmodelle entgegenzuwirken.

www.baubetrieb.uni-wuppertal.de

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