2008 wieder mit Rekordergebnissen

Deutsche Bauindustrie weiterhin internationale Spitzenklasse, Teil 2

Trotz einsetzender Finanzkrise konnte die deutsche Bauindustrie im Jahr 2008 noch einmal neue Rekordergebnisse beim internationalen Umsatz und Auftrags-
eingang erzielen. Mit internationalen Auftragseingängen von rund 29 Mrd. € und einer internationalen Bauleistung von 24,5 Mrd. € lag sie im internationalen Ver-
gleich in der Spitzengruppe. Im Jahr 2009 stand in Anbetracht der Investitions-
zurückhaltung bei einer Vielzahl öffentlicher und privater Bauherren im Zuge der tiefgreifenden Finanzkrise die Konsolidierung des erreichten Niveaus im Vordergrund.

I. Internationaler Auftragseingang im Jahr 2008

Der Auftragseingang der deutschen Bauindustrie aus dem Ausland erreichte im Jahr 2008 im dritten Jahr in Folge einen Rekordwert. Mit rund 29 Mrd. € lag das Auftragseingangsvolumen um 4 % höher als das bereits exzellente Ergebnis im Jahr 2007 (27,75 Mrd. €). Während das klassische Bauexportgeschäft um 14% auf knapp 2 Mrd. € anstieg, nahm der Anteil des Tochter- und Beteiligungsgeschäfts (T+B-Geschäft) um 3,5 % zu und umfasste fast 27 Mrd. €. Auch bei der Bauleistung wurde ein neuer Rekordwert von 25,4 Mrd. € erzielt. Davon wurden rund 24 Mrd. € im T+B-Geschäft und 1,4 Mrd. € im klassischen Bauexportgeschäft erwirtschaftet.

Wie gewohnt schlugen beim internationalen Auftragseingang die Beteiligungsmärkte in Australien und den USA besonders stark zu Buche, auf sie entfielen rund drei Viertel des Gesamtauftragsvolumens. Während sich die Auftragseingänge in den USA im Berichtszeitraum trotz der von dort ausgehenden Finanzkrise bei 7,5 Mrd. € stabilisieren konnten, zogen die Aufträge in Australien nochmals um 10% gegenüber dem Vorjahr auf mehr als 14 Mrd. € an. Ebenfalls erfreulich entwickelte sich das Tochter- und Beteiligungsgeschäft in Europa, wo mit einem Gesamtvolumen von rund 3,6 Mrd. € das Vorjahresergebnis um rund ein Viertel übertroffen wurde. Auch in Afrika konnte das Auftragsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um fast 40% auf über 850 Mio. € gesteigert werden. Demgegenüber ging das Beteiligungsgeschäft in Lateinamerika um gut die Hälfte auf nur noch 279 Mio. € zurück, in der Golfregion und Asien verringerte es sich sogar um drei Viertel auf rund 350 Mio. €.

Mit Auftragseingängen von annähernd 2 Mrd. € im klassischen Baugeschäft wurde der Rekordwert dieser Dekade (2,05 Mrd. € in 2006) nur knapp verfehlt. Die Hälfte der Auftragseingänge wurde durch Projektakquisitionen in der Größenklasse über 100 Mio. € erzielt, die mit einer Ausnahme (Libyen) allesamt aus den Mitgliedsstaaten der EU kamen. Diese Tatsache verdeutlicht, dass der europäische Baumarkt, auf den im Jahr 2008 mit rund 1,6 Mrd. € rund 80% der traditionellen Auslandsbauorders entfielen, für das klassische Bauexportgeschäft eine herausragende Bedeutung gewonnen und die klassischen Exportmärkte in den Schwellen- und Entwicklungsländern verdrängt hat. Im Mittelpunkt des Interesses standen im Jahr 2008 Griechenland, Polen, Belgien und Schweden, wo deutsche Baufirmen im Straßen- und Tunnelbau, größtenteils im Zusammenhang mit PPP-Modellen, tätig sind. Außerhalb Europas wurden größere Auftragsvolumina aus Libyen und aus den Vereinigten Arabische Emiraten (VAE) gemeldet.

 

II. Erste Prognose für das Jahr 2009

Im abgelaufenen Jahr war das internationale Baugeschäft geprägt von einer großen Investitionszurückhaltung, vor allem von Seiten der privaten Bauherren. Gleichwohl konnten die international aktiven Baufirmen in dieser schwierigen Marktphase ihr Auslandsgeschäft auf hohem Niveau konsolidieren. Dies zeigt, dass die deutschen Bauunternehmen mitsamt ihren lokalen Beteiligungsgesellschaften bei komplexen Infrastrukturvorhaben, vor allem im Verkehrsbereich, und zunehmend auch im Zukunftsmarkt des nachhaltigen Bauen auf dem Weltmarkt gut positioniert sind und daher von den weltweit aufgelegten Infrastrukturprogrammen profitieren können. Mit Blick auf das Gesamtjahr 2009 dürfte sich die internationale Bauleistung nur wenig unterhalb der Marke des Vorjahres eingependelt haben, die Auftragseingänge dürften hingegen etwas stärker zurückgegangen sein, was allerdings auf Grund der Rekordergebnisse in den Vorjahren als marktüblich bewertet werden darf.

III. Aktuelle Themen des

internationalen Baugeschäfts

Im Lichte der konjunkturellen Abkühlung auf den Weltmärkten hat sich der internationale Wettbewerb in allen Bauregionen deutlich verschärft. Die neue Bundesregierung ist aufgefordert, die internationalen Aktivitäten der deutschen Bauindustrie durch die Flankierung konkreter Projektinteressen, die Modernisierung des Exportkreditversicherungssystems sowie verstärkte Infrastrukturfinanzierung im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit tatkräftig zu unterstützen. Darüber hinaus muss sie sich auf EU-Ebene intensiv dafür einsetzen, dass innerhalb der WTO wie auch innerhalb des europäischen Binnenmarkts faire Wettbewerbsregeln gelten. Hier bestehen derzeit Defizite, vor allem mit Blick auf die Konkurrenz aus China.

 

Ungewöhnlich niedrige chinesische Angebote in Polen

Ende August 2009 hat die polnische Generaldirektion für Nationalstraßen und Autobahnen erstmals zwei Straßenbauaufträge an ein Konsortium chinesischer Baufirmen vergeben, dessen Angebotspreise im Wettbewerb mit renommierten europäischen Baufirmen um mehr als die Hälfte unterhalb der Kostenschätzung des Auftraggebers und ein Viertel unterhalb des Angebotspreises der jeweils zweitniedrigsten Bieter lagen. Die Vergabe eines insgesamt 50 km langen Teilstücks der mit europäischen Steuermitteln finanzierten Autobahntrasse von Warschau nach Lodz erfolgte an ein Tochterunternehmen der staatseigenen „China Railway Engineering Corporation“, die bislang über keinerlei Referenzprojekte im europäischen Baumarkt verfügt. Ein Einspruch des unterlegenen Bieters wurde abgelehnt, obwohl die Ausschreibungsbehörde selbst bestätigte, dass die vom chinesischen Konsortium vorgelegte Bietungsbürgschaft nicht dem polnischen Recht unterlag und ca. 30 Angebotspositionen vom chinesischen Konsortium nicht bepreist worden waren. In Anbetracht der Bedeutung dieses Falles für die gesamte europäische Bauwirtschaft haben sich die europäischen Bauverbände im Oktober 2009 an die Präsidenten der Europäischen Kommission, des Europäischen Rats, des Europäischen Parlaments sowie der Europäischen Investitionsbank gewandt und Protest dagegen eingelegt, dass staatlich subventionierten Bauunternehmen aus einem Drittland Zugang zum öffentlichen Auftragsmarkt der Europäischen Union gewährt wird. Besonders delikat ist dieser Fall auch in Anbetracht der Tatsache, dass China selbst seit dem WTO-Beitritt im Jahr 2001 seinen heimischen Baumarkt gegenüber ausländischen Bauunternehmen systematisch abschottet und ausländischen Bauunternehmen den Zugang zu heimischen Bauaufträgen in diskriminierender Weise erschwert.


Modernisierung der deutschen Exportkreditversicherung

Im Zuge der globalen Finanzkrise hat die Bundesregierung im Januar 2009 einen Vorschlag der deutschen Bauindustrie aufgegriffen und das vom Bund bei der Vergabe von Avalgarantien übernommene Risiko von bislang 80 Mio. auf 300 Mio. € pro Unternehmen erhöht. Im Einzelfall kann der maximale Garantiebetrag diese Summe auch übersteigen, wenn sich dies wegen der Eigenart des Geschäfts als notwendig erweist. Darüber hinaus können im Einzelfall Garantien auch ohne Deckung der sonstigen Risiken des Exportgeschäftes („isolierte Avalgarantie“) vom Bund übernommen werden, soweit die Absicherung der sonstigen Risiken nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die deutsche Bauindustrie begrüßt diese Modifizierungen, da sie die Liquiditätssituation deutscher Exporteure – gerade bei Großprojekten – verbessert. Im Spannungsfeld zwischen nationaler Wertschöpfung und nationalem Interesse sieht sie jedoch zusätzlichen Reformbedarf, vor allem mit Blick auf das so wichtige Tochter- und Beteiligungsgeschäft. So droht dem Exporteur ausweislich der Hermes-Regularien im Falle der Auftragsabwicklung durch eine lokale Beteiligungsgesellschaft der Verlust des „Exporteursstatus“, selbst wenn die Projektdurchführung operativ in enger Kooperation mit der deutschen Muttergesellschaft erfolgt und somit der Sicherung von Arbeitsplätzen im Inland dient. In diesen Fällen würde eine größere Bereitschaft des Bundes zur Erteilung von so genannten „Cross-Border-Deckungen“ die Position der deutschen Bauwirtschaft auf den Weltmärkten nachhaltig verbessern.

 

Internationale Vergabe-

und Vertragsstandards

Im April 2008 hat die Weltbank ein Pilotprogramm zur Einführung ländereigener Beschaffungsverfahren („Country Procurement Systems“) begonnen, wonach zukünftig bei der Vergabe von Weltbank-finanzierten Bauprojekten an Stelle der Ausschreibungsdokumente der Weltbank das nationale Vergaberecht der Partnerländer zur Anwendung kommen kann, wenn und soweit dort die internationalen Vergabestandards de jure beachtet werden. An der Pilotphase beteiligen sich Länder aus allen Erdteilen, u.a. Senegal, Ruanda, Ghana, Burkina Faso, Mauritius, Philippinen, Mongolei, Laos, Brasilien (Provinzebene), Panama, Kolumbien, Marokko, Jordanien, Bhutan und Pakistan (Provinzebene). Allerdings konnte sich knapp 18 Monate nach der Verabschiedung des Programms noch keines der Kandidatenländer endgültig für eine Teilnahme am Pilotprogramm qualifizieren. Die Weltbank hat die verschiedenen „Problembereiche“, z.B. die Vergabe- und Vertragsbedingungen, die Streitschlichtungs- und Beschwerdeverfahren, für jedes Land dokumentiert. Die deutsche Bauindustrie hat kürzlich den Vorsitz in der Internationalen Beratergruppe für das Pilotprogramm übernommen und wird darauf drängen, die Vergabestandards der Weltbank nicht zu unterlaufen.

 

Neue FIDIC-Musterbauverträge

Im Dezember 2009 hat der Internationale Verband der Beratenden Ingenieure (FIDIC) eine Testversion für einen Muster-Nachunternehmervertrag veröffentlicht. Wenngleich es sich um ein insgesamt faires und ausgewogenes Dokument handelt, ist der Anwendungsbereich umstritten. Aus Sicht des europäischen Auslandsbauverbands EIC ist der aktuelle Vertragstext mit mehr als 80 Seiten zu komplex, als dass er für den „normalen“ Nachunternehmervertrag Verwendung finden könne. Darüber hinaus sind auch inhaltliche Defizite, wie etwa die diffuse Einbeziehung des Bauvertrags zwischen Bauherrn und Hauptunternehmer sowie die Einbeziehung streitiger Sachverhalte im Nachunternehmervertrag in die Streitschlichtung des Hauptvertrags, zu bemängeln. Für die deutsche Bauindustrie von größerem Interesse dürfte die Revision der aktuellen Musterverträge aus dem Jahr 1999 sein, die sich die FIDIC für das Jahr 2010 vorgenommen hat.

RA Frank Kehlenbach, Leiter der Stabsstelle Auslandsbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Geschäftsführer der European International Contractors (EIC),

frank.kehlenbach@bauindustrie.de

China schottet ab und erschwert ausländischen Bauunternehmen den Zugang!

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