Preispolitik in der Bauwirtschaft
Der Umgang mit schwierigen MarktpreisenAuf freien Märkten bilden sich die Preise für Leistungen durch die jeweiligen Angebots- und Nachfragekonstellationen. Das gilt grundsätzlich für sämtliche Branchen und somit auch für die Bauindustrie. Preise können für die Anbieter unterschiedliche Funktionen erfüllen, eine Kernfunktion ist die, über die Preisgestaltung eine Realisation von auskömmlichen Gewinnen zu ermöglichen. Die Preissetzungsverfahren bewegen sich üblicherweise in einem Spannungsfeld zwischen Herstellkosten, geschätzten Wettbewerberpreisen und der Zahlungsbereitschaft der Kunden. Auf dieser Basis ergeben sich drei unterschiedliche Ansätze zur Preissetzung: Das kostenorientierte, dass wettbewerbsorientierte und das nachfrageorientierte Preissetzungsverfahren.
In der Bauwirtschaft dominiert traditionell das kostenorientierte Preissetzungsverfahren. In der Regel wird ein Bauvorhaben ausgeschrieben, d.h. die Nachfrager nach Bauleistungen definieren ein so genanntes Leistungsverzeichnis (LV), dass die zu erbringenden Leistungen beschreibt. Die mit der Leistungserstellung verbundenen Aufwendungen erschließen sich dem Anbieter von Baudienstleistungen häufig erst nach einer eingehenden Prüfung und Auswertung der Planungs- und Ausschreibungsunterlagen. Auf der Basis dieser Auswertungen werden die eigenen Herstellkosten inklusive der Leistungen von Nachunternehmern kalkuliert und je nach angebotspolitischer Ausrichtung wird ein dementsprechendes Preisangebot abgegeben.
Traditionelle Preisbildungsmechanismen
Allgemein kann man öffentliche und private Nachfrager differenzieren, die bei ihren Beschaffungsverfahren unterschiedlichen Rechtsnormen unterliegen. Bei öffentlichen Auftraggebern existieren drei Vergabemodalitäten, die in der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) geregelt sind: die Öffentliche Ausschreibung, die Beschränkte Ausschreibung und die Direkte Vergabe. Abgesehen von den unterschiedlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen und anderen Faktoren ist die Wettbewerbsintensität ein gravierender Unterschied dieser drei Verfahren. Während bei der Öffentlichen Ausschreibung häufig viele Unternehmen ihre Leistungen anbieten, kann sich dieser Anbieterkreis bei der Beschränkten Ausschreibung und vor allem auch bei der Direkten Vergabe teilweise erheblich reduzieren. Grundsätzlich geht mit einer höheren Wettbewerbsintensität eine Verringerung der Gewinnmargen einher. Im Gegensatz zu öffentlichen Institutionen existieren bei privaten Nachfragen häufig unternehmensinterne Regularien für die Beschaffung von Bauleistungen, die sich teilweise an die VOB anlehnen können.
Für die preispolitische Ausrichtung der Bauunternehmen können diese unterschiedlichen Rechtsrahmen deutliche Konsequenzen nach sich ziehen: Während sich die Bauunternehmen bei öffentlichen Bauaufträgen häufig auf eine intensive Wettbewerbssituation und somit auf eine preislich wenig attraktive Situation stossen, bieten unterschiedliche Segmente in der Privatwirtschaft vielfältige Absatzpotenziale, die auch vor dem Hintergrund neuer Preisgestaltungsansätze lukrativ erscheinen. Da die Rahmenbedingungen (Rechtsrahmen, Faktorkosten, Marktsituation) für sämtliche Unternehmen gelten, erscheint eine auf die Kosten ausgerichtete Preispolitik nur eine begrenzte Perspektive bieten; Kostendifferenzen können häufig nur durch Prozessoptimierung oder durch skalenökonomische Effekte bei der Beschaffung generiert werden. Zudem ist häufig zu beobachten, dass die Preise in intensiven Wettbewerbssituationen das einzugehende Risiko nicht vollumfänglich abbilden. Die Krise in der Bauwirtschaft, die von Mitte der 90er Jahre bis Mitte dieses Jahrzehnts andauerte, illustriert, welche negativen langfristigen Folgen mit einer derartigen Preispolitik verbunden sein können. Die jüngsten öffentlichen Ankündigungen einiger namhafter deutscher Baukonzerne, ihre klassischen Bauaktivitäten wegen der schlechten Marktsituation deutlich reduzieren zu wollen, sind im Wesentlichen auf dieses Kernproblem zurückzuführen.
Innovative Preisbildungsansätze
Einen möglichen Ausweg aus der beschriebenen Situation bieten innovative Preissetzungsverfahren, die im Folgenden auszugsweise skizziert werden:
Risikooptimierte Ansätze
Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, die Risiken, die sich u.a. aus steigenden Baumaterialpreisen ergeben können, durch so genannte Preisgleitklauseln an den Auftraggeber weiterzureichen. Dies führt aus Sicht der Bauunternehmen zu einer ausgewogeneren Risikoverteilung; der Nachteil ist, dass zumindest gegenwärtig viele Auftraggeber nicht bereit sind, höhere Risiken zu übernehmen und dadurch sicherlich die Erfolgsquote bei der Auftragsakquisition tendenziell sinken wird.
Lebenszyklusansätze
Auftraggeber tätigen ihre Kaufentscheidung (Auftragszuschlag) häufig in Abhängigkeit von der Höhe der Anschaffungskosten.
Diese Perspektive lässt wichtige Kosten wie die Betriebskosten unberücksichtigt, bei einer Kostenbetrachtung über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks sinkt der Anteil der Anschaffungskosten auf ca. 30 bis 40 % der Gesamtkosten. Unter diesem Blickwinkel wird schnell deutlich, dass der Großteil der Kosten nach der Bauphase anfällt; ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Die Verwendung spezieller hochwertiger Dämmstoffe während der Bauphase kann einen Baukörper besser isolieren und erschließt somit langfristig ein nennenswertes Kostensenkungspotenzial, führt jedoch kurzfristig zu höheren Aufwendungen. Ein Unternehmen, dem es gelingt, den Kunden von den langfristigen Vorteilen einer Lebenszyklusbetrachtung zu überzeugen, kann sukzessive eine veränderte Preispolitik im Markt etablieren.
Partnering
In den USA und Großbritannien bereits etabliert, entwickelte sich dieser Ansatz erst mit einiger Zeitverzögerung auch in Deutschland. Partnering stellt einen Paradigmenwechsel in der Kunden-Lieferantenbeziehung dar, weil das ursprünglich traditionell konfliktäre Verhaltensmuster in der Baubranche durch einen kooperativen Ansatz ersetzt wird, der die Interessen sämtlicher beteiligter Organisationen mit dem Ziel berücksichtigt, die Partnerressourcen effektiver auszuschöpfen. Statt in aufwendigen gerichtlichen Auseinandersetzungen eine Einigungen zu suchen, können die Beteiligten ihre Energien durch eine Einbindung in der Frühphase der Bauproduktion auf das gemeinsam vereinbare Ziel ausrichten. Wenn beispielsweise Änderungsanforderungen frühzeitig zwischen den Beteiligten abgestimmt werden können, kann man sich ggf. aufwendigere und kostenintensivere Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt sparen.
Neue vertragliche Ansätze
Die in Deutschland üblichen Vertragsmodelle wie Einheitspreisvertrag, Detail- oder Global-Pauschalvertrag können, zumindest im privatwirtschaftlichen Sektor, durch andere Vertragsmodelle, die attraktivere und teilweise risikoärmere Vergütungsmöglichkeiten bieten, ersetzt werden. In diesem Zusammenhang werden häufig GMP und Cost plus Fee Modelle genannt.
GMP-Vertrag (guaranteed maximum price) bedeutet sinngemäß garantierter Maximalpreis und kennzeichnet die Kostenobergrenze für den Auftraggeber. In vielen Fällen werden die Kostenobergrenzen mit Anreizelementen zur weiteren Kostenreduktion verknüpft; dies geschieht üblicherweise über einen Verteilungsschlüssel der die Verwendung der Differenzbeträge zwischen Maximalpreis und tatsächlichen Kosten festlegt. Die meisten dieser Verteilungsklauseln teilen den zusätzlichen „Gewinn“ gleichermaßen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer auf.
Cost-plus-Fee-Verträge haben den Charakter von Selbstkostenerstattungsverträgen, die Vergütung für den Auftragnehmer setzt sich aus den jeweilige Herstellkosten und einer zusätzlichen Gebühr zusammen. Dabei kann die Gebühr durch unterschiedliche Methoden bestimmt werden: durch eineprozentualen Aufschlag, durch einen Pauschalbetrag oder durch einen variablen prozentualen Aufschlag.
Fazit
Die teilweise schwierige Marktpreissituation stellt für viele deutsche Bauunternehmen im Inland eine Herausforderung dar, der sie mit unterschiedlichen Maßnahmen begegnen: Einige Anbieter von Baudienstleistungen versuchen, durch eine selektive Angebotspolitik und durch ein professionelleres Risikomanagement ihre Ertragslage positiv zu beeinflussen. Andere Unternehmen dringen in Marktsegmente vor, wo sich im Verhältnis zu klassischen Bauprojekten deutlich bessere Preise und somit höhere Gewinnmargen erzielen lassen (z.B. Facility Management, Flughafenmanagement, Energiedienstleistungen).
Viele Bauunternehmen überdenken angesichts der teilweise unattraktiven Marktpreise in einigen Segmenten der Bauwirtschaft in regelmäßigen Abständen sowohl ihre Leistungsangebots- als auch ihre Preispolitik. Ein professionelles und mit anderen Maßnahmen abgestimmtes Preismanagement kann dabei einen wesentlichen Beitrag zur langfristigen Unternehmenssicherung leisten.