Deutsche Bauindustrie weltweit in über 70 Ländern präsent

In einem zunehmend schwierigen Marktumfeld bleiben die international aktiven deutschen Bauunternehmen mit ihren lokalen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften in allen Erdteilen präsent. Im Jahr 2014 akquirierte die deutsche Bauindustrie ein internationales Auftragsvolumen von fast 24 Mrd. € und erbrachte eine internationale Bauleistung von rund 27 Mrd. €.

Das globale Bauvolumen wird zufolge der jüngsten Studie der britischen Wirtschaftsforschungsinstitute Global Construction Perspectives und Oxford Economics jährlich um rund 4% bis auf 15,5 Billionen US$ im Jahr 2030 anwachsen. Mehr als die Hälfte des globalen Wachstums dürfte auf nur drei große Baumärkte entfallen: China, Indien und die USA. Allerdings wird sich das Wachstum in China im Vergleich zur letzten Dekade erheblich verlangsamen, stattdessen dürfte sich Indien in Anbetracht seiner rapide wachsenden Urbanisierung und einem großen Nachholbedarf im Infrastruktursektor schrittweise zu einem Angelpunkt des globalen Baumarktes entwickeln.

Mit Blick auf Europa ist festzustellen, dass die Baukonjunktur sich von ihrer Schwächephase der letzten Jahre weiter erholt und sich zwischenzeitlich in zahlreichen Ländern nicht nur stabilisiert, sondern vielerorts an Fahrt aufgenommen hat. Im Jahr 2015 lag der Umfang der Bauaktivitäten in der Europäischen Union bei etwa 1,4 Billionen €.




Der internationale Baumarkt 2014

Trotz günstiger Wachstumsprognosen für die globale Bauwirtschaft befindet sich das internationale Baugeschäft in Anbetracht politischer Herausforderungen, z.B. durch den internationalen Terrorismus, und wirtschaftlicher Unsicherheiten, verursacht durch fallende Öl- und Rohstoffpreise sowie eine hohe Staatsverschuldung in vielen Industrieländern, in einer schwierigen Phase.

Zufolge der Statistik der amerikanischen Fachzeitschrift „Engineering News-Record“ sank der akkumulierte internationale Bauumsatz der führenden 250 internationalen Bauunternehmen im Jahr 2014 um 4% auf rund 521 Mrd. US$. Auf Basis der ENR-Statistik ging das internationale Geschäftsvolumen in der Asien-Pazifik-Region, in Lateinamerika sowie im Mittleren Osten um jeweils -6% und in Europa sogar um -11% zurück.

Die internationale Geschäftstätigkeit in Nordamerika blieb bei -2% mehr oder weniger konstant, allerdings mit einer stark divergierenden Entwicklung: Während das internationale Umsatzvolumen in den USA um fast 6% auf einen Rekordwert von 51 Mrd. US$ anstieg, ging es in Kanada, vor allem auf Grund rückläufiger Investitionen in den Energiesektor, um -13 % zurück. Entgegen dem Gesamttrend boomte lediglich das internationale Baugeschäft in Afrika und erreichte mit fast 71 Mrd. US$ einen neuen Rekordwert (+14%).

 

Chinesische Bauindustrie baut internationale Präsenz aus

Von dieser Entwicklung profitierte in erster Linie die chinesische Bauindustrie, da ihren internationalen Marktanteil im Berichtszeitraum auf über 17% ausbauen konnte. Mittlerweile sind gut ein Viertel der in der ENR-Statistik aufgeführten Bauunternehmen chinesischer Provenienz, gemeinsam wickelten sie ein internationales Bauvolumen von fast 90 Milliarden US$ ab.

In Afrika ist die chinesische Präsenz bereits wettbewerbshemmend: Fast jeder zweite US-Dollar im Bauexportgeschäft floss im Jahr 2014 an eine chinesische Baufirma. In Asien dürfte es etwa jeder vierte US-Dollar gewesen sein, würde man den australischen Baumarkt aus den ENR-Zahlen für die Asien-Pazifik-Region herausrechnen. Aktuell befinden sich fünf chinesische Staatsbaukonzerne unter den „Top 30 International Contractors“. Diese Zahl ist durchaus beeindruckend, da das internationale Baugeschäft der chinesischen Staatsbaukonzerne durch das klassische Bauexportgeschäft geprägt ist und derzeit (noch) ohne die Integration und bilanzielle Konsolidierung großer ausländischer Tochter- und Beteiligungsgesellschaften auskommt.

