Chinesische Staatskonzerne überrollen internationale Konkurrenz

Teil 2 – Deutsche Bauindustrie beklagt unfairen Wettbewerb

Nachdem der Auftragseingang der deutschen Bauindustrie aus dem Ausland bis im Jahr 2008 auf 29 Mrd. € angestiegen war, verbuchten die international aktiven deutschen Baufirmen im Krisenjahr 2009 einen moderaten Rückgang ihrer internationalen Geschäftstätigkeit. Mit insgesamt 27,4 Mrd. € lag das internationale Ordervolumen um 6 % niedriger als das Rekordergebnis im Vorjahr, die internationale Bauleistung verringerte sich um 3% auf 24,6 Mrd. €. Für das soeben abgelaufene Jahr 2010 ist angesichts der sich erholenden Weltkonjunktur mit einer erneuten Steigerung des internationalen Baugeschäfts zu rechnen.

I. Internationaler Auftragseingang

im Jahr 2009

Die Auftragseingänge der deutschen Bauindustrie aus dem Ausland erreichten im Berichtszeitraum zufolge der Auslandsbaustatistik des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie insgesamt 27,4 Mrd. €. Wie in den Vorjahren entfiel der Löwenanteil mit 26,3 Mrd. € auf das Tochter- und Beteiligungsgeschäft (T+B-Geschäft), während sich die im traditionellen Bauexportgeschäft akquirierten Aufträge auf rund 1,1 Mrd. € summierten. Bei der Interpretation dieser Zahlen ist auf Grund der rein formalen Abgrenzung zwischen Bauexport- und Beteiligungsgeschäft allerdings Vorsicht geboten. So wird der bislang größte Einzelauftrag für ein deutsches Bauunternehmen im Ausland auf Grund der Besonderheiten des lokalen Baumarkts als Beteiligungsgeschäft abgewickelt, obgleich de facto ein Bauexportgeschäft vorliegt. Allein die Umbuchung dieses einen Großauftrags hätte das Bauexportvolumen auf 2,2 Mrd. € verdoppelt.

Stattdessen stieg das Ordervolumen im asiatischen Beteiligungsgeschäft infolge des Großauftrags aus Katar um das Fünffache auf mehr als 1,7 Mrd. € an. In der katarischen Hauptstadt Doha akquirierte Hochtief den bislang größten Einzelauftrag der Auslandsbaustatistik und errichtet für mehr als 1,3 Mrd. € einen mehr als acht Kilometer langen Gebäudekomplex. Doch selbst wenn man das T+B-Geschäft in Asien um diesen Einzelauftrag bereinigt, ergibt sich noch immer ein Anstieg von rund 50 % im Vergleich zum Vorjahr, der insbesondere auf Zuwächse in Indien und in den VAE zurückzuführen ist. Dass die Asien-Pazifik-Region die internationale Finanzkrise insgesamt gut kompensiert hat, zeigt auch der australische Baumarkt. Dort zogen die Auftragseingänge aus dem T+B-Geschäft um fast 9 % an und erreichten mit insgesamt 15,5 Mrd. €, das sind mehr als 50% der gesamten Auftragseingänge aus dem Ausland, einen neuen Rekordwert.

Demgegenüber ging das T+B-Geschäft in den übrigen Erdteilen – teils recht kräftig – zurück. Im zweitgrößten Beteiligungsmarkt, den USA, reduzierten sich die Auftragseingänge im Zuge der dort besonders ausgeprägten Finanzkrise um rund 25 % auf nunmehr 5,7 Mrd. €. In Europa verlief die Entwicklung ähnlich, auch hier ging das Auftragseingangsvolumen um rund ein Viertel auf 2,7 Mrd. € zurück. Signifikante Einbußen waren aus Frankreich, Polen und Russland zu vermelden, entgegen dem Trend konnten die Auftragseingänge in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und der Tschechischen Republik gesteigert werden. Besonders drastisch fiel der Orderrückgang in Afrika aus, wo die Auftragseingänge im T+B-Geschäft um 45 % auf nunmehr 480 Mio. € sanken.

Im Bauexportgeschäft stand wie bereits in den Jahren zuvor der europäische Baumarkt mit einem Auftragsvolumen von gut 750 Mio. € bzw. 68% der traditionellen Auslandsbauaufträge, an der Spitze. Auf das Auslandsbaugeschäft in Asien entfielen etwa 25 %, im Mittelpunkt des Interesses standen dort Indien und der Oman.

