Technik und Natur im Einklang
Trag- und Vorschubgerüste in Süd-Norwegen im EinsatzBeim Ausbau der Europastraße E 18 kommen bei Brückenbauarbeiten Röro Trag- und Vorschubgerüste von der Thyssenkrupp Infrastructure GmbH zum Einsatz. Die leistungsstarken Systeme spielen ihre Vorteile vor allem durch ihre Modularität aus.
Die Europastraße 18 (E 18) mit einer Gesamtlänge von rund 1.880 Kilometer verläuft in Ost-West-Richtung von Russland bis nach Nordirland. Dabei führt sie ab der norwegischen Stadt Ørje von Schweden kommend durch den Süden Norwegens an der Küste entlang bis nach Kristiansand. Um dem stetig steigenden Verkehrsaufkommen auf dieser Route gerecht zu werden, hat das staatliche Unternehmen Nye Veier AS entschieden, Teilabschnitte der bisherigen E 18 mit geänderter Trassenführung neu zu errichten. Einer dieser beiden Teilabschnitte mit einer Länge von gut 16 Kilometer führt von Rugtvedt nach Dørdal. Gerade auf diesem Streckenabschnitt der heutigen E 18, mit nur einer Richtungsfahrspur je Fahrtrichtung, soll durch den Neubau der Verkehr um bis zu 95 Prozent reduziert werden.
Querende Bauwerke
Im Rahmen des neuen Trassenabschnittes werden mehrere Brücken- und Tunnelneubauten erforderlich. Dabei handelt es sich zum einen um Talbrücken, über die die neue E 18 geführt wird, zum anderen um querende Bauwerke, die ein Über- oder Unterfahren der neuen Strecke ermöglichen sollen. Herzstück der Baumaßnahme ist die Talbrücke K 150, die Stemmenbrua, die ein Gewässer in einem Naturschutzgebiet überführt. Diese wird mit einem Röro Vorschubgerüst von Thyssenkrupp Infrastructure GmbH auf einer Länge von rund 320 Metern errichtet. Die norwegische PNC Norge AS, Oslo, eine Tochtergesellschaft der österreichischen Porr AG, beauftragte die Experten für Vorschub- und Traggerüste aus Deutschland mit der logistisch anspruchsvollen Lieferung und der Montage der Traggerüste. Sie werden für die Erstellung der Stemmenbrua sowie 14 weiterer Brückenbauwerke eingesetzt – ein Auftrag, den PNC Norge AS von der Betonmast Hæhre, Oslo, erhalten hat.
Bauliche Herausforderung
Bei der Stemmenbrua handelt es sich um eine so genannte semi-integrale Brücke, bei der die Brückenpfeiler teilweise monolithisch mit dem Überbau der Brücke verbunden sind. Lediglich an den Widerlagern und Randpfeilern der Brücke befinden sich Brückenlager. „Daher können andere Bauweisen für die Herstellung des Überbaus nicht angewendet werden“, erläutert Matthias Lang, Projektleiter Vorschubgerüste bei Thyssenkrupp Infrastructure die bauliche Herausforderung. „Hinzu kommt, dass das Naturschutzgebiet erhöhte Anforderungen an den Bau der Brücke stellt“, so Lang weiter. Daher habe man sich für die Bauweise mit einem Vorschubgerüst entschieden. Die Stemmenbrua mit einer Länge von rund 320 Metern und einer Höhe von gut 55 Metern an der höchsten Stelle verfügt über sieben Brückenfelder mit einer Aufteilung von 32 - 48 - 48 - 60 - 48 - 48 - 32 Metern. Sie wird als Hohlkastenquerschnitt ausgebildet.
Vorschubgerüst an Kragarm befestigt
Das Vorschubgerüst von Thyssenkrupp Infrastructure hat eine Gesamtlänge von 114 Metern. Es besteht aus 2,30 Meter hohen und 12 Meter langen modularen Vollwandträgern HV21, die durch Fachwerkträger U 2000-2 verlängert werden. Auf den Vollwandträger werden die Schalungsquerträger HEB 550 montiert, welche hydraulisch quer verschiebbar sind. Diese Querträger tragen wiederum die Schalung, welche die Querschnittsform des Überbaus nachbildet. „Damit eine einheitliche Biegelinie bei dem Brückenbauwerk entsteht, wird über jeden Brückenpfeiler hinaus immer ein Kragarm mit einem Fünftel der Länge des Brückenfeldes mitbetoniert“, erläutert Lang die Vorgehensweise bei der Erstellung der Brücke. An diesem werde dann das Vorschubgerüst für den nächsten Bauabschnitt angehängt. „Außer bei dem mittigen 60 Meter Feld“, hebt Lang hervor. „Hier wird von der einen Seite kommend der Arm in das Feld betoniert. Anschließend wird das komplette Vorschubgerüst über das gesamte Tal verschoben und von dort aus wieder in Richtung 60 Meter Feldes gebaut.“ Am Ende ragen zwei Kragarme in das Brückenfeld zwischen denen dann das Vorschubgerüst für den letzten herzustellenden Abschnitt angehängt wird.
Logistische Herausforderung
Neben dem Vorschubgerüst für die Stemmenbrua liefert Thyssenkrupp Infrastructure noch Traggerüste für 14 weitere Bauwerke der neuen E 18 durch Süd-Norwegen, zu denen fünf bis zu 213 Meter lange Talbrücken, Überfahrten und zwei Tunnelbauwerke zählen. „Das ganze Projekt ist mit einem sehr hohen logistischen Aufwand verbunden“, so Lang zu einer weiteren Herausforderung. „Beginn der Planungsarbeiten für das gesamte Projekt bei uns im Unternehmen war Juli 2017. Binnen einer Zweijahresfrist müssen alle 15 Bauwerke fertiggestellt sein; insgesamt müssen rund 3.000 Tonnen Material von Deutschland aus nach Norwegen transportiert werden.“ Zu den Leistungen, die Thyssenkrupp Infrastructure erbringt, gehört neben dem Import aller Materialien inklusive der Zollabwicklung, die technische Bearbeitung hinsichtlich der Statik der Traggerüste sowie deren Auf-, Um- und Abbau sowie das Verschieben des Vorschubgerüstes. Damit die Zweijahresfrist eingehalten werden kann, werden vier Bauprojekte parallel von den Spezialisten aus Deutschland betreut. Hierbei umfasst das Expertenteam vor Ort einen Bauleiter und 15 Monteure.