Solar Roadways

Solarzellen statt Asphalt

Müssen Fahrbahnen aus Asphalt sein? Diese Frage stellte sich ein amerikanisches Tüftler-Paar und fand eine erstaunliche Antwort. Straßen aus Solarzellen nämlich. Die könnten nicht nur Strom liefern, Öl sparen und aufliegenden Schnee schmelzen - sondern auch vor Unfällen schützen.
Straßen, durch die Strom fließt, kannte man bisher nur von Carrera-Bahnen. Julie und Scott Brusaw, ein Ehepaar aus Sandpoint in den USA, greifen das Prinzip elektrischer Straßen nun auf - nur, dass ihre Straßen den Strom auch selbst produzieren. So wollen die Brusaws den Autoverkehr der Zukunft sauberer und sicherer machen. Die Idee ist so einfach wie genial: Überall dort, wo Straßen verlegt sind, könnten auch Solarmodule liegen. Diese erzeugen Strom, der wiederum ins Stromnetz eingespeist wird. Damit kann gleich doppelt Öl gespart werden: Mit der durch die Solarmodule gewonnenen Energie könnten Elektroautos aufgeladen werden. Außerdem kann beim Straßenbau Asphalt gespart werden, für dessen Herstellung Erdöl erforderlich ist. Obendrein sind die Solar Roadways beheizbar und verfügen über integrierte LEDs. Die fungieren nicht nur als Fahrbahnmarkierung, sondern können auch Warnhinweise direkt auf der Fahrbahn einblenden
Die Brusaws sind sich bewusst, dass ihre Vision nicht von heute auf morgen umzusetzen ist. Darum wollen sie klein anfangen: bei Geh- und Radwegen oder größeren Parkplätzen von Supermärkten. Jeder Quadratmeter Solar Roadway statt Asphalt ist ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen, so sehen sie das. Die großen Schritte wären Landstraßen und Autobahnen. Weltweit.
 
In der Wirklichkeit angekommen "Die Hälfte der Leute halten uns für genial, die anderen für verrückt", sagt Scott Brusaw. Der Elektroingenieur tüftelt seit Jahren daran, die Idee seiner Frau umzusetzen. Julie Brusaw ist Psychotherapeutin. Straßenbau gehörte bisher nicht zu ihrem Fachgebiet. Doch als in den USA immer intensiver über den Klimawandel diskutiert wurde, kam sie auf die Idee mit den Solarstraßen. Das Projekt entwickelte sich zum Selbstläufer: 2009 gab es erste Forschungsgelder vom Staat für den Bau der Prototypen. Weil die hielten, was die Brusaws versprachen, folgte in diesem Frühjahr ein Pilotprojekt, das mit 750.000 Dollar staatlicher Gelder gefördert wird: In ihrer Heimatstadt Sandpoint in Idaho, nahe der kanadischen Grenze, bestückt das Ehepaar nun erstmals einen Parkplatz mit den Solarmodulen. Dabei gab es auf dem Weg zum cleveren Asphaltersatz einige Hürden zu nehmen: "Mindestens so viel Haftung zu bieten wie eine normale Asphaltstraße, auch bei Regen - das war bei der Entwicklung eine der wichtigsten Anforderungen an die oberste Schicht der Panels", erklärt Brusaw. Und so wurde ein Glas entwickelt, das so hart ist wie Stahl, aber eben nicht glatt. "Es hat so wenig damit zu tun, was wir von Fensterscheiben kennen, dass uns die Bezeichnung 'Glas' dafür kaum über die Lippen kommt. Aber technisch gesehen ist es Glas, also nennen wir es auch so", sagt Brusaw.
Kleine Alleskönner Der Aufbau eines Moduls ist immer gleich und besteht aus drei Teilen: ganz oben die harte Glasschicht mit den Solarmodulen, LED-Leuchten und Heizung. Dann folgt die zweite Schicht, in der die Steuerung untergebracht ist. Eine Mikroprozessoreinheit aktiviert die Leuchten und kommuniziert mit den anderen Straßenmodulen. Die Basis, die unterste Schicht, sorgt dafür, dass der Strom, der oben gesammelt wird, auch zu den Häusern und Ladestationen für Elektroautos kommt. Außerdem ist hier Platz für andere Kabel wie Fernseh- oder Telefonleitungen.
Und die Brusaws haben sogar noch weiter gedacht: An den Seiten der Module befinden sich Kanäle, in denen abfließendes Wasser gesammelt und gefiltert werden kann. So geht das Wasser nicht verloren, sondern kann etwa in der Landwirtschaft für die Bewässerung von Äckern dienen.
Was aber, wenn ein Erdbeben die Straße erschüttert? "Da wirken Kräfte, die Asphaltstraßen zerstören könnten", so Scott Brusaw, "und natürlich auch unsere Solarstraßen". Geht ein Straßenelement kaputt, wird es einfach ausgetauscht. Alle Elemente zusammen verbinden sich zu einem intelligenten Straßennetz, das dank der LED-Leuchten die Autofahrer vor Gefahren hinter der nächsten Kurve warnen kann.
 
Bewährt sich die Technik beim Pilotprojekt, spricht kaum noch etwas gegen sie. Höchstens, dass ihre Ausbeute nicht so gut ist wie bei Solaranlagen, die optimal auf die Sonne ausgerichtet sind. Dafür haben die Solarstraßen ein riesiges Potential. Allein in Deutschland gibt es 230.000 Kilometer Autobahnen, Bundes- und Landstraßen sowie Kreisstraßen. Insgesamt rund 18.000 Quadratkilometer Verkehrsfläche, das entspricht fast fünf Prozent der Gesamtfläche der Bundesrepublik. Nur ein Haken bleibt: Noch wären die Solarmodule dreimal so teuer wie herkömmliche Straßen. Aber sie rechnen sich, sagen die Brusaws - über die Jahre könne damit sogar Gewinn gemacht werden. Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.

Quelle: Spiegel Online

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