 

II. Prognose für das Jahr 2010

Im abgelaufenen Jahr 2010 hat sich die Weltkonjunktur von den unmittelbaren Folgen der internationalen Finanzkrise rascher als erwartet erholt. Davon konnte auch das internationale Baugeschäft der deutschen Bauindustrie profitieren, das aller Voraussicht nach wieder angezogen hat. Im Zuge der erneuten Expansion der Weltwirtschaft lagen die Auftragseingänge sowohl im Tochter- und Beteiligungsgeschäft wie auch im traditionellen Auslandsbau zum Ende des dritten Quartals 2010 über den Vorjahreswerten, so dass von einer Steigerung des internationalen Ordervolumens auszugehen ist. Auch die internationale Bauleistung dürfte leicht über dem Wert des Jahres 2009 liegen.

 

III. Aktuelle Themen des internationalen Baugeschäfts

Innerhalb der europäischen Bauindustrie wird derzeit intensiv darüber diskutiert, wie langfristig dem Wettbewerbsdruck der chinesischen Bauindustrie standgehalten werden kann. Nachdem die staatlich subventionierten chinesischen Staatsbaukonzerne sich bereits marktbeherrschende Stellungen in Afrika und Asien erobert haben (vgl. Teil 1), sind sie derzeit bestrebt, ihren Marktanteil im Mittleren Osten, in Lateinamerika und in Europa – vor allem in Mittel- und Osteuropa – deutlich zu vergrößern. Dabei wird nach dem bewährten Muster auf liefergebundene, zinsgünstige chinesische Finanzierungen (z.B. in Serbien) oder aber auf Niedrigstangebote bei internationalen Ausschreibungen (z.B. in Polen) gesetzt.

 

Beitritt Chinas zum GPA

Abkommen der WTO

Vor diesem Hintergrund moniert die europäische Bauwirtschaft, dass sich die chinesische Konkurrenz an EU-finanzierten Ausschreibungen beteiligen kann, obwohl die VR China, die ihren heimischen Baumarkt rigoros abgeschottet hat, bislang nicht dem Beschaffungsübereinkommen der WTO (GPA) beigetreten ist. Das GPA-Abkommen hat die Marktöffnung im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens zum Ziel und enthält allgemeinverbindliche Verfahrensregeln für seine mittlerweile 39 Mitglieder (davon 27 aus der EU). Zwar hat die VR China im Juli 2010 ein überarbeitetes Angebot für einen GPA-Beitritt vorgelegt, es bestehen aber erhebliche Zweifel an der Seriosität dieser Offerte, denn:

n Die vorgeschlagenen Übergangsfristen sind mit fünf Jahren zu lang und die Schwellenwerte mit zunächst 85 Mio. € und später 12,5 Mio. € zu hoch;

n Die Marktöffnung ist auf die Zentralstaatsebene beschränkt, während die Provinzebene bzw. die lokale Ebene ebenso wenig wie die staatseigenen Unternehmen zur internationalen Ausschreibung verpflichtet wären;

n Schließlich exkludiert das chinesische Angebot den gesamten Tief- und Ingenieurbausektor sowie technisch anspruchsvolle Bereiche des Spezialtiefbaus und des Hochbaus.

Während die Europäische Kommission die Kritik der Bauwirtschaft ernst nimmt und jüngst eine Mitteilung vorgelegt hat, in der sie vorschlägt, Bieter aus Drittstaaten vom Beschaffungsmarkt der Europäischen Union auszuschließen, wenn ihre Heimatstaaten selbst den Zugang zum eigenen Beschaffungsmarkt erschweren, setzt die derzeitige Bundesregierung jeden Vorschlag zur Einführung von Reziprozität und Symmetrie beim gegenseitigen Marktzugang mit einem Appell zum „Protektionismus“ gleich. Die deutsche Bauindustrie verwahrt sich gegen eine solch vereinfachende Darstellung und würde es begrüßen, wenn die Bundesregierung mit Blick auf den abgeschotteten Baumarkt der VR China einmal offen aussprechen könnte, dass das Prinzip des Freihandels den beiderseitigen Abbau von Handelsschranken bedingt und eine offensichtliche Diskrepanz auf Dauer nicht einseitig zu Lasten eines Handelspartners gehen kann.

 

Aktuelle Themen der Export

kreditversicherung

Im Bereich der Exportkreditversicherung kam es im abgelaufenen Jahr zu Veränderungen. So wurde im Rahmen der OECD im Februar 2010 ein neues Prämiensystem beschlossen, durch das die Prämiensätze für wirtschaftliche Risiken bei Kreditlaufzeiten von mehr als zwei Jahren harmonisiert werden. Das neue System wird im Sommer 2011 in Kraft treten und sieht u.a. neue Käuferkategorien und ein neues Prämientool vor, dass bedauerlicherweise zu insgesamt höheren Prämien führen wird. Darüber hinaus haben 2010 die Verhandlungen über die dritte Revision der OECD-Umweltleitlinien begonnen, die im ersten Quartal 2011 abgeschlossen werden sollen. Zu erwarten ist eine erneute Verschärfung der Richtlinien, z.B. mit Blick auf die Verankerung von Sozialstandards sowie die Erfassung von CO²-Emissionen. Die deutsche Industrie konnte die Bundesregierung zwischenzeitlich davon überzeugen, dass eine Zustimmung zur Revision nur unter der Bedingung erfolgen sollte, dass gleichzeitig die Ausweitung der OECD-Umwelt- und Sozialstandards auf die Konkurrenz aus den Schwellenländern gelingt. Sollte dies politisch nicht durchsetzbar sein, fordert der Hauptverband die Ausarbeitung neuer allgemeinverbindlicher Standards auf Ebene der G-20.

Im Bereich der Avalgarantien hat die Bundesregierung die Forderung der Bauindustrie nach größtmöglicher Flexibilität aufgenommen. Anfang 2009 hatte der Bund als eine der Maßnahmen des Konjunkturpakets II der Anhebung der zulässigen Obergrenze pro Exporteur von 80 Mio. auf 300 Mio. € zugestimmt, diese Maßnahme allerdings nach dem Abflauen der Finanzkrise wieder zurückgenommen.

Ab dem Jahr 2011 gilt zwar wieder die frühere Orientierungsgröße von 80 Mio. €, die aber auch zukünftig in begründeten Einzelfällen überschritten werden kann. Auch die Beantragung einer „isolierten“ Avalgarantie – d.h. ohne Beantragung ei-ner „Hauptdeckung“ – bleibt weiterhin möglich.

Neuer FIDIC-Musterbauvertrag für Multilaterale Entwicklungsbanken

Im Juni 2010 hat der Weltverband der Beratenden Ingenieure (FIDIC) die 3. Auflage seines „harmonisierten“ Musterbauvertrags für die Errichtung auftraggeberseits geplanter Bauwerke herausgegeben, das sogenannte FIDIC „Pink Book“. Diese harmonisierte Fassung wird von der Weltbank, den Regionalen Entwicklungsbanken wie auch von einigen bilateralen Finanzierungsagenturen im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit genutzt und ist teilweise sogar in deren Verdingungsunterlagen verpflichtend vorgeschrieben. Während die EIC einige Bank-spezifische Modifizierungen – z.B. hinsichtlich der Schwächung der Rolle des Beratenden Ingenieurs und der abnehmenden Bedeutung internationaler Schiedsgerichte – scharf kritisiert, begrüßt sie die Berücksichtigung der von ihr vorgeschlagenen Änderungen, durch die sich die Vertragsposition der Bauunternehmen u.a. bei folgenden Punkten verbessert:

n Die Gewinnmarge wird auf grundsätzlich 5% der zusätzlich anfallenden Kosten festgelegt;

n Die Baugenehmigung ist grundsätzlich vom Auftraggeber zu beschaffen;

n Der Auftraggeber muss seine Forderung dem Bauunternehmen innerhalb von 28 Tagen ab Kenntnis notifizieren;

n Der Beratende Ingenieur muss seine Entscheidungen innerhalb von 28 Tagen treffen;

n Der Bauunternehmer muss nur unter bestimmten Umständen mit der Ausführung beginnen;

n Die Verrechnung der Zwischenzahlungen mit der Vorauszahlungsgarantie ist für den Bauunternehmer vorteilhafter;

n Die Streitschlichtungsstelle (Dispute Board) kann auch dann aktiviert werden, wenn der Beratende Ingenieur keine Entscheidung trifft.

Da die KfW-Entwicklungsbank sich in ihren Leitlinien dazu bekannt hat, die Harmonisierung der im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit geltenden Verfahren zu unterstützen, geht die deutsche Bauindustrie davon aus, dass auch die KfW zukünftig das FIDIC „Pink Book“ im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit verwenden wird.

RA Frank Kehlenbach, Leiter der Stabsstelle Auslandsbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Geschäftsführer der European International Contractors (EIC),

frank.kehlenbach@bauindustrie.de

Es gab im abgelaufenen Jahr Veränderungen bei der Exportkreditversicherung

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