Ausbilden ja – aber bitte richtig

Aufbrausendes Ärgerlichwerden hilft nicht weiter

Der Umgang mit den heutigen Auszubildenden, so ist aus berufenen Mündern zu hören, sei aufgrund diverser Defizite doch recht schwierig. Wenn auch an dieser grundsätzlichen Tatsache zunächst wenig zu ändern sein dürfte, gänzlich hilflos stehen die Ausbilder nicht in der Situation. Mit ihrem eigenen Verhalten haben sie ein Steuerungsinstrument in Hand, mit dem sich doch einiges bewirken und zum Besseren wenden lässt.

Bestandsaufnahme

Diverse Untersuchungen der letzten Zeit zeichnen ein wenig erbauliches Bild von Ausbildungsreife und -willen der in das berufliche Leben wechselnden Jugendlichen. Es hapert nicht nur beim Wissen und Wollen, auch das Eigenschaftsbündel, das gemeinhin unter dem begriff „soziale Kompetenzen“ zusammengefasst wird, leidet schwere Not. Mit anderen Worten, Selbstverständliche Anstrengung, Mitdenken, ganz und gar vorausschauendes, das, was vor noch gar nicht so lange Zeit mit dem Begriff „mit den Augen stehlen“ umschrieben wurde, Lern- und überhaupt Verhaltensdisziplin ebenso wie die Bereitschaft, sich auch mal selbstkritisch zu sehen und ein wenig achtsam mit anderen umzugehen, sind bei den heutigen Auszubildenden in der Tendenz defizitäre Verhaltenseigenschaften. Die mit der Ausbildung Betrauten oder Lehrherren sind um ihre Aufgabe also nicht zu beneiden. Solange noch heftig und nicht immer der Sache dienlich über Ursachen dieser Fehlentwicklung und die Möglichkeiten zu deren Behebung gestritten wird, bleibt den Ausbildungsverantwortlichen deshalb nichts anderes übrig, als der Versuch, diesem Dilemma sozusagen mit den Bordmitteln eigener Qualitäten, vor allem denen des Verhaltens, ein wenig das Entnervende und Entmutigende und auch Kräftezehrende zu nehmen. Soll heißen, die unterentwickelte bis nicht vorhandene intrinsische Motivation (*) der Jugendlichen in jeder Hinsicht durch geschicktes Führungsverhalten wachzurufen und zu fördern. (*bezieht sich auf einen Zustand, bei dem wegen eines inneren Anreizes, der in der Tätigkeit selbst liegt, gehandelt wird. Eine hohe intrinsische Motivation wird oft als Voraussetzung für kreative Leistung angesehen)

Dabei spielen für den Entwicklungspsychologen Professor Jürg Frick von der Pädagogischen Hochschule Zürich „echte Wertschätzung und ermutigend-klare Rückmeldungen eine wesentliche Rolle.“ Aufbrausendes Ärgerlichwerden helfe wenig weiter.

 

Atmosphärisches

„Je weniger konfrontativ und unaufgeregt das Verhältnis zwischen den Ausbildenden und den Auszubildenden ist, desto leichter fällt und gelingt das“, betont Frick. Nicht zuletzt auch deshalb weil „in diesem Alter junge Menschen sehr verletzlich sind, noch auf der Suche nach ihrer Identität und weil sie ihre eigenen Stärken und Schwächen noch kennen lernen müssen.“ Entwicklungsbedingte Sensibilität oder Überempfindlichkeit sowie manchmal auch ungeschicktes Vorgehen der Ausbilder sowie eigene Defizite der Jugendlichen, beispielsweise mangelnde Impulskontrolle und Selbststeuerung, gingen hier „ein spannendes Wechselspiel ein.“

 

Rat und Tat

Die Ausbildenden tun folglich gut daran, den Rat von Michael Kastner, Professor für Organisationspsychologie an der Universität Dortmund, zu beherzigen: „Atmosphäre ist beileibe nicht alles, aber ohne stimmige Atmosphäre ist die Gefahr, dass aus allem viel schneller nichts wird, erheblich größer.“ Was in der Quintessenz bedeutet: Verhalten wirkt mehr als Appelle. Und Bewirken mehr als Erzwingen. Was also trägt in der Interaktion von Ausbildern und Auszubildenden zur „stimmigen Atmosphäre“ bei? Es folgen hierzu einige zentrale Punkte.

1. Bemühen Sie sich im Umgang mit den Ihnen anvertrauten jungen Menschen, die Dinge und Umstände immer wieder auch aus deren Perspektive und der von Ihrer vermutlich sehr unterschiedlichen Weltsicht zu sehen. Versuchen Sie, sich in die „Denke“ und auch die menschliche Situation Ihrer Auszubildenden „einzuloggen“, deren Sprache und deren Umgangsgepflogenheiten zu verstehen – ohne sich dabei anzubiedern und Ihre eigene Identität auf dem Altar dieses Bemühens zu opfern. Das vergrößert Ihre situativen Einflussmöglichkeiten.

