PREIS ALS EINZIGES ZUSCHLAGSKRITERIUM:

Nebenangebote im Vergabeverfahren

Preis als einziges Zuschlagskriterium: Nebenangebote zulässig?

Die Frage, ob im Vergabeverfahren Nebenangebote zulässig sein können, wenn in den Vergabeunterlagen der Preis als einziges Zuschlagskriterium vorgesehen ist, war bislang sehr umstritten.

Rechtsanwältin Andrea Maria Kullack, Kullackrechtsanwälte,
Frankfurt/Main

Das OLG Düsseldorf hatte dies in ständiger Rechtsprechung verneint (1). Kritisch dazu äußerte sich neben dem OLG Schleswig (2) u. a. auch die VK Südbayern, die dies jedenfalls auf die Frage der Zulässigkeit mehrerer Hauptangebote, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist, nicht übertragen wollte (3). Durch eine aktuelle BGH-Entscheidung (4) ist diese Streitfrage nunmehr geklärt.

Keine Zulassung und Wertung von Nebenangeboten

In seiner Grundsatzentscheidung vom 07.01.2014 stellt der BGH klar, dass, wenn in einem Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte der Preis alleiniges Zuschlagskriterium ist, Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und – falls sie fälschlicherweise doch zugelassen wurden – nicht gewertet werden dürfen. Im Unterschied zum OLG Düsseldorf leitet der BGH dies nicht aus Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/18/EG ab, sondern aus dem Inhalt des nationalen Vergaberechts.

Dieses sieht im Rahmen der Angebotswertung keine besonderen Regelungen für Nebenangebote vor (z. B. § 16 EG Abs. 6 ff. VOB/A). Es bestimmt lediglich, dass der Auftraggeber, wenn er Nebenangebote zugelassen hat, Mindestanforderungen festlegen muss, denen diese Nebenangebote zu genügen haben, um gewertet werden zu können (z. B. § 8 EG Abs. 2 Nr. 3 lit. b VOB/A).

Angesichts dessen ist eine wettbewerbskonforme Wertung der Nebenangebote nicht gewährleistet, wenn für den Zuschlag allein der Preis maßgeblich sein soll. Als Beispiel führt der BGH an, dass ein Nebenangebot, das den Mindestanforderungen genügt und geringfügig billiger ist als das günstigste Hauptangebot, aber überproportional hinter dessen Qualität zurückbleibt, den Zuschlag erhalten müsste, obwohl es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung gerade nicht als das günstigste Angebot erweist.

Auch die (ungeschriebene) Gleichwertigkeitsprüfung, die die Rechtsprechung vielfach von den Vergabestellen verlangt und mit der – über die Erfüllung der Mindestanforderungen hinaus – die Zuschlagsfähigkeit eines Nebenangebotes von dessen Gleichwertigkeit mit dem Amtsvorschlag abhängig gemacht wird, genügt im Allgemeinen nicht den Anforderungen an transparente Wertungskriterien. Denn für diese Gleichwertigkeitsprüfung gibt es keine benannten Bezugspunkte, so dass für die Bieter bei Angebotsabgabe nicht hinreichend voraussehbar ist, was die Vergabestelle noch als gleichwertig anerkennen wird und was nicht. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Vergabestelle die „Gleichwertigkeit“ – ohne zugleich konkrete Anforderungen an die Leistung zu formulieren – als Mindestanforderung definiert.

Hinweise für die Praxis

Denkbar und laut BGH nicht zu beanstanden wäre es, die Mindestanforderungen an Nebenangebote so konkret zu definieren, dass durch ihre Erfüllung die Vergleichbarkeit mit dem Amtsvorschlag gewährleistet ist. Dies würde jedoch den Interessen sowohl des Auftraggebers als auch der Bieter zuwiderlaufen. Sinn und Zweck der Zulassung von Nebenangeboten ist es, dem Auftraggeber Alternativlösungen zu unterbreiten, auf die dieser selbst möglicherweise nicht gekommen wäre. Der Auftraggeber kann hierdurch optimale Lösungsvorschläge erhalten, während den Unternehmen verstärkte Gelegenheit zur wettbewerblichen Betätigung gegeben wird.

Dieser eigentliche Nutzen der Zulassung von Nebenangeboten entfällt, wenn den Bietern die Leistung im Rahmen der Mindestanforderungen bereits im Detail vorgegeben wird.

Wie detailliert die Mindestanforderungen an Nebenangebote sein müssen, lässt sich laut BGH nur im Einzelfall bestimmen. Erforderlich, aber auch ausreichend soll es sein, wenn den Bietern – neben technische Diversität zulassenden technischen Spezifikationen – in allgemeiner Form der Standard und die wesentlichen Merkmale deutlich gemacht werden, die eine Alternativausführung aus Sicht der Vergabestelle aufweisen muss.

Weiterhin hat der Auftraggeber aussagekräftige, auf den jeweiligen Auftragsgegenstand und den mit ihm zu deckenden Bedarf zugeschnittene Zuschlagskriterien festzulegen. Diese müssen es ermöglichen, den sachlichen Wert von Nebenangeboten über die Mindestanforderungen hinaus nachvollziehbar mit dem Standard des Amtsvorschlages zu vergleichen, so dass auf dieser Basis das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt werden kann.

Anmerkungen/Quellen

(1) Z. B. Beschlüsse v. 23.03.2010 (Verg 61/09) und v. 09.03.2011(Verg 52/10).

(2) OLG Schleswig, Beschluss v. 15.04.2011 (1 Verg 10/10).

(3) VK Südbayern, Beschluss v. 18.10.2013 (Z3-3-3194-1-30- 08/13).

(4) BGH, Beschluss v. 07.01.2014 (X ZB 15/13)-

„Stadtbahnprogramm Gera“.⇥■

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