Auf globaler Ebene – d.h. gemessen am internationalen und am nationalen Umsatz – hat die chinesische Bauindustrie ihre Vormachtstellung ebenfalls gefestigt. An der Spitze der ENR-Rangliste der größten Bauunternehmen der Welt, den „Top Global Contractors“, konnten sich im Jahr 2014 vier chinesische Staatsbaukonzerne – China Railway Group, China State Construction Engineering Corporation, China Railway Construction Corporation und China Communications Construction Group platzieren, die zusammengenommen ein Umsatzvolumen von 381 Mrd. US$ verbuchten, davon 92% auf dem chinesischen Heimatmarkt. Zum Vergleich: Die gesamten Bauinvestitionen in Deutschland im Jahr 2014 beliefen sich auf rund 387 Mrd. US$ (290 Mrd. €).




Europäische Bauindustrie behauptet internationale Spitzenposition

Unterdessen werden die „Top 10 International Contractors“ der ENR-Statistik nach wie vor von europäischen Bau- und Anlagenbaukonzernen dominiert. Acht der zehn internationalsten Baukonzerne kommen aus Europa, darunter befinden sich auch die deutsche Hochtief auf Platz 2 und die österreichische Strabag auf Platz 9. Auch die aktuelle Statistik des europäischen Auslandsbauverbands „European International Contractors“ (EIC), welche im Gegensatz zur ENR-Statistik die Firmen des petrochemischen Anlagenbaus nicht berücksichtigt, bescheinigt der europäischen Bauindustrie eine solide Präsenz auf internationalem Parkett. Im Vergleich zum Vorjahr konnten die europäischen Baufirmen ihren internationalen Umsatz 2014 um 1,5% auf rund 166 Mrd. € steigern.

Die innereuropäische Rangliste wurde erneut von den französischen Baukonzernen mit internationalen Geschäftserlösen von fast 35 Mrd. € angeführt, dahinter rangierte die deutsche Bauindustrie mit knapp 27 Mrd. €. Es folgten die Baufirmen aus der Türkei mit 16 Mrd. € sowie aus Spanien und Schweden mit mehr als 15 Mrd. €. Würde man die Marktpräsenz in Europa und den übrigen Industrieländern allerdings ausblenden und speziell die europäische Präsenz in den Schwellen- und Entwicklungsländern untersuchen, ergäbe sich eine etwas andere Reihenfolge: Unter dieser Prämisse führten die türkischen Baufirmen die EIC-Rangliste mit einem Umsatz von fast 13 Mrd. € an, der vor allem im Mittleren Osten, in Zentralasien sowie in Afrika generiert wurde.

Der Anteil der türkischen Aktivitäten in den Schwellen- und Entwicklungsländern im Vergleich zum gesamten internationalen Baugeschäft lag bei 80 %. Dahinter lag die französische Bauindustrie, deren internationaler Umsatz außerhalb der OECD-Länder sich auf fast 10 Mrd. € (29%) summierte, basierend auf einer starken Präsenz in Afrika und Asien. Sodann folgten die italienischen mit fast 7 Mrd. € (65%) und spanischen Baufirmen mit gut 6 Mrd. € (40%), die allesamt in Lateinamerika gut positioniert sind. Für die portugiesische Bauindustrie sind die Baumärkte in Afrika und Lateinamerika von großer Bedeutung, ihr Anteil am gesamten internationalen Baugeschäft lag bei mehr als 90 %.

Insgesamt wickelte die europäische Bauindustrie rund ein Drittel ihrer internationalen Aktivitäten in den Schwellen- und Entwicklungsländern ab, das Tochter- und Beteiligungsgeschäft in Nordamerika und Australien steuert rund ein Viertel zum internationalen Gesamtumsatz bei und das innereuropäische Baugeschäft schlug mit 44 % zu Buche.

Für das laufende Jahr lässt der internationale Auftragseingang der europäischen Bauindustrie aus dem Jahr 2014 von rund 175 Mrd. € einen leichten Anstieg des Geschäftsvolumens erwarten, vor allem in Nord- und Südamerika, wo das Ordervolumen im Vergleich zum Vorjahr um jeweils 15% gesteigert werden konnte.