2. Behandeln Sie Ihre Auszubildenden nie als (lästige) Nebensache. Hören Sie in jedem Fall konzentriert hin und zu. Geben Sie Ihren Auszubildenden in jeder Hinsicht das, was Sie umgekehrt auch von ihnen verlangen (müssen), Aufmerksamkeit. Machen Sie also parallel nichts anderes, während sie in einem Gespräch sind. Vermitteln Sie Ihren Auszubildenden das Gefühl, durchaus wichtig und auch wichtige Mitstreiter im Bemühen um das betriebliche Wohlergehen sein.

3. Sehen Sie bei auftretenden Schwierigkeiten nicht quasi reflexhaft in Ihren Auszubildenden die Schuldigen. Übernehmen Sie nie ungeprüft Vorwürfe oder Anschuldigungen Dritter, seien es andere Auszubildende, seien es sonstige Betriebsangehörige. Klären Sie alle auftretenden Unstimmigkeiten konsequent lösungs- und lern-, nie schuld- oder verurteilungsorientiert. Mit diesem Vorgehen bauen Sie sich ein wichtiges Glaubwürdigkeits- und -vertrauenskapital auf, das in nicht zu unterschätzender Weise verpflichtend wirkt.

4. Ganz spezifisch gilt das für den Umgang mit Fehlern. Fehler sollten immer unter dem vorrangigen Aspekt des Lernens behandelt werden, also mit der von Frick angeratenen ermutigend-klaren Rückmeldung. Geschieht das nicht, wird bereits in der Ausbildung eine kontraproduktive Fehlerangst und damit eine ängstliche „Lieber-nicht-Haltung“ begründet. Und im Hinblick auf das spätere Arbeitensverhalten ein tendenziell eher befangen-unkreatives, Eigeninitiative möglichst vermeidendes Arbeitensverhalten. Die auf die Sache bezogene vorwurfsfrei-lernorientierte Fehleranalyse ist – nicht nur – in der Ausbildung oft der wirklich entscheidende Schritt nach vorne. Angst vor Fehlern bewirkt Lernhemmungen. Und – noch einmal im Blick auf später – bildet Menschen heran, die Probleme mit ihrer turbulenten Arbeitsumwelt bekommen. Ermutigen Sie Ihre Auszubildenden, über erkannte Fehler, Irrtümer, stutzig machende Beobachtungen oder sonstige Ungereimtheiten offen zu sprechen.

5. Seien Sie sorgfältig darauf bedacht, dass Ihre Auszubildenden im Umgang mit Ihnen stets und immer ihr Gesicht wahren können. Eine Verhaltensweise, die gerade bei Jugendlichen aus anderen Kulturkreisen von Bedeutung ist. Machen Sie also niemanden aus einer situativen Aufwallung heraus „klein“, stellen Sie niemanden bloß, unterlassen Sie Scherze auf Kosten – vor allem auch abwesender – anderer. Verzichten Sie konsequent auf zweischneidige oder anzügliche Witze. Taktieren Sie nicht; spielen Sie Ihre Auszubildenden nicht gegeneinander aus; sprechen Sie nicht über die Unzulänglichkeit anderer mit ihnen; messen Sie nicht mit zweierlei Maß. Und halten Sie, was Sie auch von Ihren Auszubildenden fordern müssen, Launen und Stimmungen im Zaum. Ihr Auftreten und Verhalten wirkt programmierend das Verhalten anderer.

6. Reden und Handeln Sie – gerade auch im Hinblick auf die multikulturell gewordene Herkunft vieler Auszubildender –aus dem Bewusstsein heraus, dass Menschen, zumal unterschiedlicher Sozialisation, völlig unterschiedliche Sensibilitäten haben. Was beispielsweise einen in der christlichen Tradition aufgewachsenen jungen Menschen kalt lässt, kann bei in islamischer Prägung Herangewachsenen tiefste Bestürzung und hellste Empörung auslösen. Seien Sie darauf bedacht, Ihre Auszubildenden in ihrem Wesen und ihren Wertvorstellungen zu erfassen. Respektieren Sie im Rahmen des Vertretbaren deren kulturbedingte und sonstige Persönlichkeitszuschnitte. Richtungsweisend ist das kluge Wort des renommierten Direktors des Frankfurter Max-Planck-Instituts für Hirnforschung Professor Wolf Singer: „Keiner kann anders als er ist!“

7. Kritisieren Sie. Kritik zu üben ist in der Ausbildung eine notwendige Pflichtübung, die unter Lernaspekten oft auch vor versammelter Mannschaft erfolgen muss, eben um exemplarisch lernen zu lassen. Aber wo und weshalb auch immer, tun Sie es überlegt, maßvoll, fair, nie aus dem Affekt. Vermeiden Sie jede pauschale, ironische oder ganz und gar persönlich verletzende Kritik à la „Herrgott, Du bist aber auch zu dumm, einen Eimer Wasser umzustoßen!“. Kritik zielt auf Lerneffekte, in der Sache wie im Verhalten. Dazu muss sie Einsicht bewirken. Und Voraussetzung dafür ist, Zugang zu den Kritisierten zu finden.

