Deutscher Auslandsbau 2010 wieder auf Rekordkurs
Von der allgemeinen Erholung der internationalen Baumärkte im Jahr 2010 hat das Auslandsgeschäft der deutschen Bauindustrie überproportional profitiert. Sowohl beim Auftragseingang (34,0 Mrd. Euro) als auch bei der Bauleistung (28,5 Mrd. Euro) wurden neue Spitzenwerte erreicht. Die bisherigen Rekordzahlen des Jahres 2008 wurden bei der erbrachten Leistung um 12 % und beim Auftragseingang sogar um 18 % überboten. Die deutsche Bauindustrie behauptete damit im internationalen Geschäft gleichauf mit den französischen Baufirmen ihren Spitzenplatz.
Ausgehend von einem ohnehin schon hohen Niveau hat die deutsche Bauindustrie ihr Auslandsgeschäft in der abgelaufenen Dekade weiter forciert. Der Auftragseingang aus dem Ausland wurde um zwei Drittel gesteigert, die Bauleistung im Ausland sogar mehr als verdoppelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bis zum Jahr 2001 noch die Zahlen der Auslandstöchter der danach in die Insolvenz gegangenen Philipp Holzmann AG in der Statistik enthalten sind. Würde man diese herausrechnen, wäre die positive Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren noch eindrucksvoller.
Überraschend ist der fortschreitende Bedeutungsverlust Europas als Zielregion für die deutsche Auslandsbautätigkeit. Zwar gelang es zwischen 2001 und 2010, das Volumen in etwa zu halten. Angesichts der deutlichen Wachstumsraten in anderen Regionen der Welt ging allerdings der Anteil am Auftragseingang in diesem Zeitraum um die Hälfte auf nur noch 9,5 % zurück. In der ersten Hälfte der 90er Jahre war der europäische Markt mit einem Anteil von 45 % dagegen noch die mit Abstand dominierende Zielregion der Auslandsbautätigkeit. Dies war seinerzeit auch auf die Errichtung des einheitlichen europäischen Binnenmarktes und die damit verbundene Positionierung der deutschen Baufirmen zurückzuführen.
Wichtige europäische Wettbewerber im internationalen Geschäft haben sich dagegen auf Europa konzentriert. Die Bauunternehmen aus Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Schweden und Spanien wickeln etwa 70 % ihres internationalen Geschäftes in Europa ab. Daher wurden sie auch vom Einbruch der europäischen Bauproduktion im Krisenjahr 2009 sehr viel stärker betroffen als die deutsche Bauindustrie.
Im deutschen Auslandsgeschäft dominiert mittlerweile eindeutig die Zielregion Australien, auf die 2010 jeweils etwa 65 % des Auftragseinganges und der Bauleistung entfielen. Hierbei muss allerdings angemerkt werden, dass die australischen Töchter der deutschen Baufirmen ihre Kennzahlen nicht nach Regionen unterteilt melden. Ein erheblicher Teil der so für Australien verbuchten Werte dürfte aber auf die Wachstumsmärkte in Süd-Ost-Asien entfallen.
Relativ stabil entwickelte sich – nach dem Ausscheiden der dort stark vertretenen Philipp Holzmann AG aus der Statistik - der amerikanische Markt, wobei hier mit einem Anteil von über 95 % die USA dominiert. Die Fokussierung auf große gewerbliche Projekte sowie Infrastrukturmaßnahmen in den USA hat dafür gesorgt, dass das deutsche Auslandsbaugeschäft in diesem Land vom Zusammenbruch des Immobilienmarktes nahezu unberührt blieb.
Das starke Wachstum des deutschen Auslandsgeschäftes ist ausschließlich auf Tochter- und Beteiligungsgesellschaften zurückzuführen. Auf den „traditionellen“ Auslandsbau, also die direkte grenzüberschreitende Akquisition von Aufträgen, entfiel 2010 nur noch ein Anteil von 2 %. Der „indirekte“ Auslandsbau profitiert dagegen davon, dass in attraktiven Zielregionen Baufirmen entweder ganz oder teilweise übernommen wurden. Im internationalen Baugeschäft mit äußerst heterogenen Wettbewerbsbedingungen in den einzelnen Ländern ist dies die erfolgversprechendere Vorgehensweise.
Dipl.-Oec. Heinrich Weitz,
Berlin
E-Mail: heinrich.weitz@bauindustrie.de
Europa verliert an Bedeutung