Deutscher Auftragseingang aus dem Ausland im Jahr 2014

Die in der Auslandsbaustatistik des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie erfassten international aktiven deutschen Bauunternehmen akquirierten im Berichtszeitraum mit ihren lokalen Tochter- und Beteiligungsgesellschaften ein internationales Auftragsvolumen von 23,6 Mrd. €. Im Vergleich zum Vorjahr ergab sich somit ein Orderrückgang von -17 %, für den in erster Linie das rückläufige Tochter- und Beteiligungsgeschäft in Australien ursächlich war, welches um ca. die Hälfte auf 8,5 Mrd. € schrumpfte. Dieses negative Ergebnis ist allerdings ganz wesentlich auf den Verkauf von Unternehmensteilen seitens der australischen Hochtief-Beteiligungsgesellschaft zurückzuführen.

Demgegenüber verzeichnete das Ordervolumen in den USA aufgrund des guten Marktumfelds ein Wachstum um ein Drittel auf mehr als 10 Mrd. €. In Europa bewegte sich das Ordervolumen mit gut 3 Mrd. € auf dem Vorjahresniveau. Die größten Auftragsvolumina wurden in Polen und Dänemark akquiriert, darüber hinaus waren signifikante Zuwächse in Österreich, Schweden, Belgien und Tschechien zu verzeichnen. Der Auftragseingang aus Asien ging um -16 % auf 628 Mio. € zurück, da im Berichtszeitraum kein Großprojekt akquiriert wurde. Mehr als die Hälfte des regionalen Ordervolumens wurde wie üblich auf der Arabischen Halbinsel akquiriert. Die Auftragseingänge in Afrika entwickelten sich im Vergleich zum Vorjahr positiv und stiegen um 40 % auf 614 Mio. €. In Lateinamerika lag das Auftragsvolumen stabil bei 410 Mio. €.


 

Tiefgreifende Vergabereform der Weltbank

Im Juli 2015 verabschiedete das Exekutivdirektorium der Weltbank nach einem mehrjährigen Diskussionsprozess neue Beschaffungsrichtlinien, die auch die Vergabepolitik der übrigen multilateralen Entwicklungsbanken beeinflussen werden. Zentrale Aspekte des entsprechenden Reformpakets waren in den vorangegangenen Konsultationsrunden teils kontrovers diskutiert worden, insbesondere die Option, statt den Muster-Vergabedokumenten der Weltbank nationale Beschaffungsverfahren zu nutzen.

Im Gegensatz zur bisherigen Praxis, bei der grundsätzlich das Angebot mit dem niedrigsten Preis den Zuschlag erhielt, soll zukünftig auch bei Vergaben im Baubereich das Preis-Leistungs-Verhältnis herangezogen werden können.

In diesem Sinne können auch Qualitäts- und Nachhaltigkeitsaspekte sowie Kosten-Nutzen-Überlegungen über den gesamten Lebenszyklus des Projekts bei der Angebotsevaluierung Berücksichtigung finden. Zudem besteht für den Auftraggeber erstmals die Möglichkeit, ungewöhnlich niedrige Angebote im Anschluss an ein Prüfungsverfahren zurückzuweisen. Die neuen Richtlinien sollen Anfang 2016 in Kraft treten.




Überarbeitung und Erweiterung der FIDIC-Vertragsmuster

Die FIDIC hat zwischenzeitlich damit begonnen, ein neues Vertragsmuster für Unterirdisches Bauen bzw. Tunnelbauarbeiten zu erarbeiten. Neben dem weltweit großen Bedarf für unterirdische Baumaßnahmen wird diese Initiative mit dem Leitgedanken erklärt, dass Tunnelbauarbeiten jeweils von den besonderen geologischen, hydrogeologischen und geotechnischen Gesteinscharakteristiken abhängig sind, welche ihrerseits besondere Risiken und damit besondere vertragliche Regelungen hinsichtlich Baukosten und Bauzeit bedingen.

Als „Taufpatin“ soll das FIDIC „Yellow Book“ für schlüsselfertiges Bauen, ergänzt um flexible Vergütungsmechanismen in Bezug auf unvorhersehbare Bodengrundbedingungen, dienen. Da die FIDIC zwischenzeitlich eine aktualisierte Testversion ihres Mustervertrags für schlüsselfertiges Bauen erarbeitet hat, ist derzeit noch nicht geklärt, ob die Tunnelbau-Klauseln dem bekannten Muster aus dem Jahr 1999 oder der aktualisierten Fassung, welche für das Jahr 2016 zu erwarten ist, folgen.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ist über die EIC in die Kommentierung der Vertragsmuster-Entwürfe eingebunden und tritt wie in der Vergangenheit für eine ausgewogene Risikoverteilung und praktikable Vertragsmechanismen ein.



Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Berlin

www.bauindustrie.de

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