8. Loben Sie umgekehrt entsprechend achtsam, umsichtig und überlegt. In der jüngeren Erziehungsdiskussion wird immer deutlicher herausgestellt, wie enorm kontraproduktiv zu eiliges und zu undifferenziertes Loben ist. Lob muss angemessen und begründet sein. Bemühen ist in der Ausbildung eine Selbstverständlichkeit, eilfertiges Loben stets und überall mithin unangebracht. Hinzukommt, undifferenziertes Loben macht Sie als Ausbilder unglaubwürdig. Und verprellt gerade auch die Auszubildenden, die aus sich heraus die überdurchschnittliche Leistung (noch) als selbstverständliche persönliche Norm ansehen.

9. So wichtig Vorbilder auch sind, in der Ausbildung ist es äußerst heikel, den anderen jemanden emphatisch als hehres Vorbild anzupreisen. Das kommt nicht nur nicht gut an im Umfeld der oder des „Vorbildlichen“. Das kann der oder dem so Herausgehobenen auch beträchtlich schaden! Bis hin zu definitivem Mobbing. Und das wiederum kann Ihnen als Ausbilder im Handumdrehen das mühsam aufgebaute positive Gruppenklima kaputt machen. Natürlich müssen Sie eine wirklich herausragende Leistung zur Kenntnis nehmen. Ratsam ist, das im bestätigenden persönlichen Gespräch zu tun. Nicht als Geheimnistuerei, aber auch nicht mit der Attitüde „Schaut mal auf sie oder ihn und dann schaut euch mal selber an!“.

10. Unter dem Strich: Bemühen Sie sich um von Achtsamkeit und Umsicht getragene ganzheitliche menschliche Beziehungen zu Ihren Auszubildenden. Dazu gehört auch, ein wenig über den privaten Hintergrund der Ihnen anvertrauen jungen Menschen zu wissen. Der sollte keine pauschal abgelehnte und entsprechend vorurteilsbehaftete Zone für Sie sein – wenn das heute im Blick auf kulturelle Eigenarten und -heiten manchmal auch nicht ganz leicht fallen mag. Die durchgängige Erfahrung lehrt, dass dieses ganzheitliche Zugehen auf und Bemühen um die Auszubildenden, dass eine wohl abgemessene persönliche Anteilnahme ein Klimakapital schafft, das merklich mit dazu beiträgt, Aufgeschlossenheit und engagierte(re)s Arbeiten und das so wichtige Mitziehen zu stimulieren.

Dipl.-Betriebswirt Hartmut Volk,

freier Wirtschaftspublizist,

Bad Harzburg,

E-Mail: hartmut.volk@t-online.de

Der Autor selbst nahm lange einen Lehrauftrag an einer berufsbildenden Schule im Fach Wirtschaftskunde wahr.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2011

Im Mittelpunkt: Der Mensch

Gute Gründe für mehr Menschenorientierung in der Unternehmensführung

Die Quelle, aus der das notwendige berufliche Engagement fließt, ist bekannt: intrinsische Motivation, der ganz persönliche Antrieb etwas zu leisten, Begeisterung für die Arbeit. Doch wie der...

mehr
Ausgabe 12/2010

Flott, automatisch, zeitnah

BayWa testet Nachwuchs online – jetzt auch von zu Hause

Herr Modi, die BayWa beschäftigt derzeit 1100 Auszubildende an 550 Standorten in Deutschland. Wie organisiert man das? Bei uns gilt der Grundsatz: In der Region rekrutieren – in der Region...

mehr
Ausgabe 12/2010

Verhaltensweise mit hohem Payback

Für den Geschäftsführer der Unternehmensberatung Coverdale, München, Thomas Weegen, sind sie „die apokalyptischen Reiter der Unternehmensführung: die bürokratische Bevormundung der Wirtschaft,...

mehr
Ausgabe 06/2012 PROBLEME BEI DER BESETZUNG VON AUSBILDUNGSSTELLEN

Azubi gesucht!

Die Ausbildungsbereitschaft der deutschen Bauwirtschaft in diesem Jahr ist erfreulich hoch: Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) vom Februar diesen Jahres planen...

mehr
Ausgabe 01/2012 FÜHRUNGSVERHALTEN

Besonnenheit schlägt Aktionismus

Der Druck steigt Ohne Zweifel, die Druckverhältnisse am Arbeitsplatz steigen und strapazieren die Nerven. Oben wie unten. Wenig Gelassenheit und viel Aufgeregtheit in Aktion wie Reaktion führen das...